„Gemeinsames Bankett des Glaubens“
Das diese Woche in Augsburg stattfindende 40. internationale Bischofstreffen der überkonfessionellen Fokolar-Bewegung steht unter dem Stern eines besonderen Jubiläums: 1999 und damit vor fast genau einem Vierteljahrhundert wurde in der Augsburger Annakirche die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre unterzeichnet, mit der die Römisch-katholische Kirche und der Lutherische Weltbund einen ökumenischen Meilenstein setzten.
In einer Podiumsdiskussion im Haus Sankt Ulrich betonte Bischof Bertram, dass trotz der bemerkenswerten Errungenschaften der gemeinsamen Erklärung in der Ökumene nach wie vor viel zu tun und der damalige Elan in mancher Hinsicht sogar erschlafft sei: „Auch nach 25 Jahren ist mancher Traum noch nicht in Erfüllung gegangen“, sagte er im Gespräch mit dem damaligen evangelisch-lutherischen Regionalbischof von Augsburg Ernst Öffner sowie dem früheren Generalsekretär des Lutherischen Weltbunds Ishmael Noko als einem der Unterzeichner der Erklärung. Bischof Bertram leitete damals die deutschsprachige Abteilung im vatikanischen Staatssekretariat und konnte vor diesem Hintergrund über die vatikanische beziehungsweise katholische Rezeption des ökumenischen Textes sprechen.
Doch auch wenn in mancher theologischer wie praktischer Hinsicht noch viel zu tun sei, habe die Erklärung doch ermöglicht, Jesus Christus als eigentlichen Kern alles christlichen Glaubens und Tuns wieder in den gemeinsamen Mittelpunkt zu rücken. Auch wenn der evangelische Wunsch nach einer gemeinsam gefeierten Eucharistie wohl noch weit von einer Umsetzung entfernt sei, habe sich in anderen Bereichen wie etwa dem Religionsunterricht oder der kategorialen Seelsorge ein „lebendiges ökumenisches Feld“ entwickelt, so der Bischof. Und auch wenn die gemeinsame Altarfeier noch nicht stattfinden könne, so sei für ihn doch sicher, dass im Himmel bereits jetzt ein „gemeinsames Bankett des Glaubens“ aller christlichen Gläubigen gefeiert werde.
Den Auftakt der Beschäftigung mit dem Jubiläum bildete ein gemeinsames Gebet in St. Anna als dem Ort, an dem die Gemeinsame Erklärung damals unter den Augen der Weltöffentlichkeit unterzeichnet und verabschiedet wurde. Der dortige Pfarrer und evangelische Stadtdekan Frank Kreiselmeier betonte dort auch, dass die Ortswahl damals kein Zufall gewesen sei. Bereits 1518 hatte Martin Luther hier genächtigt, als er seine Thesen in Augsburg vor dem Reichstag verteidigen musste; zudem gehört zur evangelischen Annakirche eine katholische Kapelle, die schon seit Jahrhunderten seitens der Fugger als Grablege und für regelmäßige Messfeiern genutzt wird.
Und bei aller Verschiedenheit sei es doch auch diese gemeinsame Geschichte, die die christlichen Kirchen miteinander verbindet, betonte Ernst Öffner am Folgetag im Haus Sankt Ulrich und erzählte, dass er damals einige Zeit vor der Unterzeichnung mit Ishmael Noko bewusst in die Krypta von St. Ulrich und Afra hinabgestiegen sei, um an den Gräbern der Augsburger Bistumsheiligen diese Tradition noch einmal bewusst werden zu lassen. Denn für ihn wie auch die in Augsburg versammelten Fokolar-Bischöfinnen und Bischöfe sei klar: Das christliche Miteinander gehe nicht nur inhaltlich „in die Tiefe, sondern auch in die Tiefe der Geschichte.“
Zum Hintergrund:
Die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ wurde am Reformationstag 1999 von Vertretern der Römisch-katholischen Kirche und des Lutherischen Weltbundes in der Augsburger St. Anna-Kirche unterzeichnet. In ihr werden verschiedene Lehrverurteilungen der beiden Konfessionen aus dem 16. Jahrhundert zurückgenommen und ein „Konsens der Grundwahrheiten“ in der Rechtfertigungslehre festgestellt. Unter diesem Fachbegriff versteht die Theologie die Frage danach, wie das durch Sünden belastete Verhältnis zwischen Mensch und Gott wieder bereinigt werden kann. Die Rechtfertigung war einer der Hauptstreitpunkte der Reformationszeit. Seit 1999 sind zahlreiche weitere protestantische Kirchen der Erklärung beigetreten.
Die Fokolar-Bewegung gehört zu den neuen geistlichen Aufbrüchen, die in den letzten 80 Jahren in den christlichen Kirchen entstanden sind. Ihre Ursprünge gehen auf das Jahr 1943 in Trient zurück. Mittlerweile ist die Bewegung in mehr als 180 Ländern der Welt vertreten. Weltweit zählt sie rund 140.000 Mitglieder, schätzungsweise drei Millionen Menschen stehen mit ihr in Verbindung. Christen aus 350 verschiedenen Kirchen und ca. 7.000 Gläubige nicht-christlicher Religionen fühlen sich ihr zugehörig.
Seit 1977 treffen sich auf Anregung des verstorbenen Aachener Bischofs Klaus Hemmerle Bischöfe, die der Fokolar-Bewegung nahestehen. Ziel dieser Tagungen ist der geistliche Austausch und die geschwisterliche Begegnung unter Bischöfen. Geistliche Impulse kommen dabei aus der Spiritualität der Fokolar-Bewegung. Wichtiges Anliegen ist den Bischöfen, die „Spiritualität der Gemeinschaft“, die Papst Johannes Paul II. mehrfach als Basis für das Leben des Volkes Gottes in den Mittelpunkt gestellt hatte, fruchtbar werden zu lassen und einander im Austausch über die persönlichen Erfahrungen zu ermutigen.