„Mit Gerechtigkeit und Solidarität haben wir alle am Tisch Platz“

„Lehrer machen oft den Fehler und antworten auf Fragen, die nicht gestellt wurden.“ Mit diesem Gesprächseinstieg an der Mädchenrealschule Sankt Ursula in Augsburg und einem spitzbübischen Lächeln war sich Gregorio Rosa Chávez der Aufmerksamkeit der Zehntklässlerinnen und ihrer Lehrerinnen und Lehrer gewiss. So begann der gestrige Vormittag mit dem Weihbischof von San Salvador und Gast der Adveniat Aktion 2014 mit dem Sammeln von Fragen: Wie sieht die Situation der Jugendlichen in El Salvador aus? Warum schließen sich viele den Mara-Banden an? Wie können wir helfen?
„Mehr als 40 Prozent der Jugendlichen in El Salvador haben nicht die Möglichkeit, zur Schule zu gehen oder eine Ausbildung zu machen“, berichtete der Weihbischof. Bei ihnen hätten die Jugendbanden, die sogenannten Maras, leichtes Spiel. Durch Umwerben, Lügen oder Drohungen brächten sie Jungen und Mädchen dazu, sich ihnen anzuschließen. Damit beginne ein Teufelskreis aus Gewalt und Kriminalität. „Die meisten Jugendlichen, die die Maras verlassen wollen, bezahlen mit ihrem Leben“, sagte der Weihbischof. „Deshalb brauchen sie für den Ausstieg unsere Hilfe.“ Tief im Herzen getroffen habe den Priester folgende Frage eines Jugendlichen: „Wie soll ich jemals lieben, wenn ich nie geliebt worden bin?“ Deshalb sei es besonders wichtig, für Kinder und Jugendliche ein liebevolles, lebenswertes Umfeld zu schaffen und sie vor verbaler, psychischer und sexueller Gewalt zu schützen.
Viele Häuser in den Armenvierteln San Salvadors seien aus Wellblech und Pappe und bestünden aus nur einem Raum. „Aber wie kann ein Kind dort lernen, wo gekocht, gewaschen und geschlafen wird?“, fragte der Weibischof die Schülerinnen. Deshalb habe seine Pfarrei die Türen geöffnet und Hausaufgabenbetreuung angeboten. Und so seien erst die Kinder gekommen, um Lesen und Schreiben zu lernen, und später dann auch viele Eltern. „Die Kirche in unserem Land ist sehr volksnah – und so kommen die Menschen mit ihren Problemen zu uns“, sagte Rosa Chávez. Und auch wenn es nicht immer eine Lösung gäbe, teile die Kirche alle Sorgen und Nöte der Menschen.
Solidarisch zu sein, sei nicht schwer: „Dazu braucht es nur eine Entscheidung. Zusammen können wir die Welt verändern. Die kleinen Schritte, die ihr hier tut, sind große Schritte für die Menschen in El Salvador“, sagte der Weihbischof Rosa Chávez zu den Schülerinnen und Lehrenden und bezog sich dabei auch auf die Partnerschaft zwischen der Mädchenrealschule Sankt Ursula und den Dominikanern in San Salvador. „Mit Gerechtigkeit und Solidarität haben wir alle am Tisch Platz.“
Und dieser Tisch steht laut Adveniat-Geschäftsführer Stephan Jentgens am ersten Adventssonntag in Augsburg: „Wir freuen uns, wenn ihr bei der feierlichen Eröffnung der Adveniat-Aktion mit uns im Dom Platz nehmt.“ Jentgens bedankte sich bei Schulleiterin Doris Mayer für die Einladung und für das Zeugnis von Weihbischof Rosa Chávez. Beeindruckt war der Geschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerkes von der hohen Aufmerksamkeit und der guten Vorbereitung der Schülerinnen, die über eineinhalb Stunden zugehört und nachgefragt hatten. „Bringt das Wunder der Brotvermehrung heute in diese Gesellschaft!“
Text und Bild: Carolin Kronenburg/Adveniat