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Wichtiges
Predigt im Pontifikalamt zum Heiligen Jahr 2025 am Sonntag, 05.01.25, in Dillingen, Basilika St. Peter, Konkathedrale des Bistums Augsburg

Als Pilger der Hoffnung unterwegs durch die Zeit

05.01.2025

Liebe Schwestern und Brüder in Christus, vor wenigen Tagen wurde das Heilige Jahr 2025 in Rom und auch im Dom in unserem Bistum feierlich eröffnet. Und ich freue mich, dass wir aus demselben Anlass hier in der Konkathedrale in Dillingen versammelt und mit vielen Gläubigen über K-TV verbunden sind.

Unsere Pilgerschaft im Jahr 2025 steht unter dem Stern der Hoffnung, der uns Herz und Perspektive weiten soll. Dieser Wunsch dringt auch als eindringlicher Ruf aus dem Epheserbrief an unser Ohr: „Der Gott Jesu Christi erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid.“ (Vgl. Eph 1,18)

Was ist das für eine Hoffnung, zu der wir im Heiligen Jahr 2025 berufen sind? Ich möchte diese Hoffnung an Hand von fünf Punkten charakterisieren:

1. Christliche Hoffnung reicht über diese Welt hinaus

Jede Hoffnung ist auf Zukünftiges hin orientiert. Die christliche Perspektive reicht bis in die Ewigkeit. In der Bulle zum Heiligen Jahr spricht Papst Franziskus davon, dass unsere Hoffnung „weitaus größer ist als die alltäglichen Genugtuungen und Verbesserungen der Lebensumstände.“ Sie „ermutigt uns, weiterzugehen, ohne die Größe des Ziels aus den Augen zu verlieren, zu dem wir berufen sind: den Himmel.“[1] Wir gehen auf etwas zu, das wir nicht selber schaffen können. Wenn wir unser Leben auf den Himmel ausrichten, wird er uns unverdient geschenkt. Dort wird sich unsere Hoffnung auf Heil und Frieden endgültig erfüllen. Denn „unsere Heimat ist im Himmel“ (Phil 3,20).

2. Christliche Hoffnung kommt der Welt entgegen

Aber unsere Hoffnung liegt nicht nur im Jenseits. Sie kommt stets auf uns zu und wird in dieser Welt, im Hier und Jetzt, greifbar! Schon im Alten Testament spricht die Weisheit Gottes davon, im Volk einen Platz für ihr Zelt zu finden und dort Wurzeln zu schlagen (vgl. Sir 24,8.12). Diese Verheißung hat Gott an Weihnachten eingelöst: der Ewige selbst ist Fleisch geworden und wohnte unter uns, ja, er „zeltete“ unter uns – so dürfen wir den Vers aus dem Johannesprolog wörtlich übersetzen. Unsere Hoffnung trägt einen Namen: Jesus Christus. Mit der Menschwerdung hat Gott sich in dieser Welt leibhaftig verankert.

Vielleicht haben Sie schon das Logo zum Heiligen Jahr betrachtet? Das Kreuz, das als Anker ausläuft, es neigt sich der ganzen Menschheit zu, die in verschiedenfarbigen Figuren dargestellt ist.[2] Wer von Ihnen schon einmal auf einem Segeltörn oder einer Kreuzfahrt war, weiß, wie wichtig ein gut gesetzter Anker ist, um nicht durch Wind und Wellen abgetrieben zu werden. Viele Stürme, denen wir im Alltag ausgesetzt sind, kennen Christen wie Nichtchristen gleichermaßen; doch finden wir im Glauben einen Anker, der stabilen Halt bietet. Die Perspektive auf das Heilige und Ewige kann so manchen Wirbelsturm auf der Seefahrt unseres Lebens in die rechten Schranken weisen. Wenn das Kreuz für Auferstehung steht, wird es zum Anker. In jeder Eucharistiefeier lassen wir uns hineinnehmen in den Kreuzestod Jesu, der uns zur Auferstehung wird. Gott hat sich nicht wieder zurückgezogen, er ist bleibend gegenwärtig unter uns im eucharistischen Leib. Nicht von ungefähr bedeutet Tabernakel Zelt. Gerade von dort kommt Hoffnung immer wieder neu auf uns zu.

Manche von Ihnen kennen sicher die Augsburger St. Moritz-Kirche; der Chorraum ist konzentriert auf eine einzige Figur: Christus Erlöser. Wenn Sie den Kirchenraum durch das Hauptportal betreten, dann eilt dieser Christus förmlich in Ihre Richtung. Wollen Sie ihm entgegengehen, diesem Gott, der auf uns zukommt? Schon in der Adventszeit leuchtete über dem Altar der Moritzkirche, also auf dem Weg vom Kircheneingang hin zu Christus, ein heller Stern. Weihnachten sagt uns: Der Weg zu Gott liegt nicht im Dunkeln.

3. Christliche Hoffnung lebt vom wachen Blick

Wer mit Kindern Weihnachten feiert, kann vor allem bei den Kleinsten etwas Schönes beobachten. Der Anblick des allerersten Christbaums mit seinen vielen Lichtern zaubert einen Glanz in ihre Augen, der Staunen und Faszination ausdrückt. Haben wir noch ein Auge für die Lichtquellen, in denen der Glanz des Heiligen, der Glanz des göttlichen Lichtes in unseren Alltag einbricht? Der Epheserbrief bittet um die Erleuchtung unserer Herzen, damit wir Hoffnung sehen können.

Im grauen Winter ist es wohltuend, licht- und hoffnungsvolle Zeichen im Alltag wahrzunehmen. Es hängt mitunter vom Blickwinkel ab, ob wir zuversichtlich auf unser Leben schauen. Durch gut geübtes Jammern verschaffen wir uns vielleicht kurz Luft, doch meist verändert sich gar nichts. Wäre es nicht vielversprechender, an dem anzuknüpfen, was sich selbst in herausfordernden Situationen und schwierigen Mitmenschen an Wahrem, Gutem und Schönem zeigt?

Morgen feiert die Kirche das Dreikönigsfest. Für den Weg der drei Weisen war die Orientierung am Licht entscheidend. Als sie ihrer Hoffnung trauten und aufbrachen, hatten sie keinen anderen Wegweiser als diesen einen hellen Stern. Es war eine natürliche Lichtquelle, von der sie sich zum ewigen Licht führen ließen. Die Führung Gottes ist nicht nur für einige Heilige bestimmt: Jeden von uns möchte Gott sicher auf dem Pilgerweg durchs Leben geleiten; und in den meisten Fällen geschieht das nicht durch ein himmlisches Feuerwerk, sondern durch die Gelegenheiten, die der Alltag bietet.

4. Der Pilgerweg der christlichen Hoffnung ist heilsam

Den Blick auf das Positive zu richten, bedeutet nicht eine naive Haltung einzunehmen. Gott hat der Welt in der Menschwerdung das Wunder eines neuen Anfangs geschenkt, ohne das Alte gering zu achten oder gar Unrecht unter den Teppich zu kehren. Gerade darin zeigt sich das realistische Potential der christlichen Glaubenshoffnung. Die Menschwerdung Gottes bejaht den Menschen: Sie stärkt und adelt all das Gute im Menschen. Aber Gott sieht nicht einfach über Schuld, Verletzung und Gebrochenheit hinweg. Er beugt sich hinab in den Staub jener Orte, an denen Gewalt und Ausbeutung herrschen, dorthin, wo Wunden noch bluten oder tiefe Narben hinterlassen haben und wo Beziehungen gebrochen oder schwer belastet sind.

Pilger der Hoffnung zu sein bedeutet, sich innerlich auf einen Weg der Heilung und Reinigung einzulassen: das gilt für jene, die verletzt sind, aber auch für die, die schuldig wurden. Meist sind wir beides. Papst Franziskus spricht von „starke(n) Momente(n)“[3], die ein Heiliges Jahr kennzeichnen, und er meint damit „die lebendige Erfahrung der Liebe Gottes“[4], die uns im Sakrament der Versöhnung geschenkt wird. Die Gnade eines Jubeljahres bietet die Erfahrung der Barmherzigkeit darüber hinaus auch für unsere Verstorbenen in Form eines Ablasses an. Auch hierin wird deutlich, dass der Pilgerweg der Hoffnung ein gemeinschaftlicher Weg ist, der über den Tod hinausreicht. Ob im Jenseits oder auf dieser Erde: die Gemeinschaft der Kirche kennt keine Grenze.

5. Christliche Hoffnung ist Hoffnung für alle

Ich möchte mit zwei Gedanken schließen, wie sich unser Pilgerweg der Hoffnung in der Gemeinschaft der Kirche noch konkreter gestalten kann. Ein Blick geht nach Rom: Pilgernde aus aller Welt werden in den nächsten Monaten ihre Schritte durch die Heiligen Pforten der vier Patriarchalbasiliken setzen. Die Gemeinschaft der Catholica, also der weltumspannenden Kirche Jesu Christi erleben: Das ist eine Erfahrung, die Hoffnung schenkt. Ich freue mich, wenn auch aus unserem Bistum viele Gläubige diese Möglichkeit ergreifen. Sie werden sehen, dass unser Glaube über Ländergrenzen und Kulturen hinweg Verbindendes schafft. Eine Wallfahrt festigt die eigene christliche Identität, formt sie vielleicht auch nochmal neu und ermutigt, mit Freude Christ zu sein.

Zugleich fordert uns das Heilige Jahr auf, dass wir für andere vielfältige Zeichen der Hoffnung setzen. Wir sind gesandt, unserem Umfeld den Raum für die heilsame Gegenwart Gottes aufzuschließen. Durch uns möchte Christus in der Welt ankommen. Im Johannesprolog wird die Gotteskindschaft als Macht bezeichnet; es ist eine Macht mit sozialen Konsequenzen. Andernfalls wird sie wirkungslos. Die Not hat viele Gesichter: Sie begegnet uns in den Kranken und Armen, die Schweres ertragen müssen, in den Gefangenen, die in Haft sitzen, und in ihren Familien, die dadurch am Rand der Gesellschaft stehen, in Migranten, die ihre Heimat und oft auch ihre Familie verloren haben, in älteren Menschen, die verlassen sind und in allen Jugendlichen, die keine Perspektive für ihr Leben sehen.[5] Keiner von uns kann die Not der ganzen Welt lindern, aber wir alle sind mit „je eigenem Charisma und Dienst (…) mitverantwortlich“, „Zeichen (… der) Gegenwart Gottes in der Welt zu bezeugen“[6] und Hoffnung zu schenken. Wem können Sie als Einzelner, als Familie, als Freundeskreis, als Pfarrei oder Verband einen rettenden Anker zuwerfen?

Nutzen wir das Heilige Jahr, um Orte der Hoffnung in unserer Diözese, in den Pfarreien und Einrichtungen zu entdecken und auszubauen. Machen wir uns als Pilger der Hoffnung gemeinsam auf den Weg durch die Zeit!

[1] Spes non confundit. Verkündigungsbulle des Heiligen Jahres 2025 von Papst Franziskus, Nr. 25.

[2] https://www.dbk.de/themen/heiliges-jahr-2025/materialien#c8768.

[3] Spes non confundit, Nr. 5.

[4] Ebd., Nr. 6.

[5] Vgl. ebd., Nr. 10-15.

[6] Ebd., Nr. 17.