„Aus der Asche wird neues Leben geboren“: Solidaritätstag für verfolgte Christen in Augsburg
Augsburg (KNA/Kirche in Not). Domdekan Prälat Dr. Bertram Meier, Bischofsvikar für Ökumene und interreligiösen Dialog, hat gestern zu einer "großen Koalition" aller aufgerufen, die eine menschliche, gerechte und friedliche Gesellschaft wünschen. Auf diese Weise gelte es düsteren Prognosen entgegenzutreten, die für die Zukunft von einem "Kampf der Religionen" sprächen, sagte Prälat Meier beim abschließenden Kreuzweg anlässlich des zehnten Solidaritätstags für verfolgte Christen in Augsburg. Dazu gehöre aber auch, dass dort, wo Christen unterdrückt und verfolgt werden, ihre Glaubensgeschwister in jenen Ländern nicht schweigen, wo Freiheit herrsche. Die vom internationalen katholischen Hilfswerk "Kirche in Not" und dem Bistum organisierte Veranstaltung bestand aus einem ökumenischen Kreuzweg im Hohen Dom und einer Infoveranstaltung über die verfolgte Kirche im Haus St. Ulrich.
Die Christen in Deutschland hätten nicht nur die Pflicht, anderen Religionen ihr Recht auf Erhaltung zuzusprechen, erklärte Prälat Meier. Sie müssten auch zur Sprache bringen, wo den christlichen Schwestern und Brüdern dieses Recht auf Religionsfreiheit vorenthalten werde. "Wir sind Sprachrohr der vielen stummen Christen, die in ihren Ländern keine Stimme haben. Das ist Ökumene der Solidarität." Im Namen Gottes gebe es keinen Krieg, so der Bischofsvikar. Wer im Namen Gottes zu den Waffen greife, führe einen unheiligen Krieg. Den Weg in die Zukunft wiesen nicht fanatische Glaubenseiferer, sondern pragmatische Bündnisse, damit alle in Frieden leben könnten. Doch Diskriminierung, Benachteiligung, Gefährdung für Leib und Seele, Zwangskonversion und Vergewaltigung von Christen herrsche vor allem in Ländern, die sich zum Islam als Staatsreligion bekennen. Christen würden dort als Religionsgemeinschaft angesehen, die nicht zur Mitte der Gesellschaft gehöre und damit ausgegrenzt werde. Der Domdekan erinnerte daran, dass alle fünf Minuten heute ein Christ aufgrund seines Glaubens ermordet werde. Besonders dramatisch sei die Lage derzeit im Irak und in Syrien. Auch in Ägypten bleibe die berechtigte Sorge um die Kopten, von Libyen ganz zu schweigen.
Hoffnung auf eine Zukunft in der Heimat Irak
Zu Beginn des Aktionstages berichtete Pater Georges Jahola aus dem Nordirak bei einem Podiumsgespräch über die Lage der Christen in der Ninive-Ebene. Diese hätten nach dem Einmarsch der Kämpfer des sogenannten "Islamischen Staats" im August 2014 Schreckliches zu erleiden gehabt. Zahlreiche Christen seien zur Konversion genötigt oder getötet worden. Viele Frauen und Mädchen seien versklavt worden und mussten einen "IS"-Terroristen heiraten. Hunderttausende seien vor dem Terror geflohen. Auch die Schäden an Gebäuden seien immens gewesen. Fast 13.000 Privathäuser von Christen sowie rund 360 kirchliche Gebäude habe der IS ganz oder teilweise zerstört. Die Kosten der Wiederherstellung bezifferte Jahola, der den Wiederaufbau koordiniert, auf 250 Millionen US-Dollar.
Dieser Wiederaufbau sei es, der den christlichen Familien, die jetzt nach und nach in ihre verlassenen Dörfer zurückkehren, Mut und Hoffnung gebe. "Es gibt eine große Solidarität unter den Christen", so Jahola. "Viele haben sich bei den Kirchen gemeldet, um als Freiwillige zu helfen." Diese Unterstützung sei aber bei Weitem nicht ausreichend, denn "wir Christen erhalten vom irakischen Staat nicht die geringste Hilfe". Nur christliche Hilfswerke wie "Kirche in Not", das einen "Marshall-Plan" für den Irak ins Leben gerufen hat, würden Geld geben. Befragt nach den Zukunftsaussichten sagte der irakische Priester: "Die Zeit des IS ist vorbei, aber seine Ideologie ist noch immer präsent." Jahola forderte eine neue Verfassung für den Irak, in der der Minderheitenschutz verankert sein müsse: "Nur das Gesetz kann uns schützen." Andernfalls seien die Früchte der geleisteten Wiederaufbauarbeit gefährdet. Als Christ habe er aber immer Hoffnung, weil er wisse: "Aus der Asche wird neues Leben geboren." Der Geschäftsführer von "Kirche in Not" Deutschland, Florian Ripka, überreichte an Jahola eine Figur der Gottesmutter von Altötting. "Dieses Gnadenbild soll einen Platz in einer der wiederaufgebauten Kirchen in der Ninive-Ebene finden und sie die bleibende Verbundenheit der deutschen Wohltäter mit unseren irakischen Brüdern und Schwestern verdeutlichen", sagte Ripka.
"Vielen Christen droht die Auslöschung"
Beim zweiten Programmpunkt im Tagungshaus Sankt Ulrich verschaffte Berthold Pelster, der Menschenrechtsexperte von "Kirche in Not", den rund 150 Teilnehmern einen Überblick auf einige Brennpunkte der Christenverfolgung weltweit. Dies seien nach seiner Erkenntnis neben den Krisenländern des Nahen Ostens vor allem viele afrikanische Staaten, in denen sich ein einstmals friedlicher Islam radikalisiert habe. Als Beispiel führte er Nigeria, das bevölkerungsreichste Land Afrikas, an, wo die islamistische Terror-Sekte "Boko Haram" seit ihrem Aufkommen im Jahr 2009 bis zu 30.000 Menschen ermordet habe. Pelster, Autor der Dokumentation "Christen in großer Bedrängnis", betonte, dass in vielen islamischen Ländern Muslime am meisten unter dem Terror von radikalen Islamisten zu leiden hätten und nannte als Beispiel den Anschlag auf eine Sufi-Moschee in Ägypten, dem im November 2017 mehr als 300 Menschen zum Opfer fielen. Es sei daher wichtig, den Dialog mit gemäßigten Muslimen zu suchen und moderate Strömungen des Islam zu fördern. Pelster richtete den Blick auch auf China. Dort habe – weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit im Westen – der Staat im Februar 2018 die Religionsgesetze drastisch verschärft. Christen, die sich privat zum Gebet treffen, droht seitdem eine empfindliche Geldstrafe, die mehrere Monatsgehälter betragen kann. Auch dies müsse man, so Pelster, als eine Bedrohung für den christlichen Glauben ansehen und dagegen protestieren. Das Menschenrecht auf Religionsfreiheit müsse noch mehr auf die Agenda der Politik, aber auch ins Blickfeld von Christen in freien Ländern. "Wenn wir nicht alles tun, um verfolgten Christen zu helfen, droht ihnen in vielen Ländern die Auslöschung", appellierte Pelster an die Zuhörer.