„Gut sein wie Brot“ – der Altar als Zentrum der Gemeinde
Liebe Brüder im priesterlichen und diakonalen Dienst, liebe Schwestern und Brüder in Christus! Im Italienischen gibt es die Redewendung „Buono come il pane“. Damit wird eine Person umschrieben, die niemand etwas Böses will, jemand, der so „gut wie Brot“ ist, ein herzensguter Mensch. Daran zeigt sich, welche wichtige Rolle das Grundnahrungsmittel Brot hat.
Das führt uns hinein in die eben gehörte Szene aus dem Lukasevangelium: Da verkündet Jesus die Botschaft vom Reich Gottes; er macht die Menschen gesund, womit er seine Worte durch Taten unterstreicht, und eine gigantische Menge – etwa fünftausend Männer, hinzu kommen Frauen und Kinder – hört ihm neugierig und interessiert zu. Daran sehen wir: Jesus zieht an, er ist attraktiv! Und Jesus weiß auch um die leiblichen Bedürfnisse seines Publikums. Er fordert seine Jünger auf, die Menschenmasse zu versorgen, doch die sind damit völlig überfordert. Die Ansage an seine Jünger offenbart, wie das gesamte Leben Jesu von Verständnis, Mitleid und Opferbereitschaft durchzogen war.
Mir geht es nicht darum, wie wir mit unserem naturwissenschaftlich-rational veranlagten Denken dieses Speisewunder erklären könnten, das letztlich doch dem völligen Zugriff entzogen bleibt. Wir wollen die tieferliegenden Aspekte freilegen. Wesentlich scheint mir der Zusammenhang zwischen Verkündigung Jesu, seinem Handeln und der Zusammenkunft, der erlebten Gemeinschaft zu sein. Mit dem gemeinsamen Mahl ist eben nicht bloß die reine Sättigung verbunden. Jesus stopft nicht nur hungrige Mäuler, es geht ihm um mehr: die Menschen tauschen sich über das eben Gehörte, über Jesu Worte aus; sie teilen „Freud und Leid“ miteinander und schöpfen aus der Begegnung mit Jesus und den Gesprächen Kraft und Zuversicht.
Wir müssen noch tiefer steigen: Das gemeinsame Mahl verbunden mit dem Lobpreis über die fünf Brote und die Geste des Brotbrechens verweist auf die Bedeutung, die das Brot beim letzten Abendmahl bekommt: Jesus, der „gut wie das Brot“ war, wollte bei den Leuten sein - über Tod und Auferstehung hinaus. So umfasst das Teilen des Brotes nicht bloß das Austeilen des Brotes, sondern zeigt sein Gebrochen-Werden, seine Hingabe, seinen Opfertod am Kreuz auf.
Jesus speist die Menschen nicht bloß ab. Er belässt es nicht dabei, sie mit Brot zu versorgen. Er stillt auch ihren Hunger nach dem ewigen Leben. Im Brechen des Brotes teilt er die göttliche Liebe aus. Gewöhnliches Brot wird zu einem außergewöhnlichen Zeichen. Brot als Symbol menschlichen Existenzminimums garantiert die stärkende Gegenwart Gottes. Der Apostel Paulus greift das im ersten Brief an die Korinther auf: Das Brot wird zum Leib Christi! Er, der sich am Kreuz für das neue Leben der Welt hingibt, ist das Brot des Lebens. Das sind keine leeren Worte. Das Brot ist nicht bloßes Symbol, kein Ding, sondern reales Gegenüber, konkrete Person. Die konsekrierte Hostie ist mehr als das Allerheiligste, sie ist der Allerheiligste: Jesus Christus.
Neben dem Brot haben wir den Wein als Opfergabe, als Realsymbol für das Blut Christi. Warum eigentlich? Warum bedarf es neben dem ganzen Leib Christi noch der expliziten Erwähnung seines Blutes? Was kommt dadurch noch (mehr) zum Ausdruck, wenn Jesus uns in seinem Leib doch bereits die Fülle des Lebens geschenkt hat? Mit „Blut“ wird in der Bibel nicht ein Teil des Leibes umschrieben, sondern ein Ereignis. So steht das Vergießen des Blutes für den Tod Jesu Christi, den er im Gehorsam gegenüber dem Vater und aus Liebe zu uns Menschen auf sich genommen hat. „Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut.“, so haben wir es gerade im ersten Korintherbrief gehört. Mit Jesu Hingabe am Kreuz, seinem Tod wird dieser Neue Bund besiegelt, der die Vergebung der Sünden schenkt. Damit wird die Versöhnung für alle Menschen mit Gott eröffnet und ermöglicht.
Wir feiern heute ein ganz besonderes Ereignis, die Weihe des neuen Altares. Durch das Besprengen des Altarsteines mit Weihwasser, durch die Salbung mit Chrisam und das Entzünden von Weihrauch bereiten wir den Tisch. Auf ihm werden künftig Brot und Wein als Gaben dargebracht, die dann in Leib und Blut Christi gewandelt werden. Welch ein Wunder, welch ein Geheimnis! Und mitten hinein dürfen wir unser eigenes Leben geben: unseren Dank, unsere Erfahrung, aber auch unsere persönlichen Ängste und Sorgen, unsere Misserfolge und Demütigungen. Spannen wir den Bogen noch etwas weiter: Jesus Christus will, dass auch wir uns von ihm wandeln lassen. Lassen Sie sich nicht abspeisen mit „Konservenkost“ und Formaten, die zuweilen auch die Kirche anbietet, die aber wenig Nährstoffe für ein vertieftes geistliches Leben haben, das wir ersehnen.
Um den „Tisch des Wortes“ (SC 51) und den neugestalteten „Tisch des Brotes“ (SC 48), wie es das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) umschreibt, werden Sie sich als Gläubige versammeln und Eucharistie feiern. Im Altar werden neben Reliquien des hl. Bonifatius, des „Apostels der Deutschen“, auch Überreste des sel. Carlo Acutis (1991-2006; Seligsprechung 2020) beigesetzt. Der junge Italiener, der mit 15 Jahren völlig überraschend an Leukämie gestorben war, hat eine für sein Alter ungewöhnlich tiefe Liebe zur Eucharistie entwickelt. So verwundert es nicht, dass auf seinem Sarg einst die Worte standen, die um die Welt gingen als sein Lebensmotto: „Die Eucharistie ist meine Autobahn zum Himmel.“ Daher meine Empfehlung: Suchen Sie die neu gestaltete Mitte in Ihrer Pfarrkirche regelmäßig auf! Empfangen Sie den Leib des Herrn – und tun Sie es nicht aus Gewohnheit, sondern bewusst und würdig! Es ist wie in einer Beziehung, die gepflegt sein will, ansonsten verkümmert sie!
Dabei aber muss uns bewusst sein: Die Eucharistie ist nie bloße Seelenspeise für frömmelnde Individualisten; in der Feier und im Empfang des Leibes (und Blutes) Jesu Christi wird die Gemeinschaft der Kirche auferbaut: „Wenn die Kirche der Sauerteig der Welt ist, dann ist die Eucharistie der Sauerteig der Kirche.“ (Raniero Cantalamessa) Die Kommunion macht die Gläubigen quasi zu „Kumpanen“. Da stecken die beiden lateinischen Wörter „cum“ (mit) und „pane“ (Brot) drin. Damit sind die „Kumpanen“ Gottes diejenigen, die miteinander das Brot, den Leib Christi, teilen. Jesus Christus bindet uns persönlich an sich und damit aneinander. Wir sind Jesu „Kompagnons“, aber nicht kumpelhaft. Im „Brechen des Brotes“, im Teilen sind wir vereint – eigentlich ein Paradoxon!
Wenn Sie zur Kommunion nach vorn kommen, dann tun Sie es bitte bewusst. Vergessen Sie nicht, was hier vor sich geht: Gott in seiner Erhabenheit und Größe hat sich klein gemacht, um in Ihnen Wohnung zu nehmen und Ihnen seine ganze Liebe zu schenken. Wenn das kein Grund zur Freude ist! Und es schwingt mit, dass ich mit meinem Glauben nicht allein bin, sondern Teil einer „geistlichen Gemeinschaft“, die mich schützt und stützt. Von daher ermuntere ich Sie: Achten Sie als Christ, als Christin auf Ihren Nächsten, seien Sie achtsam und fürsorglich. Nehmen Sie sich gegenseitig ins Gebet, sprechen Sie einander Mut zu und bestärken Sie sich. Denn aus der Kommunion folgt das, was Jesus selbst aufgetragen hat: „Tut dies zu meinem Gedächtnis! Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.“ (1 Kor 11,26) Damit wollte er sagen: Tut das, was ich getan habe! Handelt so, wie ich an Euch gehandelt habe (vgl. Joh 13,15).
So folgt aus der „Konsekration“ und „Kommunion“ die „Imitation“: Christ-Sein fordert das Zeugnis in Wort und Tat! Für den sel. Carlo Acutis war klar: Glaube ohne Nächstenliebe ist lahm. Deshalb hat sich Carlo für Mitschüler am Rande der Klasse eingesetzt und auch sozial-caritative Aktionen gestartet. An ihm wird deutlich: Das Gebet muss einmünden in die Aktion, in die konkrete Tat. Wir dürfen uns nicht aus der Welt hinausträumen. Wir müssen mitten hinein in die Welt. Mögen Ihnen der „Influencer Gottes“, wie Carlo auch genannt wird, und der hl. Bonifatius Ansporn und Vorbild für Ihr missionarisches Handeln sein! Ahmen Sie, liebe Gemeindemitglieder, Ihren Patron, den Hl. Leonhard nach, der sich um die Gefangenen und Randexistenzen kümmerte. Mögen wir uns, nicht zuletzt unter der Führung des Heiligen Geistes, weiterentwickeln zu Personen „buone come il pane“.