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Fortbildung

Studientag über missionarische Aufbrüche

02.04.2019

Das christliche Missionsverständnis und die charismatische Bewegung waren gestern Themen auf dem Studientag über Aufbrüche in der katholischen Kirche. Dazu begrüßte Bischof Dr. Konrad Zdarsa im Augsburger Haus St. Ulrich rund 100 Priester, Diakone, pastorale Mitarbeiter/-innen und Religionslehrer/-innen.

Aufbrüche, so Bischof Konrad in seinem Grußwort, würden in unserer Kirche oft von neuen geistlichen Gemeinschaften und charismatischen Bewegungen getragen. Diese gelte es allerdings auch differenziert zu betrachten. In Bezug auf das biblische Leitwort des Studientages „Prüft alles und behaltet das Gute!“ aus dem ersten Thessalonicherbrief betonte er:„ Ich kann nicht genug zu dem einen wie zu dem anderen ermutigen.“ In vier Vorträgen beleuchteten die Referenten, was es bedeutet, Zeuge des Glaubens in einer missionarischen Kirche zu sein und welche Chancen und Herausforderungen sich daraus ergeben.

Dr. Andreas Schmidt, Spiritual am Priesterseminar der Erzdiözese München und Freising. (Foto: Simone Zwikirsch / pba)

„Wir brauchen einen Kulturraum des Glaubens innerhalb einer säkularen Großkultur der religiösen Unaufmerksamkeit“, fasste Dr. Andreas Schmidt die Ursache fehlender Gotteserfahrung und seinen Lösungsansatz zusammen. Der Spiritual des Münchner Priesterseminars und ehemalige Leiter der Evangelisationsschule der Gemeinschaft Emmanuel in Altötting verdeutlichte in seinem Vortrag „Den Glauben für Andere erfahrbar machen“, wie aus einer Welterfahrung eine Glaubenserfahrung werden kann. „Gotteserfahrung muss nichts Außergewöhnliches sein“, betonte Dr. Schmidt. Häufig stecke sie bereits in der Welterfahrung, die nur im Glauben gedeutet werden müsse. Da unsere säkulare westeuropäische Kultur eine Weltdeutung im Glauben jedoch erschwere, „braucht es eine Deutungshilfe, um Welterfahrung als Glaubenserfahrung zu begreifen“. Begünstigt werden könne diese durch die Schaffung von Kulturräumen, „in denen der Glaube nichts ungewöhnliches ist und Glaubenserfahrungen mit anderen geteilt werden können“. Am Ende seines Vortrags ermutigte Dr. Schmidt die Pfarreiverantwortlichen, ein kulturelles Umfeld zu etablieren, in dem Glaubenserfahrungen gedeutet, verbalisiert und als Zeugnis weitergetragen werden können.

Eine theologisch-wissenschaftliche Herangehensweise an den Missionsbegriff lieferte Prof. Dr. Arnd Bünker, Leiter des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts in St. Gallen. „Mission ist ein Krisenbewältigungsbegriff, der immer wieder dann an Aktualität gewinnt, wenn es schwierig wird“, stellt er zu Beginn seines Vortrags „Missionarisch Kirche sein“ fest. Zugleich gehe der Begriff „Mission“ auch immer mit der Gefahr einer Schuldhaftigkeit einher, die sich zum Teil bis heute in einem Subjekt-Objekt-Denken oder einem Wahrheits- und Überlegenheitsanspruch äußere. In diesem Zusammenhang stellte Professor Bünker zwei Denkmodelle vor, zwischen denen sich kirchliche Mission bewegt und die „zu einer kritischen Analyse des Missionsbegriffs und dessen Instrumentalisierung“ herangezogen werden müssten.

Der Ansatz eines „Instruktionstheoretischen Modells“ definiert Mission als Glaubensverbreitung und Verkirchlichung. Der Missionar verstehe sich dabei selbst als „verlängerter Arm Gottes“, der Nichtgläubigen die Wahrheit im „copy-paste-Modus“ weitergeben muss. Demgegenüber stehe das „Kommunikationstheoretische Modell“. Dieses definiert Mission als Zeugnis von und für Gottes Heilsgegenwart in der Welt. Bei diesem Modell gehe es nicht primär um die Weitergabe des Glaubens, sondern um eine gelebte Glaubenspraxis, so Prof. Bünker. „Der kommunikationstheoretische Missionsansatz richtet sich an alle Menschen, denen es an Heil mangelt mit dem Ziel eines besseren, menschlicheren und würdevolleren Lebens.“  

Professorin Dr. Gunda Werner aus Graz. (Foto: Nicolas Schnall / pba)

Am Nachmittag rückte ein Thema in den Fokus, das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit immer mehr an Bedeutung gewinnt: Die Charismatischen Gemeinschaften und ihre Bedeutung für die großen Kirchen. Über die Anziehungskraft dieser Anfang des 20. Jahrhunderts entstandenen Bewegung und deren Einflüsse auf die katholische Kirche sprach Professorin Dr. Gunda Werner, Dogmatikerin aus Graz. „Charismatische Gemeinschaften sind im Trend, verzeichnen Erfolge, wo andere über Schließung und Zusammenlegung klagen.“ Gleichzeitig gingen solche Gruppierungen entspannter mit Veränderungen um. „Abspaltungen sind keine Niederlagen“, beschreibt Prof. Werner eines von vielen Erfolgsrezepten, die die pentekostale und charismatische Bewegung im vergangenen Jahrhundert zur „religiösen Erfolgsgeschichte“ werden ließ.

Diese Bewegungen hätten in Zeiten des Umbruchs sich auf Bedürfnisse und Nöte von Menschen reagiert, stellte Werner fest. So seien „erneuerte, individualisierte und emotionalisierte Religionsformen entstanden“, die sich wiederum in „überschaubare, undogmatische, flexible Einheiten der Gemeinden“ wiederfinden. Für die katholische Kirche rufe die zu beobachtende „Binnencharismatisierung“ ihrer Ansicht nach eine paradoxe Situation hervor: Einerseits verfestige sie sich in der bestehenden Sozialgestalt einer als Volkskirche verstandenen Großkirche, andererseits wende sie sich in den letzten Jahren von ihr ab und organisiert sich in kleinen Überzeugungsgruppen.

Pfarrer Josef Fleddermann. (Foto: Nicolas Schnall / pba)

Auf diese beschreibende Analyse reagierte Pfarrer Josef Fleddermann aus Bremen mit einem Plädoyer für ein Miteinander und dem Zusammenspiel aller Charismen. „Die Erneuerung der Kirche ist eine charismatische oder sie ist keine“, ist der Vorsitzende der Charismatischen Erneuerung (CE) Deutschland überzeugt. Es gelte den Glauben positiv anzubieten, als Schatz, den wir selber entdeckt haben. Echte Evangelisation und Mission achte die Freiheit des anderen und schränke sie nicht ein, betonte er. Daher betrachtet Pfarrer Fleddermann gerade die Neuen Geistlichen Gemeinschaften und religiösen Bewegungen als große Chance für die Zukunft. „Kirche ist mehr als nur Struktur, mehr als Pfarrei oder Bistum.“ Sie sei angewiesen auf „lebendige, geistliche Zellen, in denen Menschen den Glauben entdecken und das Leben miteinander teilen können.

Er warb für ein neues Miteinander des ganzen Volkes Gottes trotz aller verschiedenen Dienste, Charismen und Ämter und für die bewusste Glaubensentscheidung. Orte und Hilfsmittel, die den Glauben im Alltag stärken, gebe es dazu reichlich. Dadurch könne auch die ökumenische Verbundenheit und Verwiesenheit aufeinander neu wahrgenommen und gelebt werden. „Gehen sie ins Gespräch“, appellierte er zum Schluss an seine Zuhörer, bevor Bischof Konrad die Teilnehmer zum Abschluss des Studientags zur gemeinsamen Vesper einlud.  

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