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Wichtiges
Lebensschutz

Weihbischof Losinger bedauert Sterbehilfeurteil

26.02.2020

Das Bundesverfassungsgericht hat heute das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidassistenz aufgehoben. Weihbischof Dr. Dr. Anton Losinger, Bischofsvikar für Bioethik und Sozialpolitik, bedauert dies sehr. Er sieht dadurch die Gefahr, dass nun auf Menschen Druck ausgeübt werden könnte, organisierte Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen. 

"Die Aufhebung des Verbotes der geschäftsmäßigen Suizidassistenz bedauere ich sehr. Ich habe diesen mit breiter überparteilicher Mehrheit gefundenen politischen Kompromiss am Ende einer langen und sehr differenzierten politischen und gesellschaftlichen Debatte für einen klugen und ausgewogenen Weg der Mitte gehalten. 2015 hatten die Politiker ja beabsichtigt, mit dem Paragraphen 217 StGB ein „suizidfreundliches Umfeld“ zu verhindern. Er hatte die Unterstützung und Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen in den Mittelpunkt gestellt – etwa in der Förderung Palliativmedizin und Hospiz – und mit Augenmaß Leitplanken eingezogen, die organisierte Angebote der Hilfe zur Selbsttötung als Normalfall verbieten sollten. Damit hatte man ein starkes Signal gesetzt, dass wir eine Gesellschaft sein wollen, die Suizid zwar nicht ausschließt – und de facto durch Verbote auch nicht ausschließen kann –, ihn aber nicht als eine quasi normale Option neben solidarischer Hilfe und medizinischer Unterstützung sieht.

Ich sehe jetzt nach dem Urteil zusammen mit vielen Ärzten, Hospizbegleitern und Politikern ganz klar die Gefahr, dass sich Menschen in prekären Lebenssituationen, in schwerer Krankheit, Pflegesituationen und am Lebensende gedrängt sehen werden, Angebote der organisierten Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen. Wer hat nicht schon einmal den Satz von einem alten oder kranken Menschen gehört, dass er niemandem zur Last fallen wolle?

Zudem zeigt die Situation in unseren Nachbarländern Schweiz, Niederlande oder Belgien, dass dort, wo die Tür zur organisierten Sterbehilfe aufgestoßen wird, eine stete Entwicklung zur Inanspruchnahme solcher Angebote zu verzeichnen ist – mit äußerst problematischen Auswüchsen. Ich denke nur an die Inanspruchnahme von Sterbehilfe durch Minderjährige, Demenzkranke oder einfach nur alte Menschen. Auch möchte ich mir keine Situation vorstellen, in der Sterbehilfevereine in unseren Altenheimen für ihre Dienste werben.

Die integrierende gesellschaftliche und lebensbejahende Zielrichtung des Paragraphen 217 StGB und damit  einer Gesellschaft mit „menschenwürdigem Antlitz“ formuliert unser ehemaliger Bundespräsident Horst Köhler treffend: „Eine Gesellschaft zeigt ihr wahres humanes Antlitz immer daran, wie sie mit den Schwächsten in ihrer Mitte umgeht.“ Das betrifft vor allem die verletzlichsten Phasen am Lebensbeginn und am Lebensende der menschlichen Existenz.

Schließlich ist der von manchen beschworene „Staatsanwalt am Sterbebett“ ausgeblieben. Entsprechend haben sich auch die Verbände und Organisationen, die sich in der palliativen und hospizlichen Betreuung engagieren, stets für die Regelung von 217 StGB ausgesprochen. Auch nach dem heutigen Aschermittwochsurteil des Bundesverfassungsgerichts bleibt somit nur die Option, weiter für diesen lebensbejahenden Weg zu werben und weiterhin gesetzliche Verbesserungen anzustreben.

Denn wenn man Menschen in ihrem Sterbewunsch ernst nimmt und mit ihnen spricht, hört man sehr oft, dass es ihnen nicht darum geht, nicht mehr zu leben, sondern darum, nicht mehr so zu leben, wie es eine Krankheit mit sich bringen kann. An dieser Stelle müssen wir genau mit unseren Hilfsangeboten ansetzen, insbesondere auch in der Palliativmedizin und bei den Hospizen."

 

Auch die beiden Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland haben sich zu dem Urteil geäußert. Deren gemeinsames Statement gibt es auf den Seiten der Deutschen Bischofskonferenz. Seitens des Deutschen Caritasverbandes hat sich dessen Präsident Dr. Peter Neher, ein Priester des Bistums Augsburg, ein einem Statement zu Wort gemeldet. Für den Diözesanrat der Katholiken hat dessen Vorsitzende Hildegard Schütz mit "Entsetzen und großer Besorgnis" reagiert.