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Wichtiges
Predigt bei der Feier der Priesterjubilare in St. Ottilien am 25.7.2019 von Diözesanadministrator Prälat Dr. Bertram Meier

Hochzeitslader des Herrn

06.08.2019

Selig, die zur Hochzeit des Lammes geladen sind.“ Mit diesen Worten lädt der Priester zur Kommunion ein. Der Priester – ein Hochzeitslader.

Wenn man in einem Lexikon über Brauchtum nachschlägt, dann findet man interessante Beschreibungen dessen, was ein Hochzeitslader ist und tut: „Früher wurden die Einladungen zur Hochzeit mündlich von einem guten Freund des Brautpaares überbracht. In einem festlichen Gewand und oft auch ausgestattet mit einem Stab ging der Hochzeitslader durch die Gemeinde. Er klopfte an die Haustür und trug ein Gedicht oder ein Lied vor. So überbrachte er den Bewohnern die frohe Kunde, dass sie zur Hochzeit eingeladen sind. Während der Feier selbst half er bei der Organisation und passte auf, dass keiner über die Strenge schlug; er unterhielt er die Leute mit Liedern und Versen und sorgte für gute Stimmung.“

Der Priester – ein Hochzeitslader. Das Bild ist vielleicht etwas ungewohnt, aber es umschreibt treffend den priesterlichen Dienst. Wie ein Hochzeitslader ruft er der Gemeinde zu: „Selig, die zur Hochzeit geladen sind.“ Zunächst sind im Hochzeitslader viele Tätigkeiten vereint, die auch ein Priester täglich vollzieht: er verkörpert die drei „M“.

- Er ist Manager, damit es in der Gemeinde rund läuft. Doch Vorsicht: Es geht nicht um Betriebsamkeit, Seelsorge ist kein Betrieb. Vielmehr geht es darum, den Rahmen so zu organisieren, dass die verschiedenen Kreise, Gruppen und Verbände leben können.

- Er ist Missionar, damit sich die Gemeinde nicht in sich selbst verschließt. Wie ein Hochzeitslader, so wird auch der Priester – wie immer es ihm möglich ist – persönlich bei den Menschen auftauchen, um sie einzuladen, am Gemeindeleben teilzunehmen. Besonders gilt sein Augenmerk den Geburtstagskindern und Jubilaren, den Neuzugezogenen und Distanzierten, den Alten und Kranken.

- Er ist Moderator, damit die Einheit in der Gemeinde gewahrt bleibt: Wie der Hochzeitslader, so achtet auch er darauf, dass sich alle wohl fühlen und ihren Part ausfüllen, so dass es in der Pfarrei möglichst keine „Katzentische“ gibt für Außenseiter; schließlich passt er auch auf, dass die Feier im Rahmen bleibt, und wenn jemand doch aus dem Rahmen fällt und sich versündigt, dann bietet er ihm Vergebung und Lossprechung an. Ist das nicht ein attraktives Angebot für das Sakrament der Buße, die heilige Beichte! Der Priester ist kein Zahnarzt, der nach Löchern sucht; er ist ein Hochzeitslader für den Herrn.

Über die verschiedenen Tätigkeiten und Fertigkeiten hinaus, die man von einem Hochzeitslader erwartet, ist besonders seine poetische und musikalische Fähigkeit zu nennen: Der Hochzeitslader dichtet „Gstanzerl“ und bringt sie in Liedform. So ist auch der Priester als Hochzeitslader ein musikalischer Mensch. Wie ist das zu verstehen?

Zunächst braucht der Priester für sein Leben eine Melodie. Mancher singt sie mehr in Dur, ein anderer eher in Moll, je nach Stimmung und Charakter. Wie sehr uns eine Melodie entspricht, erkennen wir auch daran, dass uns bestimmte Melodien nicht zu jeder Zeit möglich sind. Wir sind „heiser“, wenn wir einen dicken Hals haben und erkältet sind. Der verstorbene Domkapitular Wolfgang Klieber, lange Jahre Domprediger in Augsburg und am Kehlkopf erkrankt, stellte fest: „Unser Handwerk als Priester ist das Mundwerk.“ Gott hat für jeden Menschen ein Lied, eine Melodie, einen Vers, die ihm persönlich zugedacht ist. Für jeden Menschen hätte Gott, wie Teresa von Avila sagt, die ganze Welt geschaffen, um ihm sein Liebeslied vorzusingen. In diese Vorstellung sollten wir uns vertiefen: Ein Leben lang singt Gott mir das Hochzeitslied seiner Liebe vor, und ich bin eingeladen, seine Melodie aufzunehmen und mitzusingen. Der Priester als Hochzeitslader soll uns dabei Hilfe sein: Er muss weder Startenor noch Opernsänger sein, sondern durch sein eigenes Leben zeigen, dass er das Wort des hl. Bischofs Ignatius von Antiochien beherzigt: „Nehmt Gottes Melodie in euch auf!“

Eine weitere Eigenschaft, die der Priester braucht, ist das Gespür für Rhythmus und Takt. In der Musik unterscheiden wir zwischen Allegro und Adagio, zwischen forte und pianissimo. Der Hochzeitslader sorgt dafür, dass die Feier nicht langweilig wird. Auch die Hochzeit kennt bestimmte Rhythmen: Phasen, wo es laut hergeht, wechseln sich ab mit Momenten der Nachdenklichkeit und Besinnlichkeit. Einlagen werden gegeben und Witze gemacht, doch hoffentlich immer so, dass keiner aus dem Rahmen fällt, dass es nicht unter die Gürtellinie geht. Wie beim Hochzeitslader, so beim Priester: Damit der Seelsorger glaubhaft und vertrauenswürdig ist, braucht er Takt. Vom Priester wird erwartet, dass er ein taktvoller Mensch ist: kein Elefant, der im Porzellanladen der Seele herumtrampelt. Wie viel zerbricht in dieser Zeit, weil plumpe Kirchenelefanten ihre Grenzen nicht kannten, Vertrauen zertreten und tiefe Wunden in den Herzen hinterlassen haben! Wir können auch keine schlüpfrigen Schlangen brauchen, die Kinder und Jugendliche peinigen, um damit ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Was wir brauchen, sind aufrichtige und reife Persönlichkeiten, die zur Hochzeit des Lammes laden im Wissen darum, dass sie nicht für sich selbst die Werbetrommel rühren, sondern für Jesus Christus, der sich den Menschen antrauen will. Neben dem Takt braucht der Priester einen Rhythmus in seinem täglichen Leben: das Beten mit der ganzen Kirche im Brevier, die Feier der hl. Messe als sein „täglich Brot“, das ehrliche Zeugnis für den Zölibat, der dann fruchtbar wird, wenn er sich einklinkt in einen gesunden Rhythmus von Nähe und Distanz, von notwendiger Öffentlichkeit und fruchtbarer Einsamkeit.

Wie der Hochzeitslader, so ist auch der Priester ein symphonischer Mensch. Er ist kein Alleinunterhalter, sondern muss versuchen, dass bei der Hochzeit möglichst viele mitmachen und beteiligt sind. Damit die Feier gelingt, dürfen sich die Gäste nicht in möglichst viele Nebenzimmer und Separees verziehen. So ist es auch mit einer christlichen Gemeinde: Sie wird erst dann lebendig, wenn die verschiedenen Menschen und Meinungen „konzertieren“, d.h. „zusammenklingen“ zu einem Konzert verschiedener Interessen und Stimmen. Der schon erwähnte Märtyererbischof Ignatius von Antiochien führt dazu aus: „Ihr werdet alle zu einem Chor, und in eurer Eintracht und zusammenklingenden Liebe ertönt durch euch das Lied Christi. Das ist das Lied, das Gott, der Vater, hört – und so erkennt er euch als die, die zu Christus gehören.“ Die Kunst des priesterlichen Hochzeitsladers besteht darin, dass er der Vielfalt der Gäste Raum gibt, die an den Tisch des Herrn geladen sind. Er wird alles tun, um verschiedene Stimmen zusammenzuführen, damit sie einander nicht übertönen, sondern zu einer harmonischen Symphonie werden. Der Priester wird auch ein kommunikativer Mensch sein müssen. Oder haben Sie schon einmal einen Hochzeitslader erlebt, der als „Stummerl“ auftritt? Zwar muss der Priester zuerst hören, was in der Gemeinde vor sich geht, aber beim Hören allein kann es nicht bleiben: Der Hochzeitslader des Herrn darf sich nicht einschließen in seinem Büro, er muss offensiv sein, hinausgehen in die Häuser und Wohnungen, um einzuladen zur Hochzeit, die Jesus mit der Gemeinde feiern will.

Ich bin mir bewusst, dass das Lied vieler Priester heute eher in Moll erklingt, und das nicht nur in der Fastenzeit. Nicht alle Tage ist es uns nach dem Te Deum zumute; da stimmen wir lieber Klagepsalmen an. Die einen bringen eher zerquetschte Töne hervor, andere sind verschnupft über die Kirche und ihre Vorgesetzten. Wieder andere intonieren schon einen Trauerchoral oder den Schwanengesang. Doch das hilft nicht weiter. Wir sind nicht im Königlich-Bayerischen Amtsgericht: Dort ist der Totengräber und der Hochzeitslader ein und dieselbe Person. Jesus beruft die Priester nicht als Totengräber der Kirche, sondern als Hochzeitslader. Jesus macht eine Erfahrung, die auch uns Priestern nicht unbekannt ist: „Mit wem soll ich diese Generation vergleichen? Sie gleicht Kindern, die auf dem Marktplatz sitzen und anderen Kindern zurufen: Wir haben für euch auf der Flöte Hochzeitslieder gespielt, und ihr habt nicht getanzt; wir haben Klagelieder gesungen, und ihr habt euch nicht an die Brust geschlagen“ (Mt 11,16f.). Deshalb bitte ich Sie, liebe Schwestern und Brüder, nehmen Sie die Einladung Ihres Hochzeitsladers an!