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Inklusion - Vom ‚Ich-Denken’ zum ‚Wir-Denken’: Vertreter der Bundesvereinigung Lebenshilfe und Weihbischof Dr. Dr. Anton Losinger besuchen Gedenkstätte "Kloster Irsee"

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30.04.2013

Augsburg (pba). Während der Zeit des Nationalsozialismus war Irsee einer der Orte, an denen im Rahmen der Euthanasiemorde - Aktion T4 - grauenvolle Verbrechen an Behinderten begangen wurden. Dort haben sich gestern Vertreter der Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V. und Weihbischof Dr. Dr. Anton Losinger zum Austausch und Gespräch über das Thema Behindertenpolitik getroffen.

„Die Patientenmorde gehören zum kollektiven Gedächtnis unserer Nation. Gerade Gedenkstätten wie Irsee tragen dazu bei, dass wir diese schrecklichen Verbrechen nicht vergessen“, sagte die Bundesvorsitzende der Lebenshilfe, Bundesministerin a.D. Ulla Schmidt. Inklusion, so Schmidt, sei der beste Schutz davor, „dass solche Verbrechen wie wir sie in Irsee sehen, nicht mehr passieren.“ Für uns heiße dies, dass wir „Anderssein“ akzeptieren, „anfangen, das Andere als normal zu definieren“. Auch den Unterschied zwischen Integration und Inklusion machte die Ministerin daran fest: „Integration bedeutet, dass wir Menschen ein Etikett aufkleben. Inklusion dagegen heißt, jedem Menschen je nach seinen individuellen Fähigkeiten individuelle Förderung zu ermöglichen.“

Ihre Skepsis gegenüber den Entwicklungen in der Pränataldiagnostik brachte Prof. Dr. Dr. Jeanne Nicklas-Faust, Bundesgeschäftsführerin der Lebenshilfe, zum Ausdruck. In unserer Gesellschaft sei die pränatale Untersuchung schon selbstverständlich, dem müsse etwas entgegengesetzt werden: „In unserer Gesellschaft braucht es ein anderes Bild von Menschen mit Behinderungen. Wir müssen eine Gesellschaft für alle schaffen“. Der Reichtum einer Gesellschaft bestehe gerade darin, vielfältig zu sein, betonte Nicklas-Faust.

Wie wichtig das Thema „Inklusion“ für die Diözese Augsburg ist, machte Weihbischof Dr. Dr. Anton Losinger, Mitglied im Deutschen Ethikrat und der Bio-Ethikkommission der Bayerischen Staatsregierung, deutlich: „Für die Diözese Augsburg als großem Schulträger steht die Umgestaltung hin zur inklusiven Schule ganz oben auf der Agenda.“ Inklusion sei nicht nur eine Frage der Barrierefreiheit, sondern eine Frage, die im Kopf der Menschen entschieden werde: „Inklusion bedeutet eine Wendung vom ‚Ich-Denken’ zum ‚Wir-Denken’.“

Vor dem Gespräch zu Fragen der Behindertenpolitik führte Dr. Stefan Raueiser, Leiter der Bildungseinrichtung Irsee, die Gäste zu den „Gedenkorten“ auf dem Gelände des Klosters. Neben dem „Patientenfriedhof“, der 1981 mit einem Monument des Allgäuer Künstlers Martin Wank zu einem Ort der Erinnerung umgestaltet wurde, besichtigten die Gäste auch das ehemalige „Sezierhaus“. Als Gedenkstätte erinnert es heute an die rund zweitausend geistig und psychisch behinderten Menschen, die Opfer des NS-Euthanasie-Programmes wurden.

Verantwortlich für das Treffen in Irsee war MdB a.D. Robert Antretter, Ehrenvorsitzender der Lebenshilfe und Mitglied in der Bio-Ethikkommission der Bayerischen Staatsregierung. Zusammen u.a. mit Weihbischof Dr. Dr. Anton Losinger arbeitet er derzeit an einem Positionspapier zum Thema „Inklusion“ der Bio-Ethikkommission der Bayerischen Staatsregierung.