Georg Fetsch: „Die Stimme in meinem Inneren“
(Peißenberg) Die Region Weilheim-Schongau: Saftige Wiesen. Pferde- und Kuhweiden. Straßen ohne Mittelstrich. Hier lebt seit nunmehr 14 Jahren Pfarrer Georg Fetsch, der Ende 2013 zum Dekan ernannt wurde. Dem Seelsorger, der sich selbst als individuell, sensibel und umgänglich beschreibt, ist dabei wichtig, unkompliziert mit anderen Kirche zu gestalten.
Der geborene Augsburger, dem man trotz der vielen Jahre im Pfaffenwinkel die schwäbische Herkunft immer noch deutlich anhört, hat nach der Realschule eine Laufbahn als Großhandelskaufmann eingeschlagen. Nach 14 Jahren in der Branche hat er einen Umbruch eingeläutet und ist mit 30 Jahren in das Spätberufenenseminar St. Lambert bei Trier eingetreten. Warum? Das kann er noch heute recht einfach runterbrechen: „Die Tiefe hat mir gefehlt. Und ich habe gespürt, dass das noch nicht alles war.“
Und tatsächlich ist es ihm ein wichtiges Anliegen, sensibel und offen auch religiöse Empfindungen wahrzunehmen. Seine eigene Berufung beschreibt er daher auch als eine „Stimme, die in einem drin ist, die nicht lockerlässt“. Der 54-Jährige betont: „Noch heute höre ich diese Stimme.“
Vom Studenten zum Dekan: Der Weg eines Pfarrers
Am 25. Juni 2006 erhielt er schließlich die Priesterweihe. Sein Weg führte ihn zunächst nach Aichach, wo er als Stadtprediger wirkte. 2010 kam er als Pfarrer in die Pfarreiengemeinschaft Huglfing, die auch im Dekanat Weilheim-Schongau liegt. Kurz darauf wurde er Prodekan. Als 2013 dann das Dekaneamt und die Pfarrstelle in der PG Peißenberg/Forst vakant wurde, übernahm er kommissarisch auch die Nachbargemeinden. Am 4. Dezember teilte ihm der Generalvikar die Ernennung zum Dekan mit. Er selbst sieht darin ein Zeichen, denn dieser Tag ist auch der Gedenktag der heiligen Barbara, der die Kirche im Peißenberger Ortsteil Wörth geweiht ist und in der er einst auch ein Gemeindepraktikum absolvierte.
So war es dann auch ein konsequenter Schritt, aus dem ländlich geprägten Huglfing 2014 ganz in die größere Marktgemeinde zu wechseln. Lachend meint er: „Erst später habe ich festgestellt, dass das vermeintlich Städtische hier auch gar nicht so städtisch ist.“ Und tatsächlich ist Peißenberg mit seinen 12.000 Einwohnern nicht gerade eine Großstadt. Der dichte Verkehr zwischen dem 1911 errichteten schmucken Pfarrhaus und der Kirche auf der anderen Straßenseite erweckt aber eher den gegenteiligen Eindruck.
Das Dekanat Weilheim-Schongau in Kürze:
- Größe: umfasst 8 Pfarreiengemeinschaften und 3 Einzelpfarreien, 43.300 Katholiken
- Gebiet: entstand 2012 als Zusammenschluss der Dekanate Weilheim und Schongau, beide sind räumlich voneinander getrennt
- Highlights: Wieskirche, Basilika Altenstadt, Welfenmünster Steingaden
- Prodekan: Martin Weber (Polling)
Zwischen Glaube und Gemütlichkeit: Das Leben des Dekans Fetsch
Privat mag er es lieber gemütlich. Gerne macht er kleinere Ausflüge in die Berge, Spaziergänge zu verschiedenen Seen oder Schifffahrten. Sportlicher geht es jedes Jahr im November zu, wenn Dekan Fetsch an den Leonhardiritten in der Gegend teilnimmt. Stolz zeigt er die Plaketten in seiner Küche, die seine Teilnahme nachweisen. Die Pferde bekommt er gestellt, dennoch kommt das Tierische in seinem Haus nicht zu kurz. Schnell fällt dem Beobachter das Schild auf: „Katze bitte nicht raus lassen. GF.“ Und tatsächlich ist gerade das obere Stockwerk, wo die Wohnung liegt, das Reich von Katze Maja. Die Kombination aus barocken Kruzifixen, Heiligenstatuen und Kratzbäumen für Katzen prägt seine gemütlich eingerichtete Wohnung. Beide Elemente gehören fest zu Fetschs Leben. Trauriger wird er, als er von Majas Vorgänger erzählt, der von einem Auto überfahren wurde. Ein mitfühlendes Pfarrgemeinderatsmitglied hat ihm daraufhin eine neue Katze vermittelt, die aber nicht mehr ins Freie darf: „Dann muss ich keine Sorgen haben, dass ihr was passiert. So lebt sie sicherer.“
Stolz berichtet er auch von seinen neuentwickelten Kochfertigkeiten in der japanischen Küche. Um seinen Horizont zu erweitern, hat er aus einer spontanen Eingebung heraus eines Tages ein passendes Kochbuch gekauft. Aber auch den geistigen Horizont vieler Weilheim-Schongauer versucht er zu erweitern. Für den örtlichen Kreisboten hat er beispielsweise von 2014 bis 2023 eine wöchentliche religiöse Kolumne verfasst. Bescheiden berichtet er davon, dass die Beiträge sogar in Buchform abgedruckt wurden. Noch heute erscheinen neue Texte wöchentlich auf der Pfarreihomepage.
Zwischen Mission, Berufung und familiärer Verbundenheit
Außergewöhnlich ist Fetschs enge Verbindung zu Familienangehörigen, die in der Mission tätig waren. So wirkte ein Großonkel als Missionsbenediktiner in Tansania, eine Tante in Brasilien. Ihre Arbeit bewundert er sehr, wenngleich ein Leben auf einem anderen Kontinent nichts für ihn ist. Ein entsprechendes Angebot hat er abgelehnt. Motiviert, seiner eigenen Berufung nachzugehen, hat es ihn trotzdem. Übernommen hat er auch die monastische Spiritualität. Zeiten der Einsamkeit und der Besinnung sind ihm wichtig. Genauso wichtig ist ihm auch sein Primizgewand, das ihm damals seine todkranke Mutter gestiftet hat. Drei Tage vor seiner Weihe ist sie verstorben. Der Glaube an den Auferstandenen verbindet beide, weshalb die Kasel auch ein goldenes Osterlamm zeigt.
Auf seinem Schreibtisch steht ein Bild des heiligen Charles de Foucauld, der als Eremit in der algerischen Wüste gelebt hatte und im Ersten Weltkrieg von einer islamischen Bruderschaft ermordet wurde. Fetsch ist beindruckt von dessen Einfachheit den Glauben zu leben, ohne groß nach außen hin aufzutreten. Aber auch sein Namenspatron, der heilige Georg, ist ihm aufgrund seiner Wehrhaftigkeit ein wichtiger Begleiter. Auch seine beiden Lieblingsbibelstellen kann er direkt benennen: „Kommt alle zu mir, die ihr schwere Lasten zu tragen habt“ (Mt 11,1) und „Seht, ich mache alles neu“ (Offb 21,5a). Er selber hat schon viel Kraft aus dem Glauben heraus erfahren.
„Ja, mei": Realismus als Grundhaltung
Dekan Fetsch arbeitet gerne mit Menschen: „Ich kenne nichts Anderes, wo ich diesen Lebenssinn finden kann.“ Gleichzeitig machen ihm die unnötigen Reibungspunkte im zwischenmenschlichen Bereich zu schaffen. Typisch für ihn ist daher auch die Formulierung „ja, mei“, mit der er gerade bei schwierigen Themen eine gewisse Lässigkeit ausdrückt. Als Pfarrer könne man auch einfach nicht jeden Menschen erreichen: „Man muss sich nicht erhoffen, dass alle Hurra schreien, wenn man kommt.“ Er freut sich aber immer, wenn ein respektvoller Umgang eine unkomplizierte Zusammenarbeit ermöglicht. Während er an seinem Club Mate nippt sagt er: „Wenig anfangen kann ich mit autoritären Verhaltensweisen, das würde nicht zu meinem Wesen passen.“
Er ist auch hoffnungsvoll, was die Zukunft der Kirche angeht. Gottes Botschaft habe Macht, gerade auch im Kleinen. Und wenn es ein Motto gibt, das sein Denken und Handeln annährend zusammenfasst, ist es sein Primizspruch: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“ (Joh 6,68)
Text und Fotos: Leander Stork
Februar 2024
Hintergrund:
Nach der coronabedingten Unterbrechung des Formates erscheinen ab sofort wieder regelmäßig neue Portraits unserer Dekane. Die anderen Texte aus dieser Reihe finden Sie ebenfalls auf unserer Homepage.