Menü
Wichtiges
Aus den Pfarreien

Leonhardsfest in Fremdingen: „Das Tor zur wahren Freiheit“

10.11.2024

Es war so wie oft zu dieser Jahreszeit, ein grauer nasskalter Novembermorgen. Doch das hielt die Fremdingerinnen und Fremdinger nicht davon ab, ihre Trachten und Uniformen anzuziehen sowie ihre Pferde, Kutschen und den ganzen Ort herauszuputzen – wie immer um den Gedenktag des heiligen Leonhard. Seit nunmehr fast vier Jahrzehnten bringt das Gedenken an den auch als „Bauernherrgott mit Ketten“ bezeichneten Heiligen Jung und Alt aus der Gemeinde und den umliegenden Orten auf die Beine. Höhepunkt war auch heuer der Festgottesdienst an diesem Sonntag mit anschließendem Leonhardiritt samt Pferdesegnung – etwas Einzigartiges in der Umgebung.

Als Ehrengast und Festprediger freute sich Pfarrer Simon Sarapak Bischof Dr. Bertram Meier – zunächst in der Pfarrkirche St. Gallus – begrüßen zu dürfen. „Dass Sie heute das Leonhardsfest mit uns feiern ist etwas ganz Besonderes. Es ist uns eine große Ehre und Freude“, sagte der Ortspfarrer vor den Gläubigen in einer gut gefüllten Pfarrkirche St. Gallus. Er bedankte sich auch bei allen, die zum Gelingen dieses Tages ihren wertvollen Beitrag leisten – speziell dem Kirchenchor und der Musikkapelle für die musikalische Gestaltung, aber auch den Fahnenabordnungen und der Feuerwehr, die den reibungslosen Ablauf des Umritts gewährleistet.

Bischof Bertram stellte in seiner Predigt den landauf landab als Nothelfer und Viehpatron verehrten Eremit und Klostergründer aufgrund seines Mitgefühls für Gefangene und seiner Gottessehnsucht als Gewährsmann und Wegbereiter der Freiheit in Christus vor. Denn: „Er setzte sich ganz konkret und handfest für Gefangene ein, löste ihre sichtbaren und unsichtbaren Ketten und begleitete sie bei den ersten ungelenken Schritten in die Selbstständigkeit. Gleichzeitig gab er ihnen wieder Vertrauen in die eigenen Entscheidungen und stabilisierte mit ihrem aufrechten Gang auch ihre Menschenwürde“, brachte der Bischof das Wirken Leonhards auf den Punkt. Er rief dazu auf, es dem Heiligen im Umgang mit den Mitmenschen gleichzutun.

Schließlich kenne eine jede und ein jeder das Gefühl aus dem eigenen Leben, ein Gefangener zu sein: ob gefangen im Hamsterrad der täglichen Arbeit, in den sozialen Verhältnissen, in die wir hineingeboren wurden, im nicht mehr funktionierenden Körper, oder durch bestimmte Lebensentscheidungen und Bindungen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. „Wir alle bedürfen der Befreiung, der Erlösung! Ganz gleich ob wir unter Schuld, Krankheit, unter Suchtproblemen, einem Doppelleben oder trostloser Einsamkeit leiden, oder aber unter einer latenten Unzufriedenheit und Undankbarkeit, die uns das Leben vergällt.“

Der Bischof stellte gleichsam die Frage in den Raum, warum es uns oft so schwerfalle, andere um Hilfe, um Beistand und Unterstützung zu bitten. Dabei lehre doch die Erfahrung, dass „geteiltes Leid halbes Leid“ sei und schon ein Gespräch mit einem empathischen Gegenüber Erleichterung bringe. Das Bedürfnis des Menschen nach Freiheit und Unabhängigkeit bedeute doch nicht, dass wir überhaupt niemanden bräuchten. Ganz im Gegenteil, so Bischof Bertram: „Wenn ich mir und meinen Angehörigen, einem Freund oder meinen Mitarbeitenden sagen kann, wie dankbar ich für sie bin, dann erst bin ich frei zur Entfaltung der vielfachen Begabungen, die in mir schlummern.“

Gerade im Hinblick auf die nahende Adventszeit und das Geburtsfest Jesu ermutigte der Bischof dazu, sich innerlich und äußerlich aufzurichten und als Christinnen und Christen das einzulösen, was unsere Eltern in der Taufe und wir selbst von uns bei der Firmung bekannt hätten. „Wir wollen glauben, dass Gott, der Vater, unser Schöpfer und dass Jesus Christus im Heiligen Geist unser Erlöser ist – nicht mehr, aber auch nicht weniger ist von uns verlangt. Denn diese Bindung an den dreieinen Gott sei „das Tor zur wahren Freiheit“, unterstrich Bischof Bertram. Und das hätten neben dem heiligen Leonhard unzählige Zeuginnen und Zeugen der Liebe Gottes gewusst und vorgelebt. So täte es auch Politikerinnen und Politikern in bewegten Zeiten wie diesen gut, wenn sie ihre Arbeit unter die Hilfe Gottes stellten, ergänzte er.

Nach dem Festgottesdienst in der Pfarrkirche St. Gallus nahm Bischof Bertram gemeinsam mit Ortspfarrer Simon Sarapak sowie zahlreichen weiteren Vertretern aus Politik, Kirche und Gesellschaft am traditionellen Leonhardiritt durch Fremdingen teil. Dutzende geschmückte Pferde und Kutschen – große wie kleine – setzten sich gemeinsam mit der örtlichen Musikkapelle in Bewegung. Ziel des Prozessionszugs war die am südöstlichen Ortsrand gelegene Leonhardskapelle. Hier spendete der Bischof den anwesenden Menschen und Tieren den göttlichen Segen.

Dabei appellierte er an die Gläubigen, Verantwortung für Gottes Schöpfung zu übernehmen: „Wir Menschen dürfen zusammen mit den Tieren mitwirken an dem Erhalt und der Schönheit der Schöpfung. Erinnern wir uns an diesem Morgen neu an den Auftrag Gottes und setzen wir alles daran, dass unsere so furchtbar geschundene Erde, soweit es an uns liegt, als Lebensraum für Mensch, Tier und Pflanzenvielfalt erhalten bleibt.“

 

Zum Brauchtum

Die traditionellen Leonhardiritte sind in der Regel immer mit einer dem heiligen Leonhard geweihten Kirche verbunden, die als Ziel dieser Umzüge angesteuert oder umrundet wird. Ein Brauch, den es in Fremdingen seit 1985 gibt und der im Ries einzigartig ist.

Zahlreiche Leonhardiritte und –wallfahrten sind in den vergangenen Jahrhunderten unter anderem Kriegswirren, der Säkularisierung oder auch der Mechanisierung der Landwirtschaft und dem damit einhergehenden Bedeutungsverlust von Zugvieh zum Opfer gefallen.

Die Verehrung des hl. Leonhard als Bauern- und Viehpatron ist vor allem in Altbayern, Westösterreich und Ostschwaben anzutreffen, weshalb es die traditionellen Leonhardifahrten im Wesentlichen auch nur dort gibt. In anderen Teilen Deutschlands und Europas kennt man ihn stattdessen vor allem als Schutzpatron der Gefangenen.

Leonhard wurde in Altbayern zum Nothelfer mit den volkstümlichen Beinamen „bayerischer Herr“ oder „Bauernherrgott“. Dementsprechend wird er auch von den Bauern als ihr Schutzheiliger angerufen. Weitere Berufe unter seinem Patronat sind neben den Gefangenen die Bergleute, Böttcher, Fuhrleute, Lastenträger, Obsthändler, Stallknechte, Schlosser und Schmiede.