Flüchtlingshilfe in einer Augsburger Pfarrei
Gespräch mit Timothy Stuart Yeo, Vorsitzender des Pfarrgemeinderats von St. Anton, Augsburg, über das Engagement der Pfarrgemeinde zugunsten von Asylanten und Flüchtlingen
Vorab ist festzuhalten, dass die Aktivitäten innerhalb der Pfarrgemeinde entscheidend von dem hohen Engagement des Pfarrgemeinderatsvorsitzenden Timothy Stuart Yeo abhängen. Er befasst sich mit Kriegsflüchtlingen und Asylanten bereits seit 2006, als in seinem Gemeindegebiet vorwiegend Hilfesuchende aus Sierra Leone in Heimen untergebracht wurden. Da Englisch seine Muttersprache ist, stand er und steht er ihnen bis heute als Dolmetscher und Begleiter bei Behördengängen, bei Arztterminen, beim Jobcenter und bei Gericht bei. Seiner Initiative ist es zu danken, wenn in der Pfarrgemeinde (teilweise auch zusammen mit benachbarten Pfarrgemeinden)
Helferkreise gebildet wurden
ein monatliches Café-Contact durchgeführt wurde
Kinderkleidung für die Betroffenen gespendet wurde
Geschenke und Kleiderspenden zu die Betroffenen gebracht wurden
Deutschkurse, Einzelunterricht und eine Konversationsgruppe eingerichtet wurden, auch speziell für Mütter mit Kindern
nachmittägliche Hausaufgabenbetreuung für Kinder aus den Übergangsklassen der benachbarten Grundschule übernommen wurde
Kinderbetreuung für die Geflüchteten ermöglicht wurde
Computerkurse für sie angeboten wurden
Behördenbegleitung organisiert wurde
bei Wohnungssuche und Berufsvermittlung geholfen wurde
über 100 Fahrräder gespendet wurden, eine Fahrradwerkstatt mit Ersatzteilen zur Verfügung gestellt wurde, in der die Asylanten für sich und für andere Fahrräder reparieren – auch als Einstieg in berufliche Tätigkeiten
Fahrradtouren mit Ausländern und Einheimischen durchgeführt wurden sowie ein jährliches Fußball-Turnier und andere Aktivitäten der Sportvereine vermittelt wurden
christliche Geflüchteter beim Missionstag der Pfarrgemeinde (Musik, Kochen, Tänze usw.) mitwirkten.
Seine Ratschläge, wie man die gelingende Integration der Asylanten und Flüchtlinge unterstützen kann, sind:
Einfach helfen ohne Ansehen der Person!
Respektvoll und auf Augenhöhe miteinander umgehen!
Ihnen bei der Anpassung an die neue Umgebung helfen!
Sich auf das konzentrieren, was allen Menschen gemeinsam ist und was sie verbindet, und nicht immer nur auf das, was trennt!
Persönliches Kennenlernen der Geflüchteten baut Ängste und Vorurteile auf beiden Seiten ab! Vor allem ältere Gemeindemitglieder haben hier eine große Hemmschwelle. Positive menschliche Erfahrungen mit den Geflüchteten sind das Wichtigste. Auf dem Land geht das allerdings leichter als in der Stadt.
Die Asylanten bei Aktionen und Feiern der Pfarrgemeinde einladen und bei deren Vorbereitung mithelfen lassen! Das fördert ihr Selbstwertgefühl und das Gefühl, etwas zu können, das anerkannt wird.
Mit Geflüchteten, die Christen sind, religiöses Brauchtum und religiöse Veranstaltungen in der Pfarrgemeinde gemeinsam durchführen.
Den Geflüchteten den Stadtteil und die Stadt zeigen, damit sie mehr kennen als nur ihre Unterkunft, ihre Wohnung, die städtischen Ämter oder ihre Freunde aus der eigenen Sprachgemeinschaft.
Wichtig ist, dass die Helfer mit den Institutionen vor Ort Kontakt aufnehmen, die mit den Problemen der Flüchtlinge und Asylanten befasst sind (z.B. Tür-an-Tür, Härtefall-Kommission, Caritas, SOS-Kinderdorf, BIB)
Bei mangelndem Interesse seitens der Flüchtlinge und Asylanten einfach nicht aufgeben!
Im Gespräch machte Herr Yeo auch auf einige Schwierigkeiten bei der Arbeit mit den Geflüchteten aufmerksam. In den Pfarrgemeinden ist der Anfangselan bei der Flüchtlingshilfe z.T. erlahmt. Das hat auch damit zu tun, dass viele der Geflüchteten den Einzugsbereich der Pfarrgemeinde inzwischen wieder verlassen haben und dass seitens der Muslime (außer bei solchen aus Sierra Leone) teilweise eine aggressive Abgrenzung praktiziert wird. Zuwanderer muslimischen Glaubens trauen sich manchmal nicht, sich christlichen Gruppen anzuschließen. Erschwerend wirkt sich auch aus, dass die Kirchengemeinden wegen Kirchenaustritten immer kleiner werden und vorwiegend alte Menschen am kirchlichen Leben teilnehmen, die aber meist Angst vor den Fremden aus ihrer Wohnumgebung haben; gleichzeitig fehlt es an Priestern, Diakonen und angestellten Gemeindehelfern, die hier Initiativen ergreifen könnten. Vorbehalte gibt es manchmal sogar gegenüber den arabischen Christen, die im Gemeindegebiet leben (z.B. Chaldäer), zumal sie von eigenen Priestern betreut werden.
Das Gespräch fand am 16.2.2018 statt.
Es berichtet Werner Wiater, Mitglied des Sachausschusses „Schule, Erziehung und Bildung“ im Diözesanrat der Katholiken im Bistum Augsburg.