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Wichtiges
Amt für Kirchenmusik

Martha Lacher nach 75 Jahren als Organistin in den Ruhestand verabschiedet

28.10.2017

Oberstdorf (pdke). Wenn die 86-jährige Martha Lacher an der Orgel der Loretto-Kapelle den Gottesdienst begleitet hat, konnte sie während der Spielpausen ihren Enkelkindern aus dem Kirchenfenster zuwinken. Nur einen Steinwurf entfernt lebt die Seniorin im Benefiziatenhaus in der Lorettostraße. „Manchmal hat meine Tochter früher die Kleinen auf die Fensterbank gesetzt und sie konnten mich dort oben sehen“, lacht die lebhafte Seniorin. Anfang dieses Monats wurde die Organistin von Prodekan Maurus-Bernhard Mayer in einer Feierstunde in den Ruhestand verabschiedet, und das nach 75 Jahren im Dienste der Kirchenmusik. Solch ein Jubiläum sei etwas Besonderes und komme äußerst selten vor, bestätigt Pater Stefan Kling, der Leiter des Amtes für Kirchenmusik im Bischöflichen Ordinariat in Augsburg. Daher wurden ihr auch von dieser Stelle sowie von Bischof Konrad Zdarsa Urkunden zum Dank und zur Anerkennung ihres Einsatzes überreicht.

Die Jubilarin stammt aus einer bekannten Musiker-Familie: Ihre Mutter war eine geborene Kuen, der Großvater Paul Kuen war seinerzeit amtlicher Glockensachverständiger der Diözese Augsburg und Blasmusikexperte. Im Schulhaus in Wengen kam Martha Lacher am Faschingssamstag im Jahr 1931 zur Welt, vier weitere Geschwister folgten und sie war, wie sie erzählt, „das Kindermädchen“. Von klein auf gehörte das Musizieren für alle dazu. „Für uns gab es keine Ablenkung, nicht einmal ein Radio besaßen wir. Wenn wir Musik wollten, mussten wir selbst spielen – eventuell auch vierhändig“, sprudelt es aus ihr heraus. „Eine Stunde oder mehr zu üben, war so selbstverständlich wie Zähneputzen“, fährt sie fort. Als ihr Vater 1942 in den Kriegsdienst musste, schrieb er für die kleine Martha die Kirchenlieder im einfachen Satz – ohne Pedale. „An die kam ich ja noch nicht heran“, erklärt sie. Fortan hat sich der Großvater um die musikalische Ausbildung seiner Enkeltochter gekümmert und immer wieder Lehrer für sie gesucht. Während dieser Zeit lernte sie den in Kempten lebenden Organisten Franz Lehrndorfer (1928–2013) kennen und wurde dessen Schülerin. „Er hat gemerkt, dass ich begabt bin und etwas lernen wollte“, erinnert sich Martha Lacher. So kam sie in den Genuss eines kostenlosen Unterrichts bei dem bekannten Musiker, der unter anderem bei den Regensburger Domspatzen wirkte, an der Hochschule für Musik und Theater in München lehrte, und bis 2002 Domorganist in der Münchener Frauenkirche war.

Nach der „Mittleren Reife“ machte die Musikerin eine Lehre als Industriekauffrau beim Verlag der Allgäuer Zeitung. Hier lernte sie ihren Ehemann Friedrich Lacher kennen, mit dem sie nach der Heirat im Jahr 1956 zwei Töchter bekam. Zunächst lebte die Familie in Wildpoldsried, bevor es nach Oberstdorf ging und schließlich vor 30 Jahren die Erdgeschosswohnung im Benefiziatenhaus bezogen wurde. Hier fühlt sie sich auch nach dem Tod ihres Mannes in einer netten Hausgemeinschaft sehr wohl.

All die Jahre ist Martha Lacher ihrer Leidenschaft, dem Orgelspiel, treu geblieben. Als die Töchter klein waren, so erinnert sie sich, war die Zeit zum Üben eingeschränkt. „Dann muss man wieder aufholen“, schildert die Seniorin.

Als vor rund 30 Jahren in Oberstdorf ein Organist gesucht wurde, übernahm Martha Lacher wieder mehr Dienste. In den letzten Jahren allerdings unterstützte sie den jeweiligen Kirchenmusiker nur noch. Doch nun hat die 86-Jährige gesagt: „Ich stehe nicht mehr zur Verfügung.“ Sie habe während ihrer 75 Dienstjahre immer präsent sein müssen und möchte sich nun ihre Zeit frei einteilen können. „Ich habe alles mit Vergnügen und immer gern getan,“ stellt die Neu-Ruheständlerin klar. Und weiter meint sie: „Der Beruf ist sehr unterhaltsam, weil man mit so vielen Leuten zu tun hat.“

Nun wird Martha Lacher mehr Zeit finden, ein gutes Buch aus ihrer großen Bibliothek zu lesen und sich ihren Hobbies zu widmen. Ein Klavier steht in der Wohnung bereit und zum Orgelspielen muss sie nur die Straße überqueren und die Wendeltreppe zur Orgel hinaufklettern - dann hat sie „ihr Reich“ für sich allein.