„Einen Kirchenraum bewohnbar machen“
Die Pfarrei St. Peter und Paul in Genderkingen kann sich seit dem heutigen Samstag über einen neuen Altar und Ambo in ihrer Pfarrkirche freuen. Bei einem feierlichen Pontifikalgottesdienst weihte Bischof Dr. Bertram Meier das von Künstler Gerhard Nerowski gestaltete Altarensemble und erinnerte dabei an besondere Orte, die als „Tore des Himmels“ auf ein „Mehr“ hinter allem Sichtbaren verweisen.
In seiner Predigt ging Bischof Bertram auf den Lesungstext näher ein. Wie der Stammvater Jakob in seiner Traumvision einer „Himmelsleiter“ das Haus Gottes und das Tor des Himmels als ehrfurchtsgebietenden Ort erkannt habe, so sei dies ein Erlebnis, welches das menschliche Leben seit je her präge. „Wann, frage ich Sie, haben denn wir selbst eine vergleichbare Erfahrung gemacht?“, wandte sich der Bischof an die Gläubigen und erzählte von einem Zeltlager-Erlebnis in seiner eigenen Pfarrjugendzeit, das mit Lagerfeuer und Sternenhimmel in ihm ein Gefühl der Geborgenheit und des Abenteuers erzeugt habe.„Gemeinsam staunen über die Schönheit der Natur, still werden und spüren, dass da mehr ist als nur das Sichtbare, dass die Welt durchsichtig wird auf DEN, der sie geschaffen hat“, verbinde Menschen wortlos untereinander und schaffe Momente, die sehr lange im Gedächtnis blieben, betonte der Bischof. Würden Menschen solche Augenblicke heute als kostbaren Schatz aufbewahren, der in schweren Zeiten Kraft gebe, so hätten Gläubige früher an solchen Orten ein Kreuz, einen Bildstock oder eine Kapelle errichtet. Denn schon immer, so Bischof Bertram, hätte der Mensch Orte gebraucht, an denen er mit Gleichgesinnten zu Gebet und liturgischer Feier zusammenkommen konnte. „In fast allen Religionen finden wir daher Gotteshäuser und ‚Tore des Himmels‘ – umbaute Plätze, die herausgehoben sind aus dem Alltag, Kirchen, in die ich eintrete, um den Verkehrslärm hinter mir zu lassen, Räume, die meinen Gedanken Sammlung und meinem Leben wieder eine Richtung geben.“
Dass im Tabernakel Christus unter der Gestalt des Brotes wohne und das Ewige Licht Zeichen sei für seine Gegenwart, wüssten nicht nur wir als Katholiken. Auch Kinder und Nicht-Christen würden die Besonderheit des Altarraums spüren, betonte der Bischof und verwies dabei auf ein Erlebnis von Edith Stein, welches sie vor ihrer Taufe im Frankfurter Dom gemacht habe. Sie habe eine betende Frau gesehen, die in die menschenleere Kirche kam wie zu einem vertrauten Gespräch mit einem Freund. „Solche Erlebnisse sind es, die wir als unscheinbaren Fingerzeig Gottes deuten können und die doch eine große Wirkung entfalten können“, so der Bischof.
„Ich freute mich, als man mir sagte, zum Haus des Herrn wollen wir gehen“, zitierte Bischof Meier einen Psalmvers Edith Steins vor ihrem Eintritt in den Karmel und verglich dies mit Erinnerungen, die die Genderkinger in „ihrer Pfarrkirche“ in der Vergangenheit gemacht hätten. „Es ist gut, sich heute bei der Altarweihe einmal mit allen zu verbinden, die hier seit über tausend Jahren Freud und Leid, Verzweiflung und Hoffnung, Angst und dankbare Erleichterung vor Gott gebracht haben. Sie sind nicht tot, auch wenn wir nur noch eine Handvoll Namen kennen – denn im Glauben vertrauen wir darauf, dass jeder einzelne Mensch bei Gott unvergessen ist.“
Eine Altarweihe bedeute, einen Kirchenraum bewohnbar zu machen. Dies gelinge erst, wenn man es schaffe, sich darin zu orientieren, griff Bischof Meier einen Spruch des italienischen Architekten Mario Botta auf. „Ja, auch hier ist das ‚Haus Gottes‘ und wir sind seine Gäste. Wir sind da, um uns neu zu orientieren und ihm, dem Licht unseres Lebens, der aufgehenden Morgensonne zuzuwenden“, richtete er sich schließlich mit einer Bitte an die Gläubigen: „Bewohnen Sie, liebe Genderkinger, diesen Kirchenraum? Ich wünsche es Ihnen, dass er Ihnen immer lieber wird, gerade jetzt, wenn ein neuer Altar die Bedeutung dieses Ortes hervorhebt.“ Dieser, so Bischof Meier, werde durch die Salbung herausgenommen aus dem funktionalen Alltag. „Er ist nicht mehr irgendein Steinblock in Tischform, sondern wird geweiht ausschließlich zum liturgischen Dienst, zur Feier der Eucharistie.“
Nach der Predigt vollzog Bischof Bertram die feierliche Altarweihe, in welcher zunächst die Reliquien der heiligen Anna Schäffer sowie vom seligen Carlo Acutis im Altar beigesetzt wurden. Nach Anrufung der Heiligen Gottes besprengte Bischof Bertram den Altar mit Weihwasser, salbte ihn und verbrannte Weihrauch in der Mitte und an seinen vier Ecken. Mit Auflegen der Altartücher und Entzünden des Altarlichts an der Osterkerze vollendete er die Weihe mit der ersten Eucharistiefeier am neuen Altar.
Das feierliche Pontifikalamt endete mit einer besonderen Auszeichnung: Bischof Bertram überreichte dem langjährigen Kirchenpfleger von Genderkingen sowie Mitglied im Diözesansteuerausschuss, Rudolf Hirschbeck, das silberne Ulrichskreuz. Mit diesem bedankte er sich für seine wertvollen Dienste in beiden Gremien.
Die katholische Pfarrkirche St. Peter und Paul wurde nach mehreren Jahren des Kriegs und der Zerstörung zwischen 1750 und 1755 neu erbaut und zählt zu den ältesten Kirchen in Schwaben. Ihrem schlichten Äußeren steht eine kunstvolle Innenausstattung im Stil des Rokokos gegenüber. Hochwertige Fresken von Johann Baptist Enderle schmücken das gesamte Innere der Kirche, die deshalb oft auch als „nordschwäbisches Schmuckkästle“ bezeichnet wird. Die Fresken in der Genderkinger Pfarrkirche bilden eines der ersten Werke in Enderles künstlerischer Schaffenszeit.