Besichtigung der aktion hoffnung in Ettringen
Secondhand ist in Mode, aber in Deutschland noch ausbaufähig. Und: Wir werden künftig auch bei der Produktion von Textilien einen Mangel an Rohstoffen haben. Dies und noch viel mehr war bei einer Besichtigung der aktion hoffnung in Ettringen von Geschäftsführer Johannes Müller zu erfahren.
Eingeladen hatte dazu der Fachbereich „Kirche und Umwelt“. Und so konnten sich am 17. November rund 25 Gäste auf eine äußerst interessante textile Spurensuche begeben. Diese führte zurück bis in den heimischen Kleiderschrank. Denn Johannes Müller wollte von den Besuchern wissen, wie viele Kleidungsstücke Frau und Mann denn so im Durchschnitt haben. Das Ergebnis sorgte bei manchen der anwesenden Männer für nachdenkliches Schmunzeln: Bei Frauen beträgt diese Zahl 125, bei Männern immerhin 115. „Obwohl jetzt die meisten Männer sagen würden: Ich habe ja nur vier Hemden im Schrank“, deutete dies Müller.
Bei der Führung durch das Gelände konnten die Gäste die verschiedenen Stationen anschauen, die gebrauchte Textilien in Ettringen durchlaufen. Los ging es in einer Halle mit bis zur Decke gestapelten, frisch eingelagerten Säcken. Wieviel davon am Ende verkauft werden kann, wollte Johannes Müller wissen. Die Schätzungen reichten von drei bis 25 Prozent. Seine Antwort lautete: „Fünf bis sieben Prozent. Das ist der Anteil der Textilien, die für uns wichtig ist. Wir leben von der guten Kleidung.“
Erschreckend hoch ist der Prozentteil von „normalem“ Müll, der über die Kleidersäcke entsorgt wird. Diese fünf Prozent (während der Corona-Pandemie betrug der Anteil sogar bis zu 25 Prozent!) müssen kostenpflichtig entsorgt werden, bedauerte Müller. Immerhin könne aber ein großer Teil der Textilien, der es nicht in den Secondhand-Verkauf schaffe, eine Verwertung zum Beispiel als Poliertücher oder Putzlappen für die Automobilindustrie finden.
Hunderttausende Tonnen Textilien – der BUND Naturschutz nennt eine Zahl von 560.000 Tonnen – werden jedes Jahr in Deutschland ausrangiert. Bei der aktion hoffnung kommen davon über 2.200 Sammelcontainer rund 8.500 bis 9.000 Tonnen an. „Da sieht man, wie hoch unser Wohlstand ist“, meint Johannes Müller und zeigt auf sein eigenes Outfit, das nur aus Secondhand besteht.
Auf dem Weg zur Sortierhalle kommen die Besucher durch einen hohen Raum, in dem große weiße Säcke gelagert sind. „Winter-Mischung“ und „Sommer-Mischung“ steht da drauf. „Diese Ware kann bei uns nicht in die Läden kommen“, erklärt Müller. „Aber sie findet dankbare Abnehmer in Osteuropa, zum Beispiel bei der Caritas in Rumänien. Dort wird sie verteilt oder auch zugunsten der Caritas verkauft.“ In Osteuropa sei man bei Secondhand schon viel weiter. Das sei dort inzwischen weit verbreitet, bei Bankern wie Arbeitern.
In der Sortierhalle angekommen, übernimmt Andrea Haslacher. Sie ist bei der aktion hoffnung für die Sortierung verantwortlich. Rund drei bis vier Tonnen gehen in Ettringen jeden Tag durch die Hände der neun hauptamtlichen Mitarbeiterinnen in der Sortierung. Ziel ihrer Suche: Textilien, die für die Secondhand-Läden geeignet sind. Sie müssen gut erhalten sein, ohne Flecken oder Schäden. Sehr gefragt sind Markenprodukte oder auch, in Städten wie zum Beispiel Augsburg oder Nürnberg, Retro-Design. „Wir hier auf dem Land würden so was ja gar nicht anziehen“, schmunzelt Frau Haslacher, „aber in unserem Laden in Augsburg läuft so was super.“
Was am Ende den Weg in den Wiederverkauf findet, nennt sich „Creme-Ware“. Das können Kleidungsstücke und Schuhe sein, aber auch Plüschtiere, Handtücher und Bettwäsche. Insgesamt wird in 30 verschiedenen Kategorien sortiert. „Sehr gefragt ist Kinderkleidung. Aber die bekommen wir eher selten“, bedauert sie. Was sie auch betonnt: „Wir versuchen sogar, Kleidungsstücke zu retten. Besonders schöne Stücke, die aber schmutzig sind, bekommen eine zweite Chance. Unsere Waschmaschine läuft den ganzen Tag.“
Die aktion hoffnung ist auch innovativ unterwegs. Gerade wird in Ettringen mit einem Berliner Startup-Unternehmen eine neue Sortiermaschine getestet. Dabei geht es um das gezielte Recycling von Textilien, die mit eigens codierten Fäden versehen sind. „So kann das entsprechende Material gezielt wiederverwertet werden“, erklärt Johannes Müller.
„Wir sollten uns bei diesem Berg an Altkleidern nicht täuschen: Schon in wenigen Jahren werden wir auch in der Textilbranche einen enormen Rohstoffmangel haben. Auf dem Markt wird heute schon Biobaumwolle knapp.“ Am einzelnen Kleidungsstück werde so viel verdient wie in keiner anderen Branche. Es sei deshalb viel zu schade, aus Stoffen am Ende nur Isolationsmaterial oder Putzlappen zu machen. „Deshalb wollen wir mit der Sortiermaschine dabei helfen, innovative und kreislauffähige Recycling-Konzepte zu testen.“
Auch Ehrenamtliche helfen übrigens in Ettringen mit. Wenn es etwa darum geht, Kleiderständer für die Märkte zum Oktoberfest oder zum Fasching zu bestücken, die es an vielen Orten gibt. „Es ist schon verrückt“, lacht Müller. „Bald ist Advent, und bei uns geht schon der Fasching los.“ Er meint die Bestückung der vielen Kleiderständer mit Faschingsware. „Damit erst nach Weihnachten zu beginnen, wäre viel zu spät.“ Denn da geht es immerhin um drei Tonnen Ware und auch um viel Ehrenamt, ist er dankbar.
Am Ende eines sehr kurzweiligen und spannenden Abends mit vielen interessanten Einblicken wartete auf die Gäste noch eine Brotzeit. Zuvor gab es aber Gelegenheit zu einem „Late night Shopping“ im Secondhand-Laden. Dass beide Möglichkeiten gerne genutzt wurden zeigte: Die Gäste waren sehr beeindruckt.
Der Fachbereich „Kirche und Umwelt“ bedankt sich deshalb herzlich für die Gastfreundschaft der aktion hoffung, insbesondere von Frau Haslacher und Johannes Müller und ihrem gesamten Team. (Text: Karl-Georg Michel)
Infos zur aktion hoffnung:
https://www.aktion-hoffnung.de/