„Die Finanzkammer als Instrument des Bischofs, um die Diözese zu leiten“ - Wertschätzung und Erwartungen
Was verbindet einen Finanzdirektor mit dem Bischof? Was haben beide gemeinsam? Beide – Bischof und Finanzdirektor – sind Verwalter. Wie der Bischof „Verwalter der Geheimnisse Gottes“ (1 Kor 4,1) ist, steht der Finanzdirektor unter dem Anspruch dessen, was wir eben im Evangelium hörten: „Leg Rechenschaft ab über deine Verwaltung!“ (Lk 16,2)
Ein ehemaliger Finanzdirektor sagte einmal mit einem Augenzwinkern: „Ich bin nur der Kassenwart der Diözese.“ Dies war natürlich ein Understatement Denn ohne eine gut funktionierende Finanzkammer läuft wenig. Es können Unfälle passieren. So ist die BFK für mich ein wichtiges Instrument, um die mir vom Papst anvertraute Diözese zu leiten. Auf dieses Instrument muss ich mich verlassen können. Es geht um Vertrauen. Bei aller Besonderheit, die sie fachlich auszeichnet, schwingt nicht die Finanzkammer das Zepter im Ordinariat, sondern bringt dort ihre spezielle Fachkompetenz ein, um als Dienstleisterin dem Bischof und seinem Generalvikar, dem sie zugeordnet ist, sowie den vielen Einrichtungen in der Fläche mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. In ein Bild gegossen: Wenn das Schiff der Kirche von Augsburg Kurs halten soll, dann braucht es einen Bischof als Kapitän; und es braucht Steuermänner und -frauen, die an Bord diesen Kurs umsetzen. Dazu zählen auch die leitenden Personen der BFK mit ihrem Mitarbeiterstab.
Am 1. Mai 2022 jährte sich die Errichtung der Bischöflichen Finanzkammer Augsburg durch Bischof Maximilian von Lingg zum 100. Mal. Heute holen wir den 100. Geburtstag nach.
Die Kernaufgaben einer BFK bestehen in der Erhebung, Verwaltung und Verwendung der Kirchensteuer für die zahlreichen Aktivitäten der Kirche, der Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen sowie der Betreuung und Entwicklung kirchlichen Vermögens. Zudem sind ihr der Rechtsbereich und das Bauwesen zugeordnet. Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die unserer BFK ihr Gesicht geben. Besondere Erwähnung verdienen die Herren Klaiber, Dr. Sommer und Kerschensteiner, die ihren Abteilungen vorstehen und sie leiten. Gerade jetzt in einer Zeit des Übergangs, des Provisorischen, sind sie kostbar und wertvoll.
Ein Jahrhundert! Zwar gibt es in unserer Kirche weit längere Traditionen; für eine Behörde, deren Funktion seither im Wesentlichen unverändert aktuell ist, mag diese Zeitspanne doch ein beachtliches Indiz dafür sein, dass sie sich bewährt hat und sie auch gewandelte und immer wieder neue Aufgabenfelder bis heute sachgerecht zu erfüllen vermag.
Die Kirchensteuer ist unsere wesentliche Finanzierungsquelle. Rund 87% ihrer Ausgaben für Liturgie, Verkündigung und Caritas kann unsere Diözese jährlich daraus bestreiten. Kein Wunder, dass es kaum einen haupt- oder ehrenamtlichen Mitarbeiter gibt, der nicht schon mit der BFK in Kontakt gekommen ist. Sie besoldet das Personal und finanziert maßgeblich die laufenden Haushalte der über 1.000 Kirchenstiftungen. Gerade für die Kirchenpfleger ist die Finanzkammer eine wichtige Anlaufstelle. Achten wir auf diese ehrenamtlichen Männer und Frauen vor Ort! Regelmäßig sind bauliche Maßnahmen an Kirchen, Pfarrheimen, Kitas, Schulen und anderen kirchlichen Gebäuden in unserem ausgedehnten Bistum fachlich zu begleiten – und zu finanzieren! Da mischt sich oft Projektarbeit mit täglichem „Massengeschäft“, es sind aber auch eigene organisatorische Hausaufgaben zu erledigen und anspruchsvolle Themen, etwa im Bereich der Vermögensverwaltung, nachhaltig zu stemmen, was für die mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter einer kompetenten und respektierten Direktion eine große Herausforderung ist.
Ich habe selbst in meiner Zeit als Stadtpfarrer und (Regional-)Dekan, später auch als Verantwortlicher für das Seelsorgeamt, die Ökumene und die Weltkirche vielfach – und in einer guten Weise! – mit der BFK „zu tun gehabt“. Was erwarte ich mir von ihr heute und künftig als Bischof zum Besten der Kirche von Augsburg?
1. Professionalität
Die Tätigkeit in der BFK setzt Fähigkeiten und Qualifikationen voraus, die auch in der freien Wirtschaft gefragt sind. Tatsächlich stehen wir hier – zumal bei gesättigtem Arbeitsmarkt – in einem Wettbewerb um geeignetes Personal. Rechtsordnungen und Zahlen sind objektive Fakten; Bilanzen können nicht nur „teilweise“ richtig sein, über Regeln der Bauphysik kann man nicht beliebig diskutieren, eine Gebäudestatik muss jedenfalls auf einem tragfähigen Fundament ruhen, und letzteres gilt im übertragenen Sinn auch für die Behandlung rechtlicher Fragen. Das kann nur von gut ausgebildetem, motiviertem Personal geleistet werden, das seine Erfahrungen auch durch regelmäßige Fortbildung ergänzt und erweitert – die Zeit bleibt ja nicht stehen.
2. Loyalität
Kirche funktioniert von ihrer Botschaft her nur bedingt demokratisch, obwohl sich ihr wirtschaftliches Wirken natürlich im rechtsstaatlich-demokratischen Rahmen bewegen muss; dabei muss sie allgemein geltende Grundsätze und Leitplanken sorgsam einzuhalten. Das gilt auch für Unternehmen. Der aktuelle Diskurs im Rahmen des „Synodalen Wegs“ adressiert auch Fragestellungen hinsichtlich einer stärkeren Beteiligung des gesamten Volkes Gottes an kirchlichen Entscheidungen und Vollzügen. In den Materien der BFK gibt es dafür Anschauungsunterricht. Denn seit Jahrzehnten wirken Gremien wie Diözesansteuerausschuss und Vermögensrat, mehrheitlich von Laien besetzt, an finanziell-wirtschaftlichen Entscheidungen maßgeblich mit, so dass wir „das Rad nicht neu erfinden“ müssen.
Freilich darf die Letztverantwortung der bischöflichen Autorität auch in wirtschaftlichen Belangen nicht aus dem Blick geraten. Und in diesem umfassenden Sinne hat, wer in der BFK beschäftigt ist, eine besondere Verantwortung und Treuepflicht in seiner und ihrer DNA. Jeder Sachverhalt, jede Entscheidung hat sich an der nicht-materiellen pastoralen Zielsetzung auszurichten. Das unterscheidet uns von einem profitorientierten Unternehmen. Ich möchte das verdeutlichen:
Im Kern geht es darum, das kirchlich Gewünschte und Priorisierte in die finanzielle Dimension zu übersetzen. D.h. den Einsatz finanzieller Ressourcen quantifizierbar, bewertbar und schließlich entscheidungsreif zu machen. Das Ergebnis nennt man Haushaltsplan. Dass dabei nicht immer alle Wünsche erfüllt werden können, liegt in der begrenzten Natur des Geldes. Der verantwortliche Umgang mit dem Geld unserer Gläubigen muss in einer langfristigen Perspektive gesehen werden. Auf Risiken muss die Finanzkammer aufmerksam machen. So haben Nachhaltigkeit, Effizienz, Kosten-/Nutzen-Rechnung, Investitionskalkül oder Controlling auch in der Kirche ihren Platz. Wirtschaftlichkeit und Werteorientierung sollen freilich kompatibel gemacht werden. Die „Teleologie“, also die inhaltliche Zweckbestimmung kirchlichen Wirtschaftens, hat dabei Vorrang vor der „Terminologie“, also der fachlichen Begrifflichkeit.
Diese Vorfahrtsregel braucht Umsicht. Was finanziert werden soll, muss theologisch begründet sein, doch nicht alles, was theologisch begründbar ist, lässt sich auch finanzieren: Priorisierung ist eine Kunst, die in den kommenden, von Demografie und Austritten beeinflussten Jahren noch drängender wird. Wir dürfen die Augen nicht vor den laufenden Entwicklungen verschließen, damit die Kirche ihr Kerngeschäft und Verpflichtungen sowohl gegenüber ihren Mitarbeitern als auch gegenüber dem Staat erfüllen kann. Loyalität ruht auf Gegenseitigkeit. Zur Loyalität gehören Transparenz und Nachvollziehbarkeit kirchlicher Finanzen: eine Forderung, der sich die BFK Augsburg frühzeitig gestellt hat.
Die Stiftungsaufsicht ist eng mit dem Rechtsbereich verknüpft. Als Bischof freut es mich, dass der BFK klar ist: Aufsicht wird zunächst als Begleitung verstanden und gelebt. Ob in der Rechtsberatung, im Rechnungswesen der Kirchenstiftungen oder bei der Betreuung von Bau- und Renovierungsmaßnahmen: ganz oben stehen Hilfe und Ermutigung, weniger der erhobene Zeigefinger des Aufsehers, auch wenn er sich nicht immer vermeiden lässt.
3. Empathie
Weil es nicht selten um knappe Mittel, konträre Rechtspositionen, etwa im Baugenehmigungs-, Urheber- oder Verwaltungsrecht geht; gerade weil das „Muss“ einer Renovierungsmaßnahme von der Bauabteilung mitunter anders eingeschätzt wird als vor Ort: wünsche ich mir kirchliche Mitarbeiter/innen als lebendige Visitenkarten der Kirche von Augsburg, die sich durch geistige Beweglichkeit, Aufmerksamkeit und Einfühlungsvermögen auszeichnen. Das gehört ins Portfolio unseres Auftretens. Es ist keine Beschreibung des „Zweiten Siegers“ in streitigen Sachfragen. Im Gegenteil: Ich erwarte, dass die wirtschaftlichen und fachlichen Argumente gehört und bewertet werden; dass auch einmal ein Finanzierungswunsch aus der Unantastbarkeit eines vermeintlich pastoralen Arguments herabgeholt und geerdet wird. Dies soll jedoch stets mit Wohlwollen und ohne besondere Härte geschehen, ganz im Sinne der Maßgabe, die der hl. Benedikt in seiner Ordensregel dem Cellerar ans Herz legt: „Ein gutes Wort geht über die beste Gabe“ (RB 31,14)
Wir werden bald auf die Grenzen der Finanzen stoßen. Die goldenen Zeiten sind wohl vorbei. Der Finanzdirektor hat kein Füllhorn. Viele meinen, im Leben über alles autonom verfügen zu können, es „im Griff zu haben“. Die Erfahrung lehrt anderes. Oft haben materielle (Allmachts-)Versprechen und Garantien nur kurze Halbwertzeit. Gestalten heißt auch, an das Limit verfügbarer Ressourcen denken - dankbar dafür, was uns gegeben ist, womit wir haushalten dürfen: auch für das Bistum Augsburg eine gute Empfehlung.
Ich freue mich mit der Bischöflichen Finanzkammer über das 100-jährige Jubiläum und feiere gern mit. Zum runden Geburtstag erinnere ich daran, was ich beim Adventsgottesdienst 2021 hier im Dom gesagt habe: „Die Kirche - ein Ordinariat - muss mehr sein als eine effiziente Firma, ein funktionierender Betrieb. Gern reden wir von ‚Dienstgemeinschaft‘. Das ist ein hoher Anspruch. Werden wir ihm gerecht? Ich stelle mir Dienststellen vor, in denen die Menschlichkeit großgeschrieben wird! Aber wie sieht die Wirklichkeit bei uns aus? Sie scheint mitunter andere Prioritäten zu setzen: Prozessoptimierung und Gewinnorientierung. Kirche wird oft wahrgenommen als seelenloser Apparat, doch ich sehe sie anders: als Werkzeug lebendiger Seelsorge. (…) Für mich steht die Seelsorge ganz oben. Sie hat absolute Vorfahrt. Die Kirche von Augsburg ist kein profitorientiertes Unternehmen. Unsere Investitionen müssen korrekt und koscher sein, aber unsere erste Frage ist nicht: Was springt finanziell raus? Sondern wo und wie machen wir dem Evangelium den Hof? Ergo: Wie weit wollen wir eigentlich noch mitgehen, bis wir endlich Einhalt gebieten: „Stopp, so tickt Kirche nicht“. (…) Unsere Kirchenwelt ist extrem hektisch und stressig geworden, vielleicht auch das Arbeitsklima im Bischöflichen Ordinariat. Es gleicht einem Betrieb, der auf Hochtouren läuft - kein Wunder, wenn wir aufgehen in Betriebsamkeit. Nicht auszudenken, wenn dabei Gott unterginge. Das möge ER verhüten! Dennoch: Wir müssen aufpassen, dass es nicht passiert. Denn Gott ist leise, fein, meist im Hintergrund. Er drängt sich nicht auf. Er ist schnell verdrängt, er wird verloren. Eine Kirche, die Gott verliert: Kann es so etwas geben? Ich hoffe es nicht …“
Noch einmal sage ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, besonderes der kommissarischen Leitung der Bischöflichen Finanzkammer ein herzliches Vergelt’s Gott für ihren Einsatz. Ich wünsche weiterhin von Herzen alles Gute und Gottes Segen. In den Dank schließe ich besonders auch das Gedenken an die verstorbenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein. Der Herr lohne ihr Wirken mit der ewigen Freude!