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Wichtiges
Predigt zum Abschluss der Außensanierung der Ulrichsbasilika

Der eigentliche Schatz im Gotteshaus

28.09.2025

Lieber Pfarrer Hänsler, lieber Christoph, liebe Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst, liebe Schwestern und Brüder, die Außensanierung der Ulrichsbasilika ist abgeschlossen – endlich: werden viele denken! Dafür danken wir Gott aus ganzem Herzen. Dank mühsamer, guter Arbeit von vielen Menschen, denen ein herzliches „Vergelt’s Gott“ gilt, sieht St. Ulrich und Afra noch schöner und einladender aus.

Das Ergebnis rechtfertigt die große Mühe. Dieses architektonische Kleinod brauchte die Sanierung, die eine Investition in die Zukunft dieses Gotteshauses – und in das Erscheinungsbild dieser Stadt ist. Augsburg, so ist meine Erfahrung, weiß seine Gotteshäuser, Orte der Begegnung mit Gott und den Menschen, zu schätzen.

Wir Gläubigen freuen uns über jede neu erstrahlende Kirche, die uns mit der langen Reihe derer verbindet, die sie erbaut und als Gottesdienst- und Gebetsraum nutzten, wie hier fast tausend Jahre die Benediktiner. Wir Menschen brauchen „durchbetete Orte“, Räume, wo sich Glaubenserfahrung verdichtet, wo zentrale Lebensphasen durch den Empfang der Sakramente eingeläutet und geheiligt werden. Was für ein Durchhaltevermögen hätte ein völlig abstrakter Glaube, der keinen Wert auf Raum und Zeit legen möchte, der sich nicht sichtbar und hörbar machen lässt, der nicht durch Begegnungen und Rituale gelebt wird?

Aber auch unangenehme Fragen dürfen wir uns erlauben: Wie oft wurden Gotteshäuser (nicht nur christliche) errichtet, um bloß zynische Macht zu demonstrieren, um nationalistischen und anderen ideologischen Zwecken zu dienen, um Klerikalismus zu rechtfertigen? Wie oft haben sie als Orte fungiert, wo Abgrenzung und Ausschluss wortwörtlich in Stein gemeißelt wurden? Wie oft haben Gotteshäuser gespalten statt zu einen?

Was für Gotteshäuser brauchen wir, wo wird Gott am besten angebetet? In seiner Begegnung mit der Samariterin sagt Jesus: „Die Stunde kommt und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn so will der Vater angebetet werden“ (Joh 4,23). Paulus provozierte die frommen Einwohner von Athen, wo es an heidnischen Gotteshäusern nicht fehlte, indem er ihnen auf dem Areopag sagte: „Der Gott, der die Welt erschaffen hat und alles in ihr, er, der Herr über Himmel und Erde, wohnt nicht in Tempeln, die von Menschenhand gemacht sind“ (Apg 17,24).

Widerspricht die Kirche diesen so wichtigen Aussagen, indem sie immer wieder Gotteshäuser bauen, renovieren oder sanieren lässt? Die Lesungen des heutigen Gottesdienstes erlauben uns einen differenzierten Zugang zur Frage nach dem wahren Gotteshaus.

In 1 Kön 8 fragt sich König Salomo: „Wohnt denn Gott wirklich auf der Erde? Siehe, selbst der Himmel und die Himmel der Himmel fassen dich nicht, wie viel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe.“ (1 Kön 8,27) Wie kann man denn dem Schöpfer des Himmels und der Erde einen umbauten Raum als Wohnung anbieten? Auch wenn dies die menschliche Antwort auf Gottes Zusage ist, dass er mitten unter uns Wohnung nehmen will – zentral ist das, was der Tempel, ein Kirchenbau zum Ausdruck bringen will, nämlich die gegenseitige Beziehung. Gott ist kein abstraktes Prinzip, sondern ein personales Wesen. Damit wir leichter in Kontakt mit ihm treten und unser Bedürfnis zu seiner Verehrung bleibende Gestalt annimmt, haben die Erbauer dieser Kirche, alle Stifterinnen, Handwerker und Gläubigen keine Mühe und Kosten gescheut, und wir sind ebenfalls Erben und Weitergebende dieses wunderbaren Gebäudes zur Ehre Gottes und zur Freude der Menschen.

In der alttestamentlichen Lesung erkennt man zwei wichtige Qualitäten der echten Gottesbeziehung: Zuerst: Treue. Gott hält sich an sein Testament, an sein Versprechen. Ein Gotteshaus ist steingewordene Erinnerung an die Treue Gottes, daher spendet es Sicherheit, Trost, Zuversicht. Gott ist mit uns und bei uns; er wird uns stärken.

Die zweite Qualität ist die Fähigkeit des Zuhörens, eine nicht selbstverständliche Qualität, die Papst Franziskus - Gott hab ihn selig - so wichtig war. Ein Gotteshaus ist ein Ort, wo Gott als der Zuhörende wahrgenommen wird. Da betet und bittet der Mensch; er schreit, weint aus Hoffnungslosigkeit oder Wut, aus Glück oder Dankbarkeit. Oder er schweigt, denn auch die Stille hat ihren Platz in einem Gotteshaus. „Achte auf das Flehen deines Knechtes und deines Volkes Israel, wenn sie an dieser Stätte beten! Höre sie im Himmel, dem Ort, wo du wohnst! Höre sie und verzeih!“ (1 Kön 8,30), sagt Salomo. Was haben die Wände dieser Basilika alles gehört im Laufe der Jahrhunderte, wie viele Erfahrungen und Gefühle wurden hier in Worte gefasst, in der Hoffnung auf Gottes Hilfe, auf das Erbarmen Gottes, gerade dann, wenn alles menschliche Handeln zu versagen scheint!

Das Gotteshaus wird mit wichtigen Momenten im Leben verbunden: Geburt und Taufe, Liebe und Hochzeit, Versagen und Verzeihen, Schmerz und Tod. Hier bekommen wir das größte Geschenk, das Menschen vorbehalten ist, nämlich Jesus Christus: Gott selbst, den wir in der Eucharistie empfangen.

Liebe Schwestern und Brüder,

unser Gott als Gemeinschaft von Vater, Sohn und Heiliger Geist ist Beziehung. Und er will die Beziehung zu den Menschen und seiner Schöpfung so sehr, dass er selbst Materie, Mensch wird; er lässt den menschlichen Leib zum Gotteshaus werden: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1 Kor 3, 16), fragt der 1. Korintherbrief, um uns gleich der Heiligkeit des menschlichen Lebens zu versichern: „der Tempel Gottes ist heilig – der seid ihr“ (1 Kor 3,17).

Ja, heilig. Jede menschliche Existenz, von der Empfängnis und bis zum letzten Atemzug ist heilig. Wir sind alle als Ebenbild Gottes geschaffen. Alle Menschen, unabhängig von Herkunft, Religion, sozialem Status oder anderer Eigenschaften verdienen daher Respekt. Niemand darf Menschen vernichten, denn sie sind Tempel Gottes. Die gesellschaftliche Polarisierung weltweit, die Stärkung der Extreme, die Kriege, die nicht enden wollen, zeigen, dass diese Überzeugung keine Selbstverständlichkeit ist. Sie ist ein Auftrag, der aus unserem Glauben an Jesus Christus wächst: Der menschgewordene Gott ist unser stärkstes Argument für die Menschenwürde. Wir als Getaufte sind seine Mitarbeiter, wir sind Gottes Bau; er ist der Grund (vgl. 1 Kor 3,9-11): Welche Ehre, aber auch was für ein Anspruch, der uns erwartet! Heißen wir Gott in unserem Leib willkommen, lassen wir ihn in uns ankommen, hören wir die Stimme seines Geistes, der in uns wohnt und uns tröstet, inspiriert, neue Wege eröffnet.

Dabei denke ich in Dankbarkeit an die Theologie des Leibes des hl. Johannes Paul II. oder zuletzt an die nicht einmal ein Jahr alte Enzyklika Dilexit nos, das Vermächtnis von Papst Franziskus. „Dilexit nos“, auf Deutsch: „Er hat uns geliebt“ (vgl. Röm 8,37). Ja, Christus hat uns bis zum Kreuzestod geliebt. Seine Liebe zu uns predigt die Kirche, allerdings ist diese untrennbar von der Wahrheit, die er verkündet, von der Wahrheit, die er selbst ist. Insofern kann auch seine Liebe überraschen; sie entspricht nicht immer unseren Vorstellungen und Erwartungen. Sie kann auch als Härte empfunden werden, allerdings als notwendige Härte, wie diejenige einer Operation, die weh tut, uns aber letztendlich heilt.

Zu den schwierigsten Perikopen des Neuen Testaments gehört die Tempelreinigung, die wir hörten. Im 2. Kapitel des Johannesevangeliums überliefert, ist sie in die Anfänge der öffentlichen Tätigkeit Jesu Christi einzuordnen. Hier sehen wir nicht den milden, sanften Friedensprinzen, sondern jemanden, der mit einer Geisel aus Stricken Verkäufer und Geldwechsler aus dem Tempel hinaustreibt, das Geld auf den Boden wirft und die Tische umstößt: Wir sehen jemanden, der zu den Taubenhändlern sagt: „Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!“ (Joh 2,16).

Bedauerlicherweise haben nicht wenige im Laufe der Jahrhunderte in dieser Erzählung die Bestätigung antisemitischer Stereotype gesehen, aber Antisemitismus hat in der Kirche nichts zu suchen. Und die Erzählung will in der Tat keine derartigen Karikaturen stärken.

Christus verteidigt die Unmittelbarkeit der Gottesbeziehung, darum geht es. „Der Eifer für Dein Haus wird mich verzehren“ (Joh 2,17; vgl. Ps 69,10). An den Psalmvers erinnern die Jünger, als sie das Verhalten Jesu beobachten. Kostbar im Gotteshaus sind die Menschen, die sich zur Anbetung Gottes versammeln. Sie sind die Kirche: der eigentliche Schatz im Gotteshaus. Ihr Verhältnis zu Gott und untereinander darf nicht gestört, manipuliert, missbraucht werden, so dass andere Interessen die Oberhand gewinnen.

In der Tempelreinigung zeigt sich Jesu Autorität, denn die Menschen, die auf ihn schauen, wollen wissen: „Welches Zeichen lässt du uns sehen, dass du dies tun darfst?“ (Joh 2, 18) Jesu Antwort lautet: „Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten“ (Joh 2,19).

Ja, liebe Schwestern und Brüder, die Autorität Jesu Christi ist die Autorität Gottes, die Autorität der Hoffnung, die über diese Welt hinausreicht. Wir glauben an Jesus Christus, den für uns Gekreuzigten, den für uns Auferstandenen, der uns ewiges Leben schenkt. Jedes Gotteshaus ist ein Zeichen dieser Hoffnung. Je schöner und stabiler es ist, desto schöner und robuster wird diese Hoffnung vermittelt.

Möge Gott durch die Fürbitte der hl. Ulrich, Afra und Simpert dieses gerade sanierte Gotteshaus schützen; möge er uns stärken, damit wir und diejenigen nach uns von der Hoffnung seines Evangeliums erzählen und Gott selbst in der Eucharistie als Brot des Lebens empfangen – hier in diesem prächtigen Haus, wo Gott willkommen ist.