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Wichtiges
Predigt von Bischof Bertram bei der Priesterweihe im Hohen Dom zu Augsburg

Berufung als Liebesdialog

29.06.2025

Simon, liebst Du mich? Diese Frage, die Jesus am See von Tiberias einst dem Simon Petrus stellte, findet heute im Dom ihr Echo: Peter, liebst Du mich? Josef, liebst Du mich? Es gibt Fragen, die werden wir niemals los. Keine Antwort bringt sie zum Schweigen. Sie gehen zeitlebens mit uns. Sie arbeiten in uns. Denn sie betreffen nicht irgendetwas, sie gehen uns persönlich an. Sie zielen ab auf unser Leben. Und wir können darauf nur antworten mit unserer Existenz. Worte allein werden da oft als zu leicht befunden.

Es ist erstaunlich, dass Jesus gerade den Petrus mit dieser Frage konfrontiert. War er doch schon bei Caesarea Philippi gefordert: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Petrus gab die richtige Antwort, er legte das Messiasbekenntnis ab. Das sollte doch genügen, könnte man meinen. Doch am See von Tiberias geht Jesus noch einen Schritt weiter: Simon, liebst Du mich? Eigentlich könnte man denken, diese Frage beträfe zunächst den Lieblingsjünger Johannes. Nein, Jesus fragt den Petrus, und zwar nicht als Privatmann, sondern als den Inbegriff des Amtes. Er fragt ihn nicht aus persönlicher Sympathie, sondern in aller Form, weil er ihn in die Leitung der Kirche beruft: „Weide meine Schafe!“ Damit wird Petrus ins Amt eingewiesen, eingeweiht. Und zuvor lautet die entscheidende Frage: „Liebst Du mich?“ Die Tauglichkeit des Petrus zu seinem Amt besteht darin, dass er sich von Jesus lieben lässt und ihn liebt. Die Schlüsselfrage ist und bleibt die Liebe. Die Liebe ist der Schlüssel zur Himmelstür. Das richtige Bekenntnis ist wichtig, doch noch wichtiger ist die Liebeserklärung.

Liebe Weihekandidaten,

auf dem Weg zum Priestertum stürmen heute eine Menge Fragen auf Sie ein: Warum machst Du das überhaupt – in dieser Kirche, und noch dazu ehelos? Was bringst Du mit an Voraussetzungen? Was hast Du gelernt, was hast Du studiert? Kannst Du kooperieren? Kannst Du organisieren und leiten? Kommst Du mit der synodalen Kirche zurecht? Wie geht es Dir mit den Gremien? Das alles sind wichtige Fragen; ich möchte es nicht bestreiten.

Aber es gibt die alles entscheidende Frage, an der alle anderen gemessen werden: „Liebst Du mich?“ Nicht nur: Liebst Du Deinen Beruf? Liebst Du die Menschen? Wer wollte die Bedeutung dieser Fragen verkennen oder gar relativieren! Aber die eine Frage geht allen anderen voraus: „Liebst du mich?“ Das heißt: Wem gehört Dein Herz? Ist es Jesus, dem Du Dich mit der Weihe verschreiben willst? Liegt Dir das am Herzen, was Jesus am Herzen liegt? In einem alten Gebet heißt es: Bilde unser Herz nach Deinem Herzen! Es geht immer um Jesu Herde, um seine Lämmer, nicht um unsere – schon gar nicht darum, dass wir unsere Schäfchen ins Trockene bringen.

Die Frage nach der Liebe begleitet uns das ganze Leben hindurch. Das verbindet uns in Variationen mit den Eheleuten. Immer wieder kehrt diese Frage zurück, Jahr um Jahr, Stufe um Stufe, entsprechend den Phasen unseres Lebens. Mal reagieren wir skeptisch und zurückhaltend, mal eindringlicher und verbindlicher. Entlang dieser Frage dürfen und sollen wir reifen. Darin liegt der letzte Maßstab unseres Lebens. Lieber Peter, lieber Josef, wenn man Sie in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren fragt, was aus Ihnen in der Zwischenzeit geistlich geworden ist, was Sie am leidenschaftlichsten gewünscht und ersehnt haben, so wird sich die Antwort letztlich an dieser Frage orientieren müssen: „Liebst Du mich?“ Bei einem Priestertreffen, das kürzlich in Augsburg stattfand, sagte ein Verantwortlicher in der Priesterausbildung: „Ich möchte helfen, dass in jedem Kandidaten eine lebendige Christusbeziehung, eine Freundschaft zu Jesus wächst.“ Ohne Christusbeziehung kann ein Priester einpacken. Ohne Freundschaft zu Jesus funktioniert der Priester vielleicht, aber er strahlt nichts aus. Pflegen Sie den Kontakt mit Jesus, suchen Sie das Gespräch mit ihm! Lassen Sie das Gebetsleben nicht schleifen! Priestersein geht nur mit Jesus.

Auch an einem Fest wie heute möchte ich realistisch bleiben. Es werden Tage kommen, wo der Himmel nicht voller Geigen hängt. Simon Petrus ist uns da ein großer Trost. Ihm ging es nicht anders. Viele kennen die Legende, die erzählt, Petrus habe sich dem Auftrag des Herrn entziehen und Rom verlassen wollen. Draußen, vor den Toren der Stadt, an der Via Appia sei ihm dann der Herr begegnet und Petrus habe ihn spontan gefragt: „Domine, quo vadis?“ Herr, wohin gehst Du? Und der Herr gab dem Petrus zur Antwort: „Nach Rom, um mich noch einmal kreuzigen zu lassen.“ Diese Antwort hat den Petrus tief getroffen. Petrus kehrte um, zurück in Stadt, um sich für den Herrn kreuzigen zu lassen – mit dem Kopf nach unten. Liebe Weihekandidaten, lernt von Petrus, Jesus zu lieben bis in den Tod: „Herr, Du weißt alles; Du weißt, dass ich Dich liebhabe.“ Und wenn Ihr einmal auf Gegenwind stößt, dann lasst Euch nicht entmutigen! Duckt Euch nicht weg! Bleibt standfest, und ich bin sicher: Der Herr wird Euch eingeben, was Ihr sagen und wie Ihr Euch verhalten sollt. Wer auf den Herrn baut, ist nie allein. Er fasst Tritt und bekommt Halt. Seid keine Fähnchen im Wind, sondern bezieht Stellung!

Auch uns bleiben Krisen und dunkle Phasen im Leben nicht erspart. Deshalb wünsche ich Euch auch in Zukunft gute Freundinnen und Freunde, Eltern und Geschwister, die Euch begleiten, mit Rat und Tat zur Seite stehen und treu für Euch beten. Liebe Schwestern und Brüder, lassen wir unsere Neupriester nicht allein – gerade dann nicht, wenn die Flitterwochen der Primizen vorbei sind und es um Bewährung im Alltag geht.

Wer Peter Schneider und Josef Wagner kennt, weiß an den beiden zu schätzen, dass sie sich einsetzen, ohne die Stunden zu zählen, und sich unermüdlich einbringen, um das Evangelium den Menschen anzubieten. Wir wissen um Euren Einsatz und Euren Fleiß. Der pastorale Eifer drängt Euch. Aber erliegt bitte nie der Versuchung des Hamsterrades! Lasst die alles entscheidende Frage nie beiseite: Peter, liebst Du mich? Josef, liebst Du mich? In seiner Predigt bei der ersten Priesterweihe, die Papst Leo XIV. am 31. Mai im Petersdom spendete, legte der Heilige Vater den Neupriestern besonders die „Transparenz des Lebens“ ans Herz: „Leben, das man kennt, Leben, das man verstehen kann, Leben, das glaubhaft ist. Wir sind im Volk, damit wir vor ihm sein können mit einem glaubwürdigen Zeugnis. (…) Dann werden wir gemeinsam die Glaubwürdigkeit einer verwundeten Kirche wiederherstellen, die zu einer verwundeten Menschheit in einer verwundeten Schöpfung gesandt ist. Wir sind noch nicht vollkommen, aber es ist notwendig, glaubwürdig zu sein.“

Um Glaubwürdigkeit soll es auch Euch beiden gehen, lieber Peter und lieber Josef. Keiner von uns muss perfekt sein; wir dürfen auch Fehler machen und daraus lernen, aber glaubwürdig, transparent sollen wir sein. Liebst Du mich? Jesus wartet auf unsere ehrliche Antwort.

 

Lesungen vom Vorabend des Hochfestes Peter und Paul