Den Blick auf Christus fokussieren
Liebe Religionslehrerinnen und Religionslehrer, liebe Schwestern und Brüder, die heutige Lesung aus dem Matthäusevangelium ist kurz, aber besonders inhaltsreich. Sie macht deutlich: Die Nachfolge Christi ist keine Nebensache, es geht nicht bloß um eine - und bestimmt nicht um die gemütlichste - unter den vielen Beschäftigungen des Alltags. Indem Jesus Christus wortwörtlich Alles von uns fordert, fordert er uns bis zur Überwältigung und Verzweiflung heraus: Er verspricht uns zwar etwas Großes am Ende, das ewige Leben, der Weg aber dazu scheint lang und dornig zu sein. Wer traut sich, sein Durchhaltevermögen unter Beweis zu stellen? Und warum soll man wohl den Verheißungen Jesu Christi glauben, wenn heute so viele etwas versprechen, das angeblich hier und jetzt verwirklicht werden kann, oder von heute auf morgen? In einer Kultur der raschen Erfüllung von Wünschen ist sehr viel Mut erforderlich, um sich den langen Atem zu bewahren, um einer Botschaft treu zu bleiben, die zwar die Auferstehung verspricht, aber ständig auch an das Kreuz erinnert.
Ihre Entscheidung, Religionslehrerinnen und –lehrer zu werden, haben Sie bestimmt nicht leichtfertig getroffen, denn in der Arbeitswelt fehlt es nicht an verlockenden Alternativen. Ich gratuliere Ihnen für Ihre Bereitschaft, den Missionsauftrag der Kirche ganz persönlich für den schulischen Bereich zu übernehmen. Ich habe selbst Religionsunterricht erteilt und weiß aus Erfahrung, dass der Weg von Lehrerinnen und Lehrern selten ein Spaziergang ist, und dies nicht nur, weil alles, was mit jungen Menschen zu tun hat, von Natur aus anspruchsvoll ist. Der christliche Glaube stellt keine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit dar. Daher werden Sie dazu aufgerufen, eine enorme Übersetzungs- und Erklärungsarbeit zu leisten, denn die Anknüpfungspunkte zwischen dem Alltag der Kinder und Jugendlichen einerseits und der Botschaft des Christentums andererseits werden von außen betrachtet immer weniger. Mit Begriffen, Symbolen, Riten, Festen, Praktiken, die früher das Leben ganzer Gesellschaften prägten, können heute die meisten Familien nicht mehr viel anfangen.
Aber genau diese Nicht-Selbstverständlichkeit könnte dem Unterricht einen besonderen Charme verleihen. Es ist nicht langweilig, Religionslehrerin, Religionslehrer zu sein! Jungen Menschen den Glauben zu vermitteln ist eine intellektuelle Herausforderung, heute mehr denn je: Man muss der Lustlosigkeit und Indifferenz der Klasse entgegenwirken und manche Inhalte attraktiv machen, indem man ihre Unkonventionalität und befreiende Kraft aufdeckt. Das Christentum, das Sie unterrichten werden, ist tatsächlich eine Kraft, die fade erscheinende Gewohnheiten hinterfragt und den Menschen unmittelbar und in seiner Sehnsucht nach Anerkennung und einem Platz in dieser Welt anspricht.
Es wird immer wieder behauptet und kann zur Floskel verkommen: Der Religionsunterricht spricht nicht einfach von Zahlen und Fakten, es geht nicht nur um das Auswendiglernen von Glaubenssätzen, sondern primär um die Vermittlung der Faszination der Begegnung mit einer Person, ja mit DER Person par excellence, mit Jesus Christus. Nur wenn Sie selbst noch das Staunen über Gottes Entgegenkommen nicht verlernt haben, können Sie anderen die Begeisterung dafür vermitteln.
In diesem Jahr begeht die weltweite Christenheit das 1700. Jubiläum des Ersten Ökumenischen Konzils, das in Nizäa, dem heutigen İznik in der Türkei im fernen Jahr 325 stattgefunden hat. Dieses Konzil hat die Göttlichkeit Jesu Christi verbindlich proklamiert und betont, dass der Herr der Mensch gewordene Gott selbst ist. In der Person Jesu Christi ist Gott zu den Menschen als einer von ihnen gekommen und hat unmittelbar Gemeinschaft mit ihnen gestiftet. Von dieser Person jungen Menschen zu erzählen, sie zu der Gemeinschaft mit Christus einzuladen, ihnen zu zeigen, wie lebensverändernd die Begegnung mit ihm und seiner Botschaft sein kann, ist eine schöne, erfüllende Aufgabe. Sie werden bestimmt viel Ablehnung erfahren, sie werden immer wieder den Eindruck bekommen, dass der Same auf felsigen Boden fällt und verdorrt; Sie werden aber auch tiefe Dankbarkeit erfahren für die Lebensorientierung, die Sie mit Ihren Worten und Ihrem persönlichen Beispiel geben konnten.
Im Matthäusevangelium ist die Rede von einer eschatologischen Neuschöpfung der Welt, von Gerechtigkeit am Ende der Tage. In den Sprüchen haben wir noch von Erkenntnis, Einsicht und Recht bereits im Hier und Jetzt erfahren. „Für die Redlichen hält er Hilfe bereit, den Rechtschaffenen ist er ein Schild. Er hütet die Pfade des Rechts und bewacht den Weg seiner Frommen“ (Sprüche 2,7-8). Das Ziel, zu dem Sie in der Schule einladen, ist schön, der Weg ist schwierig, aber die Nachfolge Jesu Christi gibt das Gefühl, dass wir begleitet werden, dass eine sichere Hand uns hält. Gott bietet Schutz an, Geborgenheit entsteht aus der Beziehung mit ihm, aus der Erfahrung, die unsere Existenzen machen, wenn sie auf Jesus Christus fokussiert sind. Fokus: Dieser Begriff geht auf das lateinische Wort für Herd oder Feuerstelle zurück. Jesus wärmt uns, stärkt uns, wenn wir auf ihn hin ausgerichtet sind und die Menschen, gerade die jungen, zu dieser Art von Fokussierung mitten in einer verzettelten Welt einladen.
Um von der Gemeinschaft mit Jesus erzählen zu können, muss man sie auch selber erfahren haben und nie mehr missen wollen. Religionslehrkräfte bekommen die Missio von der Kirche; sie sind selber Glieder dieser Gemeinschaft. Eine lebendige Beziehung zur Kirche gibt Rückendeckung und Stärke, Inspiration und Ermutigung. Das schreibe ich Ihnen heute ins Stammbuch. Religionsunterricht ist mehr als Vermittlung religionskundlicher Informationen: Wir erzählen von Jesus und seiner Kirche, von einem lebendigen Organismus, mit seinen Spannungen und seiner Faszination, mit seinen Schmerzen und Freuden, einem Organismus, den die dazu beauftragten Lehrerinnen und Lehrer von innen, als Jüngerinnen und Jünger Jesu kennen.
Die Erfahrung der Gemeinschaft mit Christus und der Kirche ist für den guten Religionsunterricht entscheidend. Denn Sie haben ja nicht bloß beliebige Individuen vor sich, sondern einzigartige Persönlichkeiten, Menschen, für die der Religionsunterricht auch als Einübung in eine authentische Gemeinschaft und deren Ethos dienen soll. Der Blickwinkel darf die jeweiligen Anderen, Lernende, Eltern, Kollegen nicht übersehen; „vielmehr soll jeder darauf bedacht sein, was für den anderen gut ist“, empfiehlt die Regel des heiligen Benedikt (vgl. RB 72). Nicht das verabsolutierte Ego, sondern das Miteinander, die Gemeinschaft, haben Vorrang.
Als Religionslehrerinnen und –lehrer sind Sie dazu aufgerufen, eine Kultur des aufmerksamen Zuhörens zu praktizieren. Die katholische Kirche hat sich in den letzten Jahren, im Hinblick auf die globale Synodalitätsdebatte, sehr intensiv damit beschäftigt. Vorsichtig zuhören bedeutet auch Sorgen und Nöte der Kinder und Jugendlichen ernst zu nehmen, überhaupt die Signale, die sie durch ihr Denken und Verhalten geben. Papst Franziskus schrieb in seiner Enzyklika Fratelli tutti: „Sich hinsetzen, um einem anderen zuzuhören, ist charakteristisch für eine menschliche Begegnung und stellt ein Paradigma einer aufnahmebereiten Haltung dar. Damit überwindet ein Mensch den Narzissmus; er heißt den anderen willkommen, schenkt ihm Aufmerksamkeit und nimmt ihn in der eigenen Gruppe auf. Dennoch »ist die Welt von heute mehrheitlich eine taube Welt (…). Manchmal hindert uns die Geschwindigkeit der modernen Welt, die Hektik, daran, einem anderen Menschen gut zuzuhören. Wenn er in der Mitte seiner Wortmeldung ist, unterbrechen wir ihn schon und wollen ihm antworten, obwohl er noch nicht zu Ende gesprochen hat. Man darf die Fähigkeit zuzuhören nicht verlieren.«“[1] Die zahlreichen Impulse zur Kultur des Zuhörens, die uns der Papst aus Argentinien geschenkt hat, haben eine tiefe pädagogische Relevanz; von ihnen können Sie und wir alle profitieren.
Liebe Religionslehrerinnen und Religionslehrer,
meine heutige Predigt möchte ich beenden mit den Worten, die Papst Leo XIV. bei der Eucharistiefeier zum Beginn seines Pontifikats gesprochen hat. Indem er von Fokussierung auf Christus und vom missionarischen Geist spricht, gibt er uns Stichworte, die bestimmt auch Ihre berufliche Laufbahn prägen werden. Der Heilige Vater sagt:
„Wir möchten der Welt mit Demut und Freude sagen: Schaut auf Christus! Kommt zu ihm! Nehmt sein Wort an, das erleuchtet und tröstet! Hört auf sein Angebot der Liebe, damit ihr zu seiner einen Familie werdet: In dem einen Christus sind wir eins. Und das ist der Weg, der gemeinsam zu gehen ist, innerhalb der Kirche, aber auch mit den christlichen Schwesterkirchen, mit denen, die andere religiöse Wege gehen, mit denen, die die Unruhe der Suche nach Gott in sich tragen, mit allen Frauen und Männern guten Willens, um eine neue Welt aufzubauen, in der der Friede herrscht.
Dies ist der missionarische Geist, der uns beseelen muss, ohne dass wir uns in unserer kleinen Gruppe verschließen oder uns der Welt überlegen fühlen. Wir sind gerufen, allen Menschen die Liebe Gottes zu bringen, damit jene Einheit Wirklichkeit wird, die die Unterschiede nicht aufhebt, sondern die persönliche Geschichte jedes Einzelnen und die soziale und religiöse Kultur jedes Volkes zur Geltung bringt.“[2]
Mögen diese Worte des Papstes Sie auf Ihrem Weg inspirieren. Sie haben sich für eine gute Sache entschieden!
[1] Fratelli tutti, Nr. 48 – Das Zitat ist aus dem Film „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes. Die Welt braucht Hoffnung“ von Wim Wenders (2018).
[2] Homilie des Heiligen Vaters Leo XIV. bei der Eucharistiefeier zu Beginn seines Pontifikats: https://www.vatican.va/content/leo-xiv/de/homilies/2025/documents/20250518-inizio-pontificato.html