Der Bona-Campus: Tummelplatz und Übungsraum
Lieber Herr Stadtpfarrer Heinrich, lieber Harald, liebe Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst, liebe Schülerinnen, Schüler und Studierende der Bona-Schulfamilie, lieber Herr Kosak, liebe Schulleiter und Angehörige der Lehrerkollegien, liebe Schwestern und Brüder, letztes Jahr fast auf den Tag genau dankte hier unser Weihbischof Florian Wörner mit Ihnen allen den Dillinger Franziskanerinnen für 250 Jahre Einsatz in der Schule.
Realschule und Gymnasium, Fachakademie und Fachoberschule – vier Schulformen, die sich aus den Anfängen der klösterlichen Mädchenbildung heraus entwickelt hatten, und das vor einem Vierteljahrtausend!
Diese Bildungsgeschichte, die 1774 im Zeitalter der Aufklärung begann, sich über die Jahrhunderte immer wieder stark gewandelt hat und während des Nationalsozialismus sogar abrupt für sieben Jahre unterbrochen wurde, ist gerade deshalb ein starker Impuls, mit Zuversicht in die Zukunft zu gehen.
Denn wo liegt Zukunft, wenn nicht in den jungen Menschen, die uns Älteren als Geschenk anvertraut sind? Wohlgemerkt als Geschenk: Kein Kind, kein junger, aber auch kein älterer oder alt gewordener Mensch gehört einem anderen; genauso wenig ist er Verfügungsmasse für die Gesellschaft oder die Staatsregierung. Das müssen wir uns gerade heute, wo die Autokratien auf unserer Erde zunehmen und in kriegerischen Auseinandersetzungen oft die Jüngsten und die Ältesten gleichermaßen Leidtragende sind, immer vor Augen halten.
Zwar sind die Kinderrechte trotz mancher Anstrengungen bislang nicht im Grundgesetz verankert, doch gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass das gesellschaftliche Bewusstsein dafür wächst – vielleicht gerade hier in der Schulstadt Dillingen und mit einer Bona-Realschule, die seit vielen Jahren den Status einer UNESCO-Projekt-Schule hat!
Das erste Kinderrecht lautet, wen wundert‘s: „Kinder haben das Recht auf Bildung.“ Doch ich will hier keine Schulstunde halten und Dinge erzählen, die Ihr selbst im Internet nachlesen könnt.
Zu Beginn dieser Feier haben wir das Zeichen des dreieinen Gottes, das Kreuzzeichen, gemacht und damit Gott selbst in unsere Mitte geladen. Wir wären schlechte Gastgeber, wenn wir ihn, dessen Geschöpfe wir sind und dem zu Ehren wir zur Eucharistie, also zum Danken, zusammengekommen sind, aus den Augen verlieren würden. Leider geschieht das allzu oft - auch im Gottesdienst: Wer hat sich nicht schon beim Rausgehen aus der Kirche dabei ertappt, dass er gar nicht mehr angeben konnte, worum es in den Texten der Heiligen Schrift oder in der Predigt ging?
Auch dem heiligen Franz von Assisi, von dessen Fest die heutigen Lesungen genommen sind, war es während seiner Kindheit und Jugend im ausgehenden 12. Jahrhundert nicht anzusehen, dass aus ihm ein solch radikaler Jünger Jesu, ein zweiter Christus, wie es in der Heiligsprechungsbulle hieß, werden würde. Wollte man ihn beschreiben, dann müsste man sagen, er war ein aufgeweckter, sangesfreudiger und sehr geselliger junger Mann aus begütertem Hause. Seine Eltern setzten große Hoffnungen in ihn, und er wollte sie nicht enttäuschen, selbst als er mit knapp 20 Jahren in den Krieg mit der Nachbarstadt Perugia ziehen sollte.
Doch dann geriet Francesco, so sein italienischer Name, in Gefangenschaft, und weil die Sieger ein hohes Lösegeld zu erpressen hofften, wurde er ein ganzes Jahr, immer knapp am Existenzminimum vegetierend, zusammen mit anderen Leidensgenossen eingekerkert: eine traumatische Erfahrung, die sein bisheriges Leben komplett auf den Kopf stellte. Als er endlich wieder daheim war, verfiel er in eine tiefe Depression: die Träume waren zerplatzt, auf seinen geschwächten Körper war kein Verlass und viele der Freunde waren gefallen.
Wozu das alles? Damals wie heute eine sehr berechtigte Frage, die von Millionen jungen Leuten auf der Welt gestellt wird, von Kindersoldaten und jungen Rekruten, von Gewaltopfern und Jugendlichen in Flüchtlingslagern… Francesco suchte auf diese bohrende, alles entscheidende Frage eine Antwort, die seinem Leben wieder Sinn und Richtung gab. Weil er in einer Gesellschaft lebte, in der die Botschaft des Evangeliums allgegenwärtig war – aber trotzdem nur allzu oft auf taube Ohren stieß und den selbstverständlichen kulturellen Rahmen bildete –, hörte er nun mit geschärften Sinnen und durch seine Leiderfahrung sensibilisiert auf das, was da jeden Sonntag von den Kanzeln verkündet wurde. Er hatte als Kaufmannssohn immerhin so viel Latein gelernt, dass er dem Gottesdienst folgen und die Texte der Schrift verstehen konnte.
Versuchen wir uns einmal in seine Situation hineinzufühlen und hören wir (nochmals) die Worte aus dem Matthäus-Evangelium (Mt 11,25-30):
„In jener Zeit sprach Jesus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du das vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen. Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will. Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“
Wie nimmt ein junger Mensch, der gerade noch dem Tod von der Schippe gesprungen ist, solche Worte auf? Sie müssen ihm doch wie eine Antwort erschienen sein auf seine Sehnsucht nach Gesehen werden und Ernst-genommen-sein! Jesus spricht ihm damit buchstäblich aus der Seele. Aber wie kommt man mit Ihm in Kontakt? Immerhin sind bereits damals seit Jesu Leben und Tod, seiner Auferstehung und Himmelfahrt schon weit mehr als tausend Jahre vergangen.
Der junge Erwachsene in Assisi tut daher das, was vor und nach ihm alle taten, die sich auf das Abenteuer einer Beziehung zu Gott einließen. Madeleine Delbrel, eine von der Liebe Christi erfüllte Pariser Sozialarbeiterin aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, schildert rückblickend, dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres Lebens anfing zu beten: Gott, wenn es Dich gibt, dann gib Dich mir zu erkennen. Das bekannte Gebet des Franziskus vor dem Kreuz von San Damiano ist zwar etwas ausführlicher und will doch dasselbe: die Zwiesprache mit dem unsichtbaren Vater Jesu Christi aufnehmen, in dessen Augen unser Leben unendlich kostbar ist!
Vermutlich erzähle ich Ihnen nichts Neues, wenn ich daran erinnere, dass diese innige Freundschaft zum dreieinen Gott für den Tuchhändlersohn Franziskus zu einer für ihn, seine Eltern, ja für alle, die der Familie verbunden waren, äußerst schmerzhaften Entscheidung führte: Weil sein in seinen Augen verrückt gewordener Sohn das väterliche Eigentum großzügig an die Armen verschenkte, wusste sich Pietro Bernardone nicht mehr anders zu helfen, als das bischöfliche Gericht anzurufen. Damit provozierte er die öffentliche Bloßstellung seines Sohnes, die aber zur Überraschung aller ebenso eine Bloßstellung seiner selbst wurde:
Vor die Wahl gestellt, sich in allem seinem Vater unterzuordnen oder enterbt zu werden, zog Franziskus sich vor allen Anwesenden nackt aus, gab seinem Vater die Kleider zurück und kündigte an, von nun an nur noch einen „Vater im Himmel“ zu haben! - Ein Skandal, den der Lebensbeschreibung nach der Bischof dadurch abzumildern suchte, dass er dem abspenstigen Sohn einen Mantel zuwarf und ihn damit auch symbolisch unter den Schutz der Kirche nahm. Ob die kirchlichen Autoritäten wirklich schon zu diesem Zeitpunkt von dem evangeliumsgemäßigen Leben des Francesco Bernardone überzeugt waren – wir wissen es nicht. Doch eines ist klar: Noch heute, 800 Jahre später, können wir nachempfinden, welch hohe Wellen dieses ungewöhnliche Verhalten des Sohnes in einer Gesellschaft schlug, die ständisch strukturiert und eisern nach zahlreichen geschriebenen - und mehr noch ungeschriebenen - Gesetzen funktionierte.
Der italienische Begriff für dieses Geschehen - ganz gleich ob aus spirituellen Motiven oder durch einen Gewaltakt, etwa einen Raubüberfall - heißt „spogliazione“. Bis heute trägt die ehemalige Kathedrale von Assisi, Santa Maria Maggiore, den Titel: Santuario della Spogliazione – Heiligtum der Entkleidung oder besser: der Entäußerung.
Machen wir uns keine Illusionen: Erwachsenwerden ist schmerzhaft, auch wenn es nicht immer mit einem solchen Paukenschlag wie beim jungen Franz von Assisi verbunden ist. Doch jeder Sohn, jede Tochter hat das Recht, den eigenen Weg zu gehen, und ab einem gewissen Punkt können Eltern und Lehrkräfte nur noch hoffen (und beten), dass sie ihrem Kind bzw. den Schülern eine Erziehung zuteilwerden ließen, die tragfähige Kriterien für vernünftige Entscheidungen, die keinem schaden und möglichst vielen nützen, einschließt.
Francesco verlässt seinen Platz innerhalb der Herkunftsfamilie. Damit verzichtet er nicht nur auf eine Privatsphäre, sondern auch auf den Schutz nach außen. In gewisser Weise gleicht er einem Vogelfreien – im Mittelalter bedeutete dies, dass ein Mensch seine Rechte nirgendwo einklagen konnte, ja sogar: dass man ihn ungestraft töten konnte. Er begibt sich also freiwillig auf die unterste Stufe der gesellschaftlichen Rangordnung, wird zeitweilig buchstäblich zum Outlaw, weil er sich mit den Aussätzigen, den lebendig Toten solidarisiert und bei ihnen lebt, um für sie und mit ihnen zu betteln. Doch all dies ist ja kein Selbstzweck, sondern seine ganz persönliche Antwort auf das, was er vom Evangelium verstanden hat – der Botschaft Jesu, die er an sich selbst gerichtet empfand.
Fortan nennt er sich Frate Francesco und wird für den Rest seines Lebens zum Bruder aller Geschöpfe. Als er, knapp zwanzig Jahre nach seinem ‚Ausstieg‘ – heuer sind es genau 800 Jahre –, im Frühjahr 1225, blind und von heftigen Schmerzen gequält, seinen Lobpreis auf den Schöpfer, den berühmten Sonnengesang, dichtet, fasst er damit wie in einem Brennglas seine Erfahrung an der Seite Jesu zusammen: Alle Geschöpfe, die Sonne und die Gestirne, die Elemente und „die Schwester Mutter Erde“ sind dem Menschen zum Staunen und zum Danken, jedoch nicht zur Ausbeutung gegeben! Franziskus hat verstanden: Nur, wenn sich der Mensch als Teil statt als Herrscher der Schöpfung versteht, wird er seiner Aufgabe vom Uranfang gerecht, Hüter des Gartens Eden zu sein (Gen 2,15).
Können wir uns demgegenüber taub und blind stellen - angesichts der katastrophalen Vorboten des Klimakollapses, der Hochwasserereignisse und Waldbrände,
Realschule und Gymnasium, Fachakademie und Fachoberschule – vier Schulformen, die sich aus den Anfängen der klösterlichen Mädchenbildung heraus entwickelt hatten, und das vor einem Vierteljahrtausend!
Diese Bildungsgeschichte, die 1774 im Zeitalter der Aufklärung begann, sich über die Jahrhunderte immer wieder stark gewandelt hat und während des Nationalsozialismus sogar abrupt für sieben Jahre unterbrochen wurde, ist gerade deshalb ein starker Impuls, mit Zuversicht in die Zukunft zu gehen.
Denn wo liegt Zukunft, wenn nicht in den jungen Menschen, die uns Älteren als Geschenk anvertraut sind? Wohlgemerkt als Geschenk: Kein Kind, kein junger, aber auch kein älterer oder alt gewordener Mensch gehört einem anderen; genauso wenig ist er Verfügungsmasse für die Gesellschaft oder die Staatsregierung. Das müssen wir uns gerade heute, wo die Autokratien auf unserer Erde zunehmen und in kriegerischen Auseinandersetzungen oft die Jüngsten und die Ältesten gleichermaßen Leidtragende sind, immer vor Augen halten.
Zwar sind die Kinderrechte trotz mancher Anstrengungen bislang nicht im Grundgesetz verankert, doch gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass das gesellschaftliche Bewusstsein dafür wächst – vielleicht gerade hier in der Schulstadt Dillingen und mit einer Bona-Realschule, die seit vielen Jahren den Status einer UNESCO-Projekt-Schule hat!
Das erste Kinderrecht lautet, wen wundert‘s: „Kinder haben das Recht auf Bildung.“ Doch ich will hier keine Schulstunde halten und Dinge erzählen, die Ihr selbst im Internet nachlesen könnt.
Zu Beginn dieser Feier haben wir das Zeichen des dreieinen Gottes, das Kreuzzeichen, gemacht und damit Gott selbst in unsere Mitte geladen. Wir wären schlechte Gastgeber, wenn wir ihn, dessen Geschöpfe wir sind und dem zu Ehren wir zur Eucharistie, also zum Danken, zusammengekommen sind, aus den Augen verlieren würden. Leider geschieht das allzu oft - auch im Gottesdienst: Wer hat sich nicht schon beim Rausgehen aus der Kirche dabei ertappt, dass er gar nicht mehr angeben konnte, worum es in den Texten der Heiligen Schrift oder in der Predigt ging?
Auch dem heiligen Franz von Assisi, von dessen Fest die heutigen Lesungen genommen sind, war es während seiner Kindheit und Jugend im ausgehenden 12. Jahrhundert nicht anzusehen, dass aus ihm ein solch radikaler Jünger Jesu, ein zweiter Christus, wie es in der Heiligsprechungsbulle hieß, werden würde. Wollte man ihn beschreiben, dann müsste man sagen, er war ein aufgeweckter, sangesfreudiger und sehr geselliger junger Mann aus begütertem Hause. Seine Eltern setzten große Hoffnungen in ihn, und er wollte sie nicht enttäuschen, selbst als er mit knapp 20 Jahren in den Krieg mit der Nachbarstadt Perugia ziehen sollte.
Doch dann geriet Francesco, so sein italienischer Name, in Gefangenschaft, und weil die Sieger ein hohes Lösegeld zu erpressen hofften, wurde er ein ganzes Jahr, immer knapp am Existenzminimum vegetierend, zusammen mit anderen Leidensgenossen eingekerkert: eine traumatische Erfahrung, die sein bisheriges Leben komplett auf den Kopf stellte. Als er endlich wieder daheim war, verfiel er in eine tiefe Depression: die Träume waren zerplatzt, auf seinen geschwächten Körper war kein Verlass und viele der Freunde waren gefallen.
Wozu das alles? Damals wie heute eine sehr berechtigte Frage, die von Millionen jungen Leuten auf der Welt gestellt wird, von Kindersoldaten und jungen Rekruten, von Gewaltopfern und Jugendlichen in Flüchtlingslagern… Francesco suchte auf diese bohrende, alles entscheidende Frage eine Antwort, die seinem Leben wieder Sinn und Richtung gab. Weil er in einer Gesellschaft lebte, in der die Botschaft des Evangeliums allgegenwärtig war – aber trotzdem nur allzu oft auf taube Ohren stieß und den selbstverständlichen kulturellen Rahmen bildete –, hörte er nun mit geschärften Sinnen und durch seine Leiderfahrung sensibilisiert auf das, was da jeden Sonntag von den Kanzeln verkündet wurde. Er hatte als Kaufmannssohn immerhin so viel Latein gelernt, dass er dem Gottesdienst folgen und die Texte der Schrift verstehen konnte.
Versuchen wir uns einmal in seine Situation hineinzufühlen und hören wir (nochmals) die Worte aus dem Matthäus-Evangelium (Mt 11,25-30):
„In jener Zeit sprach Jesus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du das vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen. Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will. Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“
Wie nimmt ein junger Mensch, der gerade noch dem Tod von der Schippe gesprungen ist, solche Worte auf? Sie müssen ihm doch wie eine Antwort erschienen sein auf seine Sehnsucht nach Gesehen werden und Ernst-genommen-sein! Jesus spricht ihm damit buchstäblich aus der Seele. Aber wie kommt man mit Ihm in Kontakt? Immerhin sind bereits damals seit Jesu Leben und Tod, seiner Auferstehung und Himmelfahrt schon weit mehr als tausend Jahre vergangen.
Der junge Erwachsene in Assisi tut daher das, was vor und nach ihm alle taten, die sich auf das Abenteuer einer Beziehung zu Gott einließen. Madeleine Delbrel, eine von der Liebe Christi erfüllte Pariser Sozialarbeiterin aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, schildert rückblickend, dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres Lebens anfing zu beten: Gott, wenn es Dich gibt, dann gib Dich mir zu erkennen. Das bekannte Gebet des Franziskus vor dem Kreuz von San Damiano ist zwar etwas ausführlicher und will doch dasselbe: die Zwiesprache mit dem unsichtbaren Vater Jesu Christi aufnehmen, in dessen Augen unser Leben unendlich kostbar ist!
Vermutlich erzähle ich Ihnen nichts Neues, wenn ich daran erinnere, dass diese innige Freundschaft zum dreieinen Gott für den Tuchhändlersohn Franziskus zu einer für ihn, seine Eltern, ja für alle, die der Familie verbunden waren, äußerst schmerzhaften Entscheidung führte: Weil sein in seinen Augen verrückt gewordener Sohn das väterliche Eigentum großzügig an die Armen verschenkte, wusste sich Pietro Bernardone nicht mehr anders zu helfen, als das bischöfliche Gericht anzurufen. Damit provozierte er die öffentliche Bloßstellung seines Sohnes, die aber zur Überraschung aller ebenso eine Bloßstellung seiner selbst wurde:
Vor die Wahl gestellt, sich in allem seinem Vater unterzuordnen oder enterbt zu werden, zog Franziskus sich vor allen Anwesenden nackt aus, gab seinem Vater die Kleider zurück und kündigte an, von nun an nur noch einen „Vater im Himmel“ zu haben! - Ein Skandal, den der Lebensbeschreibung nach der Bischof dadurch abzumildern suchte, dass er dem abspenstigen Sohn einen Mantel zuwarf und ihn damit auch symbolisch unter den Schutz der Kirche nahm. Ob die kirchlichen Autoritäten wirklich schon zu diesem Zeitpunkt von dem evangeliumsgemäßigen Leben des Francesco Bernardone überzeugt waren – wir wissen es nicht. Doch eines ist klar: Noch heute, 800 Jahre später, können wir nachempfinden, welch hohe Wellen dieses ungewöhnliche Verhalten des Sohnes in einer Gesellschaft schlug, die ständisch strukturiert und eisern nach zahlreichen geschriebenen - und mehr noch ungeschriebenen - Gesetzen funktionierte.
Der italienische Begriff für dieses Geschehen - ganz gleich ob aus spirituellen Motiven oder durch einen Gewaltakt, etwa einen Raubüberfall - heißt „spogliazione“. Bis heute trägt die ehemalige Kathedrale von Assisi, Santa Maria Maggiore, den Titel: Santuario della Spogliazione – Heiligtum der Entkleidung oder besser: der Entäußerung.
Machen wir uns keine Illusionen: Erwachsenwerden ist schmerzhaft, auch wenn es nicht immer mit einem solchen Paukenschlag wie beim jungen Franz von Assisi verbunden ist. Doch jeder Sohn, jede Tochter hat das Recht, den eigenen Weg zu gehen, und ab einem gewissen Punkt können Eltern und Lehrkräfte nur noch hoffen (und beten), dass sie ihrem Kind bzw. den Schülern eine Erziehung zuteilwerden ließen, die tragfähige Kriterien für vernünftige Entscheidungen, die keinem schaden und möglichst vielen nützen, einschließt.
Francesco verlässt seinen Platz innerhalb der Herkunftsfamilie. Damit verzichtet er nicht nur auf eine Privatsphäre, sondern auch auf den Schutz nach außen. In gewisser Weise gleicht er einem Vogelfreien – im Mittelalter bedeutete dies, dass ein Mensch seine Rechte nirgendwo einklagen konnte, ja sogar: dass man ihn ungestraft töten konnte. Er begibt sich also freiwillig auf die unterste Stufe der gesellschaftlichen Rangordnung, wird zeitweilig buchstäblich zum Outlaw, weil er sich mit den Aussätzigen, den lebendig Toten solidarisiert und bei ihnen lebt, um für sie und mit ihnen zu betteln. Doch all dies ist ja kein Selbstzweck, sondern seine ganz persönliche Antwort auf das, was er vom Evangelium verstanden hat – der Botschaft Jesu, die er an sich selbst gerichtet empfand.
Fortan nennt er sich Frate Francesco und wird für den Rest seines Lebens zum Bruder aller Geschöpfe. Als er, knapp zwanzig Jahre nach seinem ‚Ausstieg‘ – heuer sind es genau 800 Jahre –, im Frühjahr 1225, blind und von heftigen Schmerzen gequält, seinen Lobpreis auf den Schöpfer, den berühmten Sonnengesang, dichtet, fasst er damit wie in einem Brennglas seine Erfahrung an der Seite Jesu zusammen: Alle Geschöpfe, die Sonne und die Gestirne, die Elemente und „die Schwester Mutter Erde“ sind dem Menschen zum Staunen und zum Danken, jedoch nicht zur Ausbeutung gegeben! Franziskus hat verstanden: Nur, wenn sich der Mensch als Teil statt als Herrscher der Schöpfung versteht, wird er seiner Aufgabe vom Uranfang gerecht, Hüter des Gartens Eden zu sein (Gen 2,15).
Können wir uns demgegenüber taub und blind stellen - angesichts der katastrophalen Vorboten des Klimakollapses, der Hochwasserereignisse und Waldbrände, der Dürren und Sturmfluten und der damit einhergehenden weltweiten Migration?
Erwachsen werden heißt Verantwortung übernehmen und erwachsen sein bedeutet, sich der Verantwortung nicht entziehen können. – Wenn wir im Anschluss an diese Eucharistiefeier den neuen Bona-Campus segnen, den Sie und Ihr, liebe Angehörige der Bona-Schulfamilie, bereits seit Pfingsten mit Leben erfüllt, dann möchte ich Euch und Sie alle mit einem Blick auf die Begriffsgeschichte des lateinischen Wortes Campus ermutigen: Nutzen Sie die neugewonnenen Räume als „Ackerland“ und „Saatfeld“, als „Spiel- und Tummelplatz“, als Übungsraum und Lernumgebung, nicht nur zur Wissensvermittlung, sondern auch zum Austausch zwischen den Lernenden jeden Alters, den Klassenstufen und den Begabungen und Fähigkeiten, von denen jede und jeder der Gemeinschaft so viel zu geben hat! Und leben Sie den Respekt, die Rücksicht auf alles, was lebt, inspiriert vom franziskanischen Geist!
Alle Kinder und Jugendlichen, die eine der vier Schulformen besucht haben, sollen noch im Rückblick sagen können, was der Legende zufolge der heilige Franziskus dem gesundgewordenen jungen Giovanni Fidanza zusprach: „Buona ventura – Welch glückliche Fügung“! - Dazu verhelfe uns Ihr Schulpatron, der heilige Bonaventura.
der Dürren und Sturmfluten und der damit einhergehenden weltweiten Migration?
Erwachsen werden heißt Verantwortung übernehmen und erwachsen sein bedeutet, sich der Verantwortung nicht entziehen können. – Wenn wir im Anschluss an diese Eucharistiefeier den neuen Bona-Campus segnen, den Sie und Ihr, liebe Angehörige der Bona-Schulfamilie, bereits seit Pfingsten mit Leben erfüllt, dann möchte ich Euch und Sie alle mit einem Blick auf die Begriffsgeschichte des lateinischen Wortes Campus ermutigen: Nutzen Sie die neugewonnenen Räume als „Ackerland“ und „Saatfeld“, als „Spiel- und Tummelplatz“, als Übungsraum und Lernumgebung, nicht nur zur Wissensvermittlung, sondern auch zum Austausch zwischen den Lernenden jeden Alters, den Klassenstufen und den Begabungen und Fähigkeiten, von denen jede und jeder der Gemeinschaft so viel zu geben hat! Und leben Sie den Respekt, die Rücksicht auf alles, was lebt, inspiriert vom franziskanischen Geist!
Alle Kinder und Jugendlichen, die eine der vier Schulformen besucht haben, sollen noch im Rückblick sagen können, was der Legende zufolge der heilige Franziskus dem gesundgewordenen jungen Giovanni Fidanza zusprach: „Buona ventura – Welch glückliche Fügung“! - Dazu verhelfe uns Ihr Schulpatron, der heilige Bonaventura.