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Wichtiges
25 Jahre Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre

„Ökumene bedeutet Steinbrucharbeit“

30.10.2024

In der Ökumenischen Vesper am Vorabend des 25. Jahrestages der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre hat Bischof Dr. Bertram Meier Ökumene als „theologisch notwendige Steinbrucharbeit“ bezeichnet. In St. Anna sagte er: „Vor 25 Jahren konnte ein besonders großer Stein versetzt werden. Versöhnung geschieht. Das ist zu Recht ein Meilenstein.“

Bischof Bertram, der auch Mitglied des vatikanischen Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen und der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz ist, erinnerte an die Umarmung der beiden Sekretäre Ishmael Noko und Walter Kasper nach Unterzeichnung des Dokuments am 31. Oktober 1999: „Die Gemeinsame Erklärung vor 25 Jahren zeigt: Wir können uns die Hände reichen. Die Umarmung, der Meilenstein, sie sind zur Brücke geworden, über die auch andere zu gehen wagen. In den vergangenen Jahren haben sich drei weitere Kirchen der Erklärung angeschlossen: 2006 stimmten der Weltrat der methodistischen Kirche und 2017 die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen sowie der Anglikanischen Kirchengemeinschaft zu. Eine solche Dynamik hat kaum ein ökumenisches Papier entwickelt.“

Dennoch stünde noch viel Mauerwerk zwischen den Kirchen. „Die Themen Kirche, Eucharistie und Amt“, so der Bischof, „scheinen wie schwere Felsbrocken zu sein, an denen wir nicht vorbeikommen.“ Zwar würden weltweit Theologen daran arbeiten, aus den trennenden Felsbrocken „Bausteine zu gewinnen, die den Spalt schmälern“. Doch Einheit müsse auch im kirchlichen Leben der normalen Gläubigen sichtbar werden. Dazu nannte Bischof Bertram drei Bausteine: Jesus Christus selbst, der das „unzerstörbare Fundament“ bilde, die Bereitschaft, aufeinander zu hören – hier nannte Bischof Bertram auch die kürzlich beendete Weltsynode – und die gemeinsame Mission, das Evangelium zu verkünden: „Oft haben gerade kirchenferne Menschen feine Antennen dafür, ob unser Tun aufrichtig ist. Die Hinwendung zum Nächsten gehört zum festen Wortschatz des Christentums. Anderen Liebe, Hoffnung und Frieden zu ermöglichen - diese Sprache eint uns und es gibt auch heute viele Menschen, deren Herz schon darauf wartet, die Stimme dieser Sprache hören zu dürfen.“

Ökumenisches Gespräch

Ökumene heißt, miteinander im Gespräch zu bleiben: Bischof Bertram und der evangelische Dekan Frank Kreiselmeier.

Neben der Sprache der Liebe eine die Christen die Sprache des Gebets. Bischof Bertram: „Im Gebet gehen wir auf Christus zu. Das Zugehen auf Christus ist aus verschiedenen Richtungen möglich. Wenn wir auf ihn zugehen, gehen wir aufeinander zu.“

Hintergrund:

Die Frage, wie der Mensch vor Gott sein Heil finden kann, führte im 16. Jahrhundert zu jenen schwerwiegenden Auseinandersetzungen, in deren Folge sich die abendländische Kirche spaltete. Eine der theologischen Kernfragen war damals die Frage, welche Bedeutung dem Glauben und welche den Werken bei der Rechtfertigung des Menschen zukommt. Martin Luther betonte gegenüber dem kirchlichen Ablasswesen der damaligen Zeit die Rechtfertigung allein durch den Glauben (sola fide), während die katholische Seite auf der Bedeutung auch der guten Werke bestand. Die Fronten zwischen beiden Seiten waren bald so verhärtet, dass es nicht gelang, in einer differenzierten Betrachtung die Zuordnung von Glaube und Werken so zu beschreiben, dass eine Verständigung möglich gewesen wäre.

gemeinsame Feier 1999

Der 31. Oktober 1999 war ein besonderer Tag: In der Mitte der damalige Bischof Viktor Josef Dammertz, links daneben Regionalbischof Ernst Öffner, rechts neben Bischof Viktor Josef Kardinal Edward Cassidy und Bischof Walter Kasper, damals Sekretär des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen.

In der Gemeinsamen Erklärung von 1999 heißt es nun: „In Aufnahme von bibelwissenschaftlichen, theologie- und dogmengeschichtlichen Erkenntnissen hat sich im ökumenischen Dialog seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine deutliche Annäherung hinsichtlich der Rechtfertigungslehre herausgebildet, so dass in dieser gemeinsamen Erklärung ein Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre formuliert werden kann, in dessen Licht die entsprechenden Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts heute den Partner nicht treffen.“ Im Blick auf die zentrale Frage der Bedeutung von Glaube und Werken wird gemeinsam formuliert: „Allein aus Gnade im Glauben an die Heilstat Christi, nicht auf Grund unseres Verdienstes, werden wir von Gott angenommen und empfangen den Heiligen Geist, der unsere Herzen erneuert und uns befähigt und aufruft zu guten Werken.“

Die feierliche Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung am 31. Oktober 1999 wurde für die römisch-katholische Kirche von Kardinal Edward Cassidy und Bischof Walter Kasper vorgenommen. Auf lutherischer Seite unterschrieben der Präsident des Lutherischen Weltbundes Christian Krause und der Generalsekretär Ishmael Noko. In der Augsburger Innenstadt verfolgten damals tausende Zuschauer die Unterzeichnung auf einer Videoleinwand.

Im Juli 2006 trat der Weltrat methodistischer Kirchen der Erklärung bei. Elf Jahre später folgten auch die Weltgemeinschaft der reformierten Kirchen und die Anglikanische Gemeinschaft.