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Wichtiges
Predigt im Rahmen der Pontifikalmesse in St. Mang zum Magnusfest in Füssen

„Großes fängt klein an“

07.09.2025

Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst, lieber Pfarrer Frank Deuring, liebe Schwestern und Brüder in Christus! Der Sommer hatte es in sich: hohe Temperaturen im Wechsel mit starken Regenfällen! Sie, liebe Füssener, die Sie nah an den Bergen wohnen, kennen diese Wetterwechsel; für Augsburg war es doch etwas ungewöhnlich.

Während uns dieses Wechselspiel herausfordert, prophezeien Experten, dass es einem Lebewesen besonders zuträglich ist: einem kleinen Tier, das uns ungemein lästig, ja gar überflüssig erscheint: die Stechmücke. Ich weiß nicht, ob Sie diesen Sommer schon unliebsame Bekanntschaft gemacht haben - Landstriche mit Gewässern gelten ja bei Mücken als besonders beliebt. Wir können davon ausgehen, dass sich derartige Insekten auch schon im achten Jahrhundert am Lechufer aufhielten. Und noch jemanden hätten wir dort angetroffen: Der Einsiedler Maginold aus St. Gallen ließ sich im 8. Jahrhundert am Lech bei Füssen nieder. Gut möglich, dass auch ihm die ein oder andere „Schnake“ lästig war. Aber nicht nur mit den kleinen Blutsaugern konnte er es auf sich nehmen, auch von Schlangen, Bären und selbst von einem Drachen ließ er sich nicht aufhalten. Es ist der Legendenhaftigkeit der Geschichten um den hl. Magnus geschuldet, dass die bedrohliche Tierwelt, mit der es der Heilige aufnahm, als Symbol für den Unglauben seiner Zeit gedeutet wird. Legen wir das ruhig großzügig aus: der hl. Magnus - ein Bezwinger von Widrigkeiten aller Art!

Die meisten von uns müssen wohl nicht lange überlegen und können eine Liste an Dingen aufzählen, die das Leben schwermachen: angefangen von immer neuen bürokratischen Hürden, die einen überfordern und zeitaufwendige Bearbeitung einfordern, über einzelne Mitmenschen, die unser Nervenkostüm gewaltig strapazieren, bis hin zu existentiellen Schicksalsschlägen, Krankheit und Tod, denen wir uns stellen müssen. In einem einzigen Menschenleben ist meist alles Mögliche dabei, was sich als Widrigkeit bezeichnen ließe. Und nicht nur außen, sondern auch in uns entdecken wir so manches, wogegen wir zu kämpfen haben. Als Jüngerinnen und Jünger Christi unterwegs sein ist kein Spaziergang. Jesus zeigt das im heutigen Evangelium auf, wenn er seine Jünger mit scheinbar leeren Händen, ohne Sicherheiten und Proviant losschickt.

Unser irdischer Pilgerweg ist kein gemütlicher Sonntagsausflug, sondern ein Weg, den wir nicht alleine gehen müssen! An einem Festtag wie heute darf deutlich werden, dass wir himmlischen Beistand erhalten. Nicht selten ist ein Heiliger auf Grund seiner Lebensgeschichte für bestimmte Anliegen zuständig; so ist der hl. Magnus nicht nur der Schutzpatron des Allgäus, er wird auch im Kampf gegen Ungeziefer angerufen. Vertrauen wir uns seiner Fürsprache an: angefangen von den kleinen und lästigen Störenfrieden unseres Alltags bis hin zu den wirklich lebensbedrohlichen Gefahren. Bitten wir um Schutz, aber auch um die Gabe, den jeweils rechten Umgang mit den Dingen zu finden, die unser Leben (scheinbar) negativ beeinträchtigen.

Heilige sind nicht nur Fürsprecher, sondern sind uns auch Vorbild. So will ich mit Ihnen heute Abend noch einen näheren Blick auf das Lebenszeugnis des Allgäuer Schutzpatrons werfen: Maginold wird „der Große“ genannt, lateinisch Magnus. Dieser Name wird ihm von außen zugesprochen - für das, was er tat und wie er dabei auf die Menschen gewirkt hat. Sein Name zeugt von Größe und Kraft. Woher rührt diese Stärke? Wenn wir nachher durch die Stadt ziehen, werden wir neben einer Reliquie des hl. Magnus auch den sog. Magnusstab mitführen. Der Legende nach erwies sich der Stab des Heiligen als das geeignete Werkzeug, um sich vor den Gefahren zu schützen, die ihm auf dem Weg auflauerten. Ein Stab als Wunderwaffe – erinnert uns das nicht an das Alte Testament? An den Stab des Mose, mit dem er Wasser aus dem Felsen hervorquellen ließ und das Meer zerteilte, so dass das Volk Israel trockenen Fußes hindurchziehen konnte. Der Stab des Mose – er steht für die von Gott gegebene Autorität. Auch im Bericht des Evangelisten Markus taucht dieses Attribut auf. Wenn Jesus seine Jünger auf Mission schickt, dann mit nichts außer einem Wanderstab und mit Macht über die unreinen Geister (vgl. Mk 6,7.8). Es ist Kraft, ja mehr noch, es ist Vollmacht, die Gott denen verleiht, die in seinem Auftrag unterwegs sind. So bezeugt der Name des großen Allgäuer Heiligen nicht nur dessen eigenen Mut, sondern „Magnus“ verweist auf den Größten überhaupt, auf Gott.

Er

hat Magnus befähigt, eindrucksvoll und glaubhaft zu wirken. Und er will auch uns stark machen, unseren Glauben authentisch zu leben und in der Welt von heute zu bezeugen.

Es sind sagenhafte Heldentaten, die wir mit dem Allgäuer Heiligen verbinden; und doch können wir von ihm lernen, dass wir klein anfangen müssen. Wer den Prachtbau des ehemaligen Klosters St. Mang dem Heiligen direkt zuschreibt, überspringt ein paar Schritte. Die Klostergründung des hl. Magnus bestand erstmal nur aus einer Zelle. Im Laufe der Jahre entwickelte sich dadurch ein bedeutsames Zentrum.  Das heißt: Großes – wie das Reicht Gottes - beginnt oft im Kleinen. Es ist gut, hehre Ziele zu haben. Ich möchte Sie ermutigen, groß von Gott zu denken und sich selbst was zuzutrauen, aber Demut und eine gesunde Portion Realismus gehören immer dazu! Auch der hl. Magnus war trotz aller sagenhaften Zuschreibungen wohl kein abgehobener Held. Dass er mit dem regionalen Abbau von Eisenerz in Verbindung gebracht wird, zeugt von seiner wohlwollenden Fürsorge für sein Umfeld. Er wusste nicht nur gegen Drachen zu kämpfen, sondern nahm sich offenbar auch der existentiellen Bedürfnisse der breiten Bevölkerung an.

So ist es nur folgerichtig, dass er von den Allgäuern seit mehr als 1.000 Jahren verehrt wird. Das Todesjahr kann nicht genau ermittelt werden (zwischen 750 und 772 n. Chr.), aber wir wissen, dass seine Gebeine keine 100 Jahre nach seinem Tod „erhoben“ wurden; ein Akt, der der Heiligsprechung gleichkommt. Magnus hat seine ewige Heimat schon gefunden. Als Christen sind wir heute individuell herausgefordert, dieses letzte Ziel nicht aus dem Blick zu verlieren. Vieles drängt sich täglich zwischen uns und Gott; die Terminkalender sind voll - mit Lästigem, aber auch Vergnüglichem, so dass der Herrgott leicht ins Hintertreffen gerät.

Mir ist nicht entgangen, dass Sie den Besuchern Ihrer Website ein großes Willkommensschild entgegenhalten. Der hl. Magnus hat die einladende Geste im Voraus angenommen. Er hat hier Heimat gefunden. Und es liegt an uns Kirchgängern – vom Bischof bis zum Kommunionkind, dass viele unserer Mitmenschen heute wieder neu Heimat in der Kirche finden. Wenn wir nachher mit Kerzen durch die Stadt ziehen, dann bitte ich Sie: Tun sie es selbstbewusst und mit Freude! Unsere kleinen Lichter sollen auf Christus aufmerksam machen, der das Licht ist, das auch die größte Dunkelheit durchbrechen kann. Jede/r einzelne, der heute hier ist, trägt dazu bei, dass es trotz aller Widrigkeiten, die das Leben birgt, hell bleibt in Füssen.

Wie oft mag der hl. Magnus wohl von seiner Allgäuer Heimat aus auf den Lech geblickt haben? Ein Fluss steht für Wandel und Kontinuität zugleich: Wasser bewegt sich stetig fort und folgt doch festen Bahnen, die seinen Lauf führen. Die Pfarreiengemeinschaft Füssen hat verantwortungsvolle Schritte gesetzt, auf neue Gegebenheiten zu reagieren. Ein Jahr ist es her, dass ich den letzten Gottesdienst in der Kirche „Zu den Acht Seligkeiten“ gehalten habe. Dann wurde sie rückgebaut. Das Abreißen eines lieb gewonnenen Gebäudes ist ein fordernder Schritt, den sie gewagt haben. Und wie gesagt - der Aufbau von Neuem beginnt oft im Kleinen! Ich wünsche Ihnen, dass die Flamme der Hoffnung, die sie auf diese Spur geführt hat, nicht erlischt. Auch dann nicht, wenn Widrigkeiten auftauchen. Schließlich lautet die grundlegende Erfahrung des Christentums: Ohne Kreuz keine Auferstehung. Hinter mancher Widrigkeit versteckt sich die Süßigkeit. Selbst die Mücke zeigt uns das: so lästig sie uns ist, ist sie doch von enormer Bedeutung für uns, für das gesamte Ökosystem. Wir würden ihr Fehlen sogar sehr bedauern, da es mitunter zu ihren Aufgaben gehört, die Kakaopflanze zu bestäuben: ohne Mücke keine Schokolade! Widrigkeiten sind nicht automatisch ein Zeichen von Gottesferne, ganz im Gegenteil, oft gehen sie mit den Wegen Gottes einher. Das Lebensbeispiel des hl. Magnus lehrt uns, dass wir uns davon nicht unterkriegen lassen. Er stehe Ihnen allen bei, wenn Sie mutig vorangehen auf der Pilgerreise Ihres Lebens!