von Diözesanadministrator Prälat Dr. Bertram Meier
„Der Kreuzweg Jesu geht weiter.“
Das Kreuz Jesu wird auch heute noch von so vielen Menschen weiter getragen. Gedanken zur weltweiten Christenverfolgung am Sonntag nach Kreuzerhöhung.
„Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, und preisen dich; denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst.“
Dieser Satz begleitet uns wie ein Refrain auf dem Kreuzweg, den wir miteinander beten werden. Auf vierzehn Stationen gehen wir den Weg nach, der Jesus nach Golgotha geführt hat. Gleichzeitig werden wir daran erinnert, dass Jesu Kreuzweg weitergeht – gerade heute.
In den vergangenen Jahren kamen viele Flüchtlinge nach Deutschland. Ein großer Teil von ihnen gelangte zunächst nach München - nach Bayern, wo auf herausragende Weise ehrenamtliches Engagement dafür sorgte, dass Deutschland „strahlte“ über die Grenzen hinaus. Leute willkommen zu heißen, die aus prekären Situationen in ihren Herkunftsländern und den Transitländern nach Deutschland gelangt sind, war und ist ein Dienst an den Menschen und ein Zeichen dafür, dass ihre Würde als Mitmenschen ernst genommen wird: ein humanitärer Dienst und eine Christenpflicht.
Heute haben wir im Studienteil unseres Tages der Solidarität einen Lagebericht Eritrea gehört. Aus den Zeugnissen orientalischer Christen insgesamt, deren Kirchen auch in unserem Land präsent sind, wissen wir, was es für Flüchtlinge bedeutet, aufgenommen zu werden.
Damit sind wir mitten im Thema: Die eine Seite ist unsere Hilfsbereitschaft vor Ort, die andere lenkt unseren Blick in die Gegenden, aus denen die Flüchtlinge und Asylbewerber kommen. Sie lassen in der Regel nicht grundlos ihre Heimat zurück. Gerade den Christen geht es dort oft schlecht. Aus dem arabischen Frühling ist für sie eine Eiszeit geworden. Der Kreuzweg Jesu geht weiter. Der Leib Christi, die Kirche, ist verwundet und blutet. In diese Wunde legen wir heute unseren Finger.
Papst Franziskus wird nicht müde, „grausame, unmenschliche, unerklärliche Verfolgungen, vor allem gegen Christen“ beim Namen zu nennen: Die Christen „sind die Märtyrer von heute, gedemütigt und diskriminiert um ihrer Treue zum Evangelium willen“ (Radio Vatikan 6.8.2015). „Ich rufe die internationale Gemeinschaft dazu auf, nicht stumm und tatenlos zu bleiben angesichts dieses inakzeptablen Verbrechens.“ Seit Beginn der Kämpfe in Syrien im Frühjahr 2011 wurden Schätzungen zufolge rund 250000 Menschen getötet. Fast die Hälfte der Bevölkerung – zwölf Millionen Männer, Frauen und Kinder – sind auf der Flucht. Der Patriarch der syrisch-katholischen Kirche Ignace Youssif III. Younan ruft uns mit Leidenschaft zu: „Es ist eine religiöse Säuberung! Was Ihre (westlichen) Regierungen nicht sehen wollen, und wovon Ihre Regierungen nichts wissen wollen. Denen ist die Religionsfreiheit dieser Gemeinschaften, die über Hunderte von Jahren durch ihre Treue zum Evangelium dort durchgehalten haben, ziemlich egal. Man sagt uns, es gebe internationale Einrichtungen zur Verteidigung der Menschenrechte und der Religionsfreiheit – aber wo sind sie denn? Das ist eine Lüge! Was sollen wir tun? Wie hat es der ‚islamische Staat‘ geschafft, so weit zu kommen?“ (Radio Vatikan 8.8.2015)
Der Kreuzweg Jesu geht weiter. Es gibt so viele Kreuzträger im Gefolge dessen, der das Kreuz nach Golgatha getragen hat. Unzählige Christen schleppen das Kreuz durch ihre Lebensgeschichte – in Eritrea, in Syrien, im Irak, in Nordkorea und in vielen anderen Ländern. Als Christen haben wir die Pflicht, Flüchtlinge aufzunehmen, aber Europa, d.h. wir müssen auch die eigene christliche Identität wahren können. Hilfe für alle – Ja! Aber auch in Rücksicht auf unsere christlichen Schwestern und Brüder! In diesem Sinn beten wir heute Abend den Kreuzweg:
„Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, und preisen dich; denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst.“