Ehrfurcht, Trost und Dankbarkeit
Mit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine vor bald zwei Jahren hat sich die Zahl der im Bistum Augsburg lebenden ukrainischen Katholiken vervielfacht. Bischof Bertram zelebrierte in Augsburg-Kriegshaber nun die heilige Liturgie im byzantinischen Ritus - und betonte in seiner Predigt, dass die Botschaft des menschenfreundlichen Gottes aktueller sei denn je.
Im Zentrum der adventlichen Zeit stehe die Besinnung und Vorbereitung auf „something bigger“, zitierte der Bischof eingangs den norwegischen Literaturnobelpreisträger Jan Fosse, der aus dem Verlangen nach „etwas Größerem“ den Weg in die katholische Kirche fand. Die Tageslesung aus dem Kolosserbrief verdeutliche dabei die „kosmologische Dimension“ des Heilswerks Jesu Christi, das damit gemeint sei: „Jesus Christus ist der Schlüssel für ein erfülltes Leben in gelingender Gemeinschaft! An seinen Worten und seinem Handeln gilt es, Maß zu nehmen und sich zu orientieren“, betonte Bischof Bertram in der Kirche Heiligste Dreifaltigkeit in Kriegshaber, die schon seit Jahrzehnten auch von der ukrainisch-katholischen Gemeinde für ihre regelmäßige Gottesdienstfeiern genutzt wird.
Als durch dieses Heilswerk erlöste Christen gelte es, selbstbewusst aufzutreten und zugleich „Anteil zu nehmen an den Freuden und Leiden unserer Nächsten“. Umgekehrt müsse aber auch bewusst bleiben, dass es Gott sei und nicht der Mensch, der im Zentrum stehe. Der menschliche Hang zur Selbstüberschätzung und -überhöhung zeige sich dabei zum Beispiel in der zerstörerischen Ausbeutung der Natur, dem Umgang mit der Lebenswürde Anderer oder der ungehemmten Technisierung unserer Zeit. Dabei sei er aber weder ein Fortschrittsverweigerer noch ein Apokalyptiker, betonte der Bischof. Viele Neuerungen trügen unzweifelhaft zum Wohl der Menschen bei, doch müssten dabei auch immer die weiteren Auswirkungen wohl bedacht und unter Umständen auch reguliert werden: „Demut, Bescheidenheit und vor allem Gottesfurcht sind Haltungen, die es wert sind, wieder mehr entdeckt und gelebt zu werden.“
Indes zeige ein Blick in die Welt, dass die Menschheit gerade diese Tugenden allzu oft vermissen ließe. Dass diese Sehnsucht nach Menschlichkeit, Frieden und Versöhnung aber nicht bloße Träumerei bleiben müsse, sei dabei die hoffnungsvolle Botschaft des Weihnachtsfestes. Gott sei klein geworden, so dass die Menschheit groß rauskommen könne: „Was im Stall zu Bethlehem begonnen hat, kommt an kein Ende!“ Gottes Einladung an die Menschen sei dabei aktueller denn je: „Das eigene Mensch-Sein im Miteinander und Da-Sein füreinander immer mehr zu verinnerlichen und zu verwirklichen, so wie Gott selbst für uns da ist, auch und gerade in Zeiten der Krise und des Leids.“ Dafür brauche es Ehrfurcht und Dankbarkeit, die nicht als Aufgabe der eigenen Freiheit verstanden werden dürften, sondern als Offenheit für das göttliche Wort und als Vertrauen in die heilbringende Botschaft des Weihnachtsfestes: „Gott ist der Immanuel, der Gott-mit-uns!“
Bischof Bertram zelebrierte den feierlichen Gottesdienst nach dem byzantinischen Ritus gemeinsam mit Andrij Pizo und Bohdan Sabalo, die für die ukrainische griechisch-katholische Kirche im Gebiet des Bistums Augsburg als Pfarrer tätig sind. Zudem feierten der Leiter des Exerzitienhauses St. Paulus in Leitershofen Dr. Christian Hartl und der als Kaplan in der Pfarreiengemeinschaft Kriegshaber tätige Dr. Hilary Ubah den Gottesdienst mit; Dr. Hartl war noch aus seiner Zeit als Geschäftsführer des kirchlichen Osteuropa-Hilfswerks Renovabis mit der Ukraine eng vertraut, während Dr. Ubah seinerzeit gemeinsam mit Pfarrer Sabalo den Deutschkurs absolviert hatte. Die Liturgie wurde dabei auf ukrainisch und deutsch gefeiert. Zuvor hatte der Bischof noch einen Krankenwagen gesegnet, der von der ukrainisch-katholischen Gemeinde, dem Ukrainischen Verein Augsburg sowie dem deutsch-ukrainischen Verein „Wir sind hier“ gespendet wurde und demnächst seinen Dienst als Verwundetentransport an der Front bei Saporischschja aufnehmen soll. Im Anschluss an die Gottesdienstfeier gab es für die zahlreich anwesenden Kinder noch eine freudige Überraschung, als der heilige Nikolaus sie mit süßen Geschenken bedachte.
Die Heilige Liturgie nach Johannes Chrysostomos ist die Hauptliturgie der östlichen Kirchentradition, zu der die ukrainische griechisch-katholische Kirche gehört. Der Altar wird dabei gewöhnlich durch eine Ikonostase vom Kirchenraum abgetrennt; in Heiligste Dreifaltigkeit werden dazu große Ikonen links und rechts des Altars aufgestellt. Die Gottesdienstfeier ist stark vom gesungenen Gebet und Gotteswort geprägt.
Die Ukrainische griechisch-katholische Kirche ist die größte der mit dem Papst unierten Ostkirchen. Ihre rund sechs Millionen Mitglieder leben vor allem im Westen der Ukraine, wo sie in der Gegend um Lwiw und Iwano-Frankiwsk die Bevölkerungsmehrheit stellen. In Deutschland werden sie durch das Apostolische Exarchat Deutschland und Skandinavien betreut, das seit Kriegsbeginn auf rund 150.000 ukrainische Katholiken angewachsen ist. Die Augsburger Kirchengemeinde feiert bereits seit 1946 ihre Gottesdienste in der Kirche Heiligste Dreifaltigkeit in Kriegshaber.