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Wichtiges
Studientag des Bischofs

Paradigmenwechsel in der Schöpfungsbewahrung?

14.03.2023

„Dem Herrn gehört die Erde und alles, was auf ihr lebt“: Mit diesem Psalmwort war der Studientag des Bischofs überschrieben, bei dem sich an diesem Montag rund hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Haus Sankt Ulrich zu Umwelt- und Tierschutz sowie Problematik des Klimawandels ausgetauscht haben.

In seiner Begrüßung betonte Bischof Bertram, dass sich das Bistum Augsburg schon seit längerem schöpfungstheologische Anliegen zu eigen mache, beispielsweise durch die Ausschreibung des Schöpfungspreises, die Verleihung der Laudato si-Plakette und das Ziel, bis 2030 CO2-neutral zu werden. Die Kirche stelle keine „Insel“ dar, sondern sei eingebettet in Gesellschaft und Natur. Darum freue er sich, dass sich zahlreiche Seelsorgerinnen und Seelsorger aus dem Bistum sowie mit der Umweltthematik befasste Mitarbeiter des Ordinariates auf dem Studientag gemeinsam mit anerkannten Fachleuten Gedanken über eine zeitgemäße kirchliche Theologie der Schöpfung machten. Außerdem sei es ihm ein Anliegen, dass Umwelt- und Klimaschutz als gesamtgesellschaftliche Aufgaben nicht ausgeklammert werden würden.

Die Dresdner Professorin für Systematische Theologie Julia Enxing verwies in ihrem per Video-Schalte gehaltenen Vortrag mit dem Titel „Der Maßstab Mensch – Zeit für einen Paradigmenwechsel“ gleich zu Beginn auf den „ausdrucksstarken“ Psalmvers, der dem Studientag als Motto gegeben war. Das Grundproblem der bisherigen Schöpfungstheologie sei es gewesen, dass sich entgegen dem Bibelwort der Mensch selbst zum Zentrum der Schöpfung gemacht habe. Dies sei etwa sichtbar im bekannten Michelangelo-Fresko in der Sixtinischen Kapelle, in dem selbst Gott bildlich zur Seite gerückt werde und Tiere völlig fehlten. Oder auch in sprachlicher Form, wenn die Essensabfrage in Tagungshäusern dem „vegetarischen“ einen „normalen“ Gast entgegenstelle: „Wir Menschen sind […] keine isolierten Wesen, die dominieren und souverän sind, sondern Teil eines von Gott geschaffenen, getragenen und geliebten, pluralen, prozesshaften Netzwerks.“ Ohne eine angemessene Wahrnehmung nichtmenschlichen Lebens und Leidens könne keine tragfähige Veränderung geschehen.

Der Südtiroler Servitenpater und Moraltheologe Martin Lintner sprach in seinem Vortrag über das „Konzept der Gottebenbildlichkeit des Menschen“. Das biblische Fundament zu diesem Konzept bewege sich zwischen den Spannungspunkten eines göttlichen Auftrags an den Menschen, sich die Erde untertan zu machen, sowie der Mahnung Kohelets, dass Mensch und Tier aus Staub seien und zum Staub zurückkehren würden. Stattdessen stelle sich die Frage, ob Mensch und Tier eine Schicksalsgemeinschaft bildeten, ja ob Jesus nicht auch mit der gesamten Natur mitleide. Dass die Erkenntnis darüber auch dem Menschen gegeben sei, zeige sich etwa in der Tatsache, dass Arbeitende in Schlachtbetrieben oft an posttraumatischen Belastungsstörungen litten.

Als dritter und letzter Referent ergriff der an der Universität Linz lehrende Priester und Moraltheologe Michael Rosenberger das Wort. In seinem Vortrag über „Apokalyptische Denkfiguren als Anstoß zur Veränderung“ sprach er über Slogans und Narrative, wie sie von Gruppierungen wie „Fridays for Future“ („Our house is on fire“) und Greenpeace genutzt würden. Dem gegenüber stünden Aufrufe zur inneren Umkehr, wie sie etwa die Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus kennzeichneten. Die beiden Ansätze könnten sich gegenseitig ergänzen, betonte Rosenberger; doch fehle der säkularen Apokalyptik der Klimaschutzbewegung oft die Hoffnungsperspektive. Diese aktuelle „Krise der Hoffnung“ werde durch das häufig zu passive Verhalten kirchlicher Institutionen allerdings noch unterstützt. Eine neue „Spiritualität des Hoffens“ müsste sich entwickeln, dürfe aber nicht mit bloßem Optimismus verwechselt werden. Abschließend sprach der Moraltheologe über die Frage, wie sich eine neue Schöpfungsspiritualität auch liturgisch widerspiegeln könne: etwa in einer Neudeutung der Taufe als Parallele zur Sintflut, der Eucharistie als Danksagung aller Geschöpfe oder der Bestattung als Rückgabe des Menschen an die Erde.

Die „Inkarnation des Göttlichen“ müsse gedanklich, sprachlich und im eigenen Tun auf die ganze Schöpfung ausgeweitet werden, fasste Bischof Bertram die Vorträge am Ende eines intensiven und dichten Studientages zusammen, dessen Impulse er in ein Treffen mit den Umweltbeauftragten der deutschen Bistümer nehmen wolle. Dem Menschen sei zudem der Auftrag gegeben, immer ein Fragender zu bleiben. Mit einem feierlichen Abendgebet in der Hauskapelle endete die Veranstaltung.

Zu den Personen: 

Julia Enxing (* 1983) ist seit 2020 Professorin für Systematische Theologie am Institut für Katholische Theologie der Technischen Universität Dresden. Als solche befasst sie sich vor allem mit den Themenschwerpunkten Schuld und Sünde, Schöpfungstheologie, Gender Studies und Tier-Theologie. Seit Januar 2022 ist sie Teil des Sprecher/-innen-Teams der ARD-Sendung „Das Wort zum Sonntag“.

P. Martin Lintner OSM (*1972) wurde 2001 zum Ordenspriester geweiht und wirkt seit 2011 als Professor für Moraltheologie und Spirituelle Theologe an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen. Seine Schwerpunkte liegen auf dem Gebiet der Sozialethik und der Sexualmoral.

Michael Rosenberger (*1962) hat seit 2002 den Lehrstuhl für Moraltheologie an der privaten Katholisch-Theologischen Hochschule in Linz inne. Der Umweltsprecher des Bistums Linz beschäftigt sich in seiner Forschung vor allem mit den Bereichen Umwelt- und Tierethik, Schöpfungsspiritualität und den Beziehungen zwischen Mensch und Tier.