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Wichtiges
Positionspapier des Diözesanrates zur "Altersarmut"

Diözesanrat plädiert für eine nachhaltige Lösung der Problematik „Altersarmut‟

28.09.2022

„Mittelfristig [ist] mit einem deutlichen Anstieg der Zahl der Empfänger/innen von Grundsicherung wegen Alters zu rechnen. Ausgehend von 544.000 Empfänger/innen Ende 2017 dürfte bis Ende 2030 deren Zahl um mehr als die Hälfte steigen oder [sich] sogar fast verdoppeln. Dabei dürfte der Anstieg bei den Männern deutlicher als bei den Frauen ausfallen.“[1]

Ausgehend von der Würde jeder menschlichen Person ist für den Diözesanrat die Absicherung gegen Armut eine der elementarsten Herausforderungen der Politik – dies gilt für die Frage der armutsfesten Entlohnung („Mindestlohn“) ebenso wie für die nach der Absicherung im Alter („Sockelrente“). Dabei ist klar, dass die derzeitige Gesetzliche Rentenversicherung a priori diese Aufgabe nicht erfüllen kann und spätestens seit der Rentenreform 1957 (vorher gab es noch eine Mindestsicherung im Rentensystem) auch nicht zu erfüllen hat. Aber auch die Bundesregierung sieht „die Vermeidung von Altersarmut [als] elementare Aufgabe staatlicher Sozialpolitik und [als] zentrales Anliegen der Bundesregierung.“ (BT-Drs. 17/6317). Es bleibt Hauptaufgabe einer nachhaltigen Sozialpolitik, Armut in allen Lebenslagen zu vermeiden.

Näherungsweise bedienen wir uns zur Ermittlung von Armut im Alter der Hilfequote der Grundsicherung wegen Alters. Hier wird deutlich, dass diese – obgleich sie weiterhin auf niedrigem Niveau von etwa 3% verweilt - in den vergangenen zehn Jahren um immerhin 40% (von 2,3 auf 3,2%) angestiegen ist. Ergänzend ist zu erwähnen, dass die Rate der Nichtinanspruchnahme bei 62% liegt.[2] Eine an Bedingungen geknüpfte Absicherung gegen Armut wird also der wirklichen Herausforderung nicht gerecht.

Wenn das Ziel der Absicherung gegen Altersarmut ernst genommen wird, sollten wir diejenigen in den Blick nehmen, die aktuell „Grundsicherung im Alter“ beziehen: 27% verfügen über keinerlei Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die andern knapp ¾ erhalten durch die Sockelrente die Chance, aus der Grundsicherung im Alter (inkl. Offenlegungspflicht aller Einkommen) herauszukommen, wenn deren Rente in Verbindung mit der Sockelrente den individuellen Grundsicherungsbezug übersteigt. Insgesamt reden wir von fast 5 Millionen Rentenempfängern, die weniger als 600 € Altersrente erhalten.

Leider haben weder die Einführung der Grundrente noch die Ergebnisse der Rentenkommission an dieser problematischen Situation etwas geändert. Während der Output der Rentenkommission nicht nur in dieser Frage als „Nicht-Ergebnis“ bezeichnet werden kann, geht die Bundesregierung selbst davon aus, dass die Grundrente an 90% der Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung im Alter vorbeigeht und daher wohl nie auf diese Herausforderung bezogen war.[3]

Mit der Sockelrente wird eine Lösung innerhalb des Systems der Rentenversicherung vorgeschlagen, um es zu stärken und zu erhalten. Die Finanzierung der Sockelrente soll über einen Beitrag auf sämtliche positive Einkünfte aller Einkunftsarten aller Steuerpflichtigen erfolgen – bei einem Beitragssatz von ca. 5% ergibt sich eine Sockelrente in einer Höhe von ca. 500 €. Damit deckt sie zwar den Grundsicherungsbedarf nicht unbedingt vollständig ab, ermöglicht aber den Versicherten, mit jedem zusätzlich verdienten Euro die eigene Altersrente zu erhöhen. Die Sockelrente wirkt so wie eine Hebebühne, die alle Einkünfte im Alter gleichmäßig auf ein neues Niveau anhebt. Nur die Sockelrente ist ein Mittel gegen Altersarmut, während die Grundrente allein die Erhöhung der Rente aus Erwerbseinkommen bewirken wird.

Auch mit der Sockelrente wird die Grundsicherung im Alter nicht überflüssig, weil es immer Konstellationen im Erwerbsleben eines Menschen geben kann, die das Rentensystem nicht auffangen kann und soll (jahrzehntelange geringfügige Beschäftigung, prekäre Selbstständigkeit, Niedriglöhne, etc.). Ohnehin muss ergänzend auf existenzsichernde Löhne gesetzt werden.

Die Einführung der Sockelrente ist als erster Schritt eines Veränderungsprozesses zu verstehen – langfristig wären weitere Aspekte wie die Umwandlung in eine Erwerbstätigenversicherung, die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe oder anderer stabilisierender Maßnahmen notwendig, um das bestehende System der gesellschaftlichen Entwicklung anzupassen. Zudem muss überprüft werden, ob alle sozialpolitisch erwünschten, aber dennoch versicherungsfremden Leistungen aktuell wirklich bereits durch den Steuerzuschuss an die Rentenversicherung gedeckt sind.

 

Hildegard Schütz, Diözesanratsvorsitzende

 im Namen des Diözesanrats des Bistums Augsburg

[1] Bruno Kaltenborn: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung: ein statistisches Kompendium, Forschungsbericht für das Forschungsnetzwerk Alterssicherung (FNA) der DRV Bund, April 2019, S. 263

[2] Dr. Felix Wilke: Nicht genug und doch genügsam? Lebenssituation bei Nichtinanspruchnahme der Grundsicherung im Alter, Deutsche Renten Versicherung 4/2020, S. 473

[3] Georg Cremer: Armut im Alter: zum Verantwortungsbereich von Rentenversicherung und Sozialhilfe, Deutsche Rentenversicherung 1/2020 S. 141