Synodalität und Familie
In vieler Hinsicht neue Aspekte bot die Herbstvollversammlung des Diözesanrates in Augsburg. Der thematische Schwerpunkt am Samstag lautete: „Familie – Keimzelle von Kirche und Gesellschaft“. Bereits am Vorabend hatte Bischof Dr. Bertram Meier Grundlegendes zur Synodalität im Bistum, in Deutschland und in der Weltkirche vermittelt.
„Synodale Übungen – was der Diözese nottut“ lautete der Titel eines Austauschs mit dem Bischof am Freitagabend. Was darunter zu verstehen sei, war von vielen Teilnehmern mit Spannung erwartet worden. Bischof Bertram lud wiederholt dazu ein, ganz offen das Thema „Synodalität“ anzusprechen, einander zuzuhören und auf diese Weise auch praktisch Synodalität zu leben. Bei solchen Prozessen lege Papst Franziskus Wert auf die Aspekte der Begegnung / des Zusammentreffens, des Hörens / aber auch der Stille und schließlich der Unterscheidung / Entscheidung. Die Kirche sei ihrem Wesen nach synodal, die beiden Begriffe nahezu gleichbedeutend. Der Synodale Weg in Deutschland habe das Ziel, die Kirche zu erneuern. Dieser Weg war bekanntlich eingeschlagen worden, nachdem die sog. MHG-Studie (für „Mannheim, Heidelberg, Gießen“) zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland erschienen war und die Autoren systemische Ursachen dafür geltend gemacht hatten. Der Bischof wies darauf hin, dass solche Faktoren nicht monokausal verstanden werden dürften und diesbezügliche Forderungen auch nicht als Antwort schlechthin auf die Missbrauchsproblematik verstanden werden könnten. Auch sei in diesem Zusammenhang häufiger zu hören gewesen, in der Kirche dürfe nun „kein Stein mehr auf dem anderen bleiben“. Dabei werde nicht berücksichtigt, was zur Identität der Kirche gehöre und was veränderbar sei. „Wir sind nicht die Erfinder der Kirche. Sie ist uns vorgegeben, um sie geistlich zu erneuern.“ Bischof Bertram plädierte für einen spirituellen an Stelle eines systemischen Ansatzes. Die Ergebnisse in Deutschland seien mit der katholischen Kirche in den Nachbarländern zu kommunizieren und in den Kontext der Weltkirche hineinzustellen. Bis dahin und ganz generell sei es wichtig, auch im Bistum die Synodalität als Lebensform der Kirche wiederzuentdecken. Die Leitfrage auch für den Diözesanrat solle dabei heißen: „Was braucht die Kirche von Augsburg?“. Von einem deutschen Sonderweg sei ebenso abzusehen wie von der Vorstellung, der Papst lasse sich von einzelnen Ländern unter Druck setzen.
Bericht der Vorsitzenden
Zuvor hatte Diözesanratsvorsitzende Hildegard Schütz mit ihrem Bericht die Vollversammlung eröffnet. Sie benannte verschiedene Herausforderungen, die in der nächsten Zeit auch für das Laienapostolat handlungsleitend sein dürften. Dazu gehöre primär der Lebensschutz am Anfang und am Ende menschlicher Existenz. „Bischof Bertram hat das sehr griffig in Maria Vesperbild formuliert: Frösche tragen wir über die Straßen, doch Kleine und Schwache, wie Embryonen und Todgeweihte bleiben auf der Strecke. Kämpfen wir für das Leben!“ Schütz erinnerte auch an das Referat von Weihbischof Dr. Dr. Anton Losinger auf der Frühjahrsvollversammlung online am 18. Juni: „Assistierter Suizid – Leben am Lebensende“.
Eine weitere Herausforderung sei der Umweltschutz: „Letztendlich kann Leben in Zukunft nur gelingen, wenn wir gemäß dem Prinzip der Nachhaltigkeit eine dauerhaft ökologische und zukunftsfähige Entwicklung der Welt im Blick haben.“ Dabei müssten wir uns aber auch dessen bewusst sein, „dass Deutschland höchstens einen Anstoß zur Rettung des Weltklimas geben kann, dass dies aber eine globale Aufgabe ist. Das bedeutet, genau und ehrlich hinzuschauen bei der Energiewende, bei der Mobilität, bei der Ernährung und der Erhaltung unserer bäuerlichen Familienbetriebe. Verlagern wir da ein Problem nicht nur ins Ausland, wo nicht so genau hingeschaut wird? Ich denke dabei an den Zukauf von Strom, an die Produktion von Batterien oder auch an die Einfuhr von Bio-Lebensmitteln.“
Ein besonderes Anliegen ist Hildegard Schütz die Teilnahme an den Pfarrgemeinderatswahlen am 20. März 2022 unter dem Motto: „Christ sein. Weit denken. Mutig handeln.“ Die Diözesanratsvorsitzende hofft, dass sich genügend Kandidaten finden und setzt dabei auf die Diözesanratsmitglieder und alle engagierten Laien: „Arbeiten Sie alle dabei mit, Kandidaten für die Wahl zum PGR zu finden, lassen Sie sich selber als Kandidatinnen und Kandidaten aufstellen und gehen Sie auch selber zur Wahl. Unsere Kirche braucht sie. Sie lebt von Ihrem Einsatz und von Ihren Begabungen. Packen wir es gemeinsam an und geben wir der Kirche unser Gesicht!“
Bericht des Generalvikars
Der erste Bericht der Herbstvollversammlung wurde von Msgr. Dr. Wolfgang Hacker abgegeben, der aber nicht in seiner Eigenschaft als Bischöflicher Beauftragter für den Diözesanrat, sondern als Generalvikar über zentrale Themen der Bistumsleitung sprach. Dabei hob er das Doppeljubiläumsjahr zu Ehren des Heiligen Ulrich hervor, welches mit dem Ulrichsfest 2023 beginnen und mit der Ulrichswoche 2024 abgeschlossen werde. Anlass ist die Bischofsweihe des Bistumspatrons vor 1100 Jahren und dessen Tod vor 1050 Jahren. Seiner Zeit habe die Schlacht auf dem Lechfeld zu einer Kulturwende geführt. Auch der Diözesanrat sei vom Bischof eingeladen, sich an dem Jubiläum zu beteiligen. In Zusammenhang mit einer Tagung der deutschen Generalvikare kam Generalvikar Dr. Wolfgang Hacker auf die gelegentlich zu hörende Rede von der „deutschen Kirche“ zu sprechen, was er einen „üblen Begriff“ nannte: auch wenn dieser nicht nationalistisch gemeint sei, so klinge doch der deutsche Sonderweg an: „Davor möchte ich warnen. Wir bekennen eine katholische Kirche im Sinne einer universalen Kirche. In die können, dürfen und müssen wir uns einbringen.“ Zu dieser weltkirchlichen Dimension gehöre das Bewusstsein von der Zusammengehörigkeit und die Tugend des Respekts voreinander.
"Familie - Keimzelle von Kirche und Gesellschaft"
Den thematischen Teil der Vollversammlung am Samstag hatte der Sachausschuss „Ehe und Familie“ vorbereitet, der die Teilnehmer mit einem professionellen Impulsfilm zum Thema „Familie – Keimzelle von Kirche und Gesellschaft“ überraschte. Darin erklärten Katholiken aus der Diözese Augsburg ihr Verhältnis zur Familie und ihr Engagement als Familie für die Kirche. Die Grundlagen für den gesellschaftlichen und politischen Aspekt des Themas lieferte das Referat von Professor Dr. Klaus Stüwe. Der Eichstätter Politikwissenschaftler stellte zunächst die soziologischen Daten des Themas vor und wies darauf hin, dass deren Präsentation einem auffälligen Framing unterliegen: Stets werde der Verfall des Traditionellen bzw. das Aufkommen des Gebrochenen oder Alternativen hervorgehoben, selbst dann, wenn das Mehrheitsverhältnis nach wie vor umgekehrt sei. Auf diese Weise würden, so konstatiere auch jüngst ein Zeitungsartikel, Sonderphänomene zum Hauptgegenstand und der Mainstream werde marginalisiert. Allerdings lasse sich die Tendenz zur Abnahme des herkömmlichen Familienmodells und zur Zunahme anderer Lebensformen nicht bestreiten. Gleichwohl zeige der demoskopische Befund aber eine ungebrochene Attraktivität des klassischen Familienmodells, auch das Grundgesetz gebiete den Schutz von Ehe und Familie, ebenso die kirchliche Lehrmeinung.
Zuvor hatte Pater Paulus-Maria Tautz von seinen Erfahrungen am unteren Rand der Gesellschaft berichtet. Der gebürtige Dresdner hat im Laufe seines Lebens sowohl in der Bronx in New York als auch in Irland als Seelsorger gewirkt. Die Bronx war von Brandkatastrophen verwüstet worden, viele Frauen seien der Prostitution nachgegangen und sowohl durch Gewalttaten traumatisiert als auch drogensüchtig geworden. Jugendliche hätten sich Gangs angeschlossen und Abtreibungen seien alltäglich geworden. Hier setzte die Mission der Kapuziner an: Sie bewegten die Frauen dazu die Kinder auszutragen. Auf diese Weise entstand erstmals wieder ein Verantwortungsgefühl, das auch auf die Väter übergriff: „Der Vater stirbt für die Mutter, die Mutter stirbt für die Kinder, die Kinder sterben für ihre Eltern. Das war unser Programm.“ Pater Paulus nennt das einen katholischen Generationenvertrag. Im Prinzip sei jeder Mann dazu berufen Vater zu werden, jede Frau dazu Mutter zu werden, d. h. lebenslange Verbindlichkeit zu leben. Er sagt: „Bevor man von der Familie spricht, muss man von der Ehe sprechen. Die Natur von Mann und Frau verstehen. Wenn die zusammenhalten, kann die Familie bestehen.“ In der Dankbarkeit sieht Pater Paulus die Grundlage der Ehe: alle Versprechen würden aus Dankbarkeit realisiert. So entstehe lebenslange Verbindlichkeit, eine Schule der Liebe. „Alle Probleme“, so Pater Paulus, „kommen daher, dass wir unsere Kinder nicht genug lieben. Alle Kinder haben einen zweiten Namen und der heißt ‚Jetzt‘. Die brauchen Zuwendung jetzt, nicht morgen oder heute Abend.“ Auch die Ehe sei ein altruistisches Modell. Sie diene nicht der Selbstheilung, sondern der des Ehepartners.
Michael Widmann