Tag 1: Synodale Gespräche in der Vollversammlung
Nicht nur die Sitzordnung war ungewöhnlich zu Beginn der Frühjahrsvollversammlung des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Augsburg - auch die Versammlung selbst verlief anders als sonst: Dank abgekürzter Regularien und eines nur schriftlich vorliegenden Berichtes der Vorsitzenden war Zeit für ein im besten Sinne synodales Gespräch der Laienvertreter mit ihrem Bischof. Eine synodale Kirche als Suchgemeinschaft - das war der Leitgedanke in intensiven zwei Stunden der Diskussion.
Als Grundlage hatte Bischof Bertram eine schriftliche "theologische Grundierung" vorbereitet, die er den Delegierten kurz mündlich vorstellte. Kernfrage, so der Bischof: "Wie können wir Gottes Willen gemeinsam suchen und finden?"
Bischof Bertram betonte, dass bei der Suche nach dem Willen Gottes in einer geistlichen Suchgemeinschaft es nicht darum gehe, das eigene Interesse durchzusetzen, sondern sich auf eine echte, ernstgemeinte und offene Suche einzulassen. Die Entscheidungspraxis zeige aber oft genug, dass jeder hauptsächlich seine eigene Lobby sei und das eigene „wohlverstandene Interesse“ durchsetzen wolle – bewusst oder unbewusst. Bischof Bertram: "Die interessenfreie – nicht interessenlose bzw. uninteressierte – innere Haltung ist ein geistliches Experiment. Ist eine Gemeinschaft in Entscheidungssituationen innerlich frei geworden gegenüber den möglichen Ereignissen, dann ist schon fast alles geschafft. Aber wie viel Ängste blockieren da oft? Biblische Situationen und Menschen sind Beispiele für beides: für innere Blockaden und für Schritte zur Freiheit."
Der Bischof erwähnte auch den Brief, den er gemeinsam mit vier anderen Bischöfen nach Rom geschrieben hatte, um zu fragen, ob die vom sog. Synodalen Weg geplanten Synodalen Räte auf Diözesan- und Pfarrebene dem katholischen Kirchenverständnis entsprechen. Bischof Bertram verteidigte das Vorgehen: "Die fünf Bischöfe haben nicht geschwiegen über ihre Vorbehalte - es gab nur auf bundesweiter Ebene keine Antwort."
In der Diskussion kam es dann zu einem regen Austausch zu zahlreichen aktuellen Themen wie zum Beispiel der Debatte über die Priesterweihe der Frauen. Der Bischof betonte, dass eine Zustimmung dazu für ihn keine Option sei - diese habe Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben "Ordinatio Sacerdotalis" von 1994 ausgeschlossen und Papst Franziskus habe inzwischen ebenfalls betont: "Die Tür bleibt geschlossen". Zum Thema der Segnung homosexueller Partnerschaften sagte Bischof Bertram: "Ich verweigere niemanden den Segen, aber ich muss das Exklusive der Ehe zwischen Mann und Frau hochhalten können - das sind für mich Pflöcke, die eingerammt sind."
"Es braucht Brückenbauer", rief Bischof Bertram den Delegierten zu, gerade auch als Reaktion auf Nachfragen, ob denn das Verhältnis zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem Vatikan zerrüttet sei. Man müsse die deutsche Stimme in Rom vorbringen, aber ebenso die römische Stimme in Deutschland hören. Mit Blick auf die bevorstehende fünfte und letzte Vollversammlung des Synodalen Weges kündigte der Bischof an, danach "nicht stehen bleiben" zu wollen, sondern die bestehenden Gremien immer noch synodaler zu machen. Bischof Bertram: "Wir müssen geistliche Energie freisetzen, um das Evangelium zum Glänzen zu bringen."
Nach zwei Stunden ging eine ehrliche und offene Diskussion zu Ende, in der ein Aspekt der Synodalität tatsächlich gelebt wurde - ganz so, wie es Bischof Bertram in seiner theologischen Grundierung formuliert hatte: "Wohlwollend, nicht polemisch, einfühlsam, nicht von oben herab, empathisch, nicht arrogant möchte ich meinen Gesprächspartnern begegnen. Gespräche sind Räume zum Wachsen. Vielleicht wäre es eine gute Möglichkeit zum eigenen Wachstum, den Wahrheiten der anderen in dem, was ich als Wahrheit erachte, Raum zu geben. Dann würden wir weniger ausgrenzen, sondern einander bereichern."
Der Große Saal im Haus Sankt Ulrich - an diesem Nachmittag war es tatsächlich ein Raum zum Wachsen.