Thomas Pfefferer: „Ich habe die Muttergottes als Chefin“
(Violau) Seit 2010 ist Thomas Pfefferer Pfarrer im idyllischen Marienwallfahrtsort Violau, und in dieser Zeit hat sich viel getan: Mit einer guten Portion Mut und Beharrlichkeit treibt er Projekte innovativ voran und scheut auch Konfrontationen nicht. Kraft gibt dem früheren Sanitätssoldaten, der seit 2017 das Dekanat Augsburg-Land leitet, vor allem der Kontakt mit der Jugend.
Punkt neun Uhr ertönt die Sakristeiglocke. Es ist Mittwochmorgen, also Zeit für die Wallfahrtsmesse am Gnadenaltar der St. Michaelskirche in Violau. Unter den wachsamen Augen des Gnadenbildes von 1688 schreitet in militärisch eingeübter Selbstsicherheit ein Mann zum Altar, der ein buntes Aufgabenportfolio in sich vereint. Thomas Pfefferer (51) ist Leiter der Pfarreiengemeinschaft Altenmünster-Violau und damit auch Wallfahrtspfarrer. Seit sechs Jahren wirkt er zusätzlich als Dekan. Als „Allrounder“, wie er sich selbst bezeichnet, übernimmt er aber auch Gärtner-, Kellner-, Mesner-, Organisten- und Hausmeisteraufgaben.
Was Hirten und Pfarrer gemeinsam haben
Seit einiger Zeit kümmert er sich nebenbei liebevoll um die Schafe seines muslimischen Nachbarn. Kain und Abel dürfen den steilen Hang vor der Kirche beweiden. Die zutraulichen Tiere scheinen die Streicheleinheiten regelrecht zu genießen und sind hörbar begeistert von den zusätzlichen Knabbereien, die er ihnen gerne vorbeibringt, versuchen ihre Meinung aber auch immer wieder ins Gespräch miteinzubringen. Für das Fotomotiv lassen sie sich bereitwillig vom Dekan umherschieben, bis dieser genau zwischen beiden auf den Boden kniet. Unweigerlich kommt einem dabei das Gleichnis vom „Guten Hirten“ in den Sinn, der sich um jedes der ihm anvertrauten Geschöpfe sorgt, hin und wieder aber auch die Richtung vorgeben muss.
Passenderweise spricht er immer wieder davon, wie gerne er unter Menschen ist, sich im Zuhören und Verstehen übt. Besonders die Arbeit in seinem Wallfahrtscafé bereitet ihm daher große Freude. Hier könne er mit Menschen ganz direkt in Kontakt kommen und Beziehungen knüpfen. Fremde anzusprechen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen, bereite ihm keine Probleme. So manche spannende Bekanntschaft habe sich so entwickelt.
Dekan Pfefferer und sein Einsatz für die Kirche
Er selbst gibt aber auch zu, dass er bekannt dafür sei, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Alles was ihn bewege, greife er auch im Gottesdienst auf, egal ob Klimakleber, Handysucht, negative Berichterstattungen, missbrauchsvertuschende Bischöfe oder Insekten-Snacks im Kühlregal. Nicht bei allen komme er mit seiner direkten und teils provokanten Art immer gut an.
Zu schaffen macht ihm vor allem das negative Bild der Kirche in der Öffentlichkeit. Der Ärger darüber, dass immer nur über schlechte Dinge berichtet wird, ist ihm regelrecht anzusehen. Als er das Thema einmal in einer Predigt aufgegriffen habe, sei diese sogar bis in die ZDF-Zentrale vorgedrungen. Nach der anschließenden Diskussion mit dem Fernsehsender hat er kurzentschlossen den Kanal aus seiner Senderliste gelöscht.
Neue Wege der Verkündigung
Seine überregionale Bekanntheit verdankt er dabei vor allem seinem YouTube-Kanal, auf dem er Gottesdienste überträgt. Die so erzielten Aufrufzahlen können sich sehen lassen: Pro Gottesdienst erreicht er zwischen 300 und 1500 Gläubige. Darauf ist er sogar ein wenig stolz. Die Sonntagsstreams erscheinen dabei auf auf den Bildschirmen im Altenheim der Pfarreiengemeinschaft oder flimmern auf internetfähigen Fernsehgeräten in den heimischen Wohnzimmern. Auch die Wallfahrtsmesse am Mittwoch wird live übertragen. Damit könne er seinen Plan verwirklichen, die Menschen dort abzuholen, wo sie eben seien. Das Internet stelle für die Verkündigung einen wichtigen Baustein dar und helfe dabei, auch jüngere Menschen zu erreichen. Resonanz auf seine Worte erhält er so aus ganz Deutschland. Demnächst will er sich auch einen Internet-Glasfaseranschluss in die Kirche legen lassen, um künftig eine Art „Public Viewing“ für Gottesdienste anbieten zu können. „Mir ist wichtig“, sagt er, „dass sich die Kirche nicht aus der Öffentlichkeit zurückzieht, weil sie sonst in der Bedeutungslosigkeit verschwindet.“
Das Dekanat Augsburg-Land in Kürze:
- Größe: 13 Pfarreiengemeinschaften & 12 Einzelpfarreien
- Bevölkerung: rund 75.000 Katholiken
- Gebiet: Zusammenschluss aus Dekanaten Dinkelscherben und Meitingen
- Prodekan: Reinfried Rimmel (Horgau)
Die Kirche der Zukunft
In seinem Amt bestärkt ihn vor allem die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen. Ministrantenpastoral ist bei ihm noch „Chefsache“, Religionsunterricht gehöre ebenfalls dazu. Hier nehme er sich gerne auch viel Zeit, sitze in gemütlicher Runde auch mal mit den erwachsenen Minis bis tief in die Nacht im Gruppenraum. Kneipenpastoral nennt er das. So diskutiert er dann auch über Zukunftssorgen, Beziehungsängste, das Gendern und die Rolle der Frau in der Kirche. So ist er sicher: „Eine weibliche Note würde der Kirche sicher guttun.“ Auch in der Pfarreiengemeinschaft und seinem Seelsorgeteam sei es ihm wichtig, die Stimmen und Meinungen aller wahrzunehmen und Menschen jeden Geschlechts entsprechend ihrer Begabungen einzusetzen. Sorgen um einen Kompetenzverlust macht sich der Priester dabei nicht: „Pfarrer müssen auch gar nicht alles selbst machen, sondern sollten auch mal Kontrolle abgeben können.“
Pfefferers Freude am Glauben
Seine direkte Umgangsart mit den Menschen hängt dabei auch mit seiner Zeit bei der Bundeswehr zusammen. Der gelernte Orgelbauer war nach seiner Lehre jahrelang Sanitätssoldat und wurde als Spätberufener erst mit 32 Jahren von Weihbischof Grünwald zum Priester geweiht. Es scheint fast so, als habe Thomas Pfefferer schon vor seiner Weihe nichts Anderes gemacht als heute. Überzeugt davon, dass Seele und Leib eine Einheit bilden, sei er schon damals für die Sorgen seiner Kameraden zuständig gewesen. Seine Art den Glauben offen auszuleben, rief ganz unterschiedliche Reaktionen hervor. So habe er auch gelernt, abwertende Kommentare zu seiner Religiosität auszukontern und nach Rückschlägen weiter zu machen.
Noch gut könne er sich auch an ein Gespräch mit einem jungen Rekruten erinnern, der ihn nach dem Grund seiner positiven Art gefragt habe. Seine damalige Antwort liest sich fast wie der Titel einer Biographie: „Ich bin gut drauf, weil ich gläubig bin.“ Treffender lässt sich das Leben und Wirken von Dekan Pfefferer wohl nicht zusammenfassen.
Text und Fotos: Leander Stork
September 2023
Hintergrund:
Nach der coronabedingten Unterbrechung des Formates erscheinen ab sofort wieder regelmäßig neue Portraits unserer Dekane auf der Bistumshomepage. Die anderen Texte aus dieser Reihe finden Sie ebenfalls auf unserer Homepage.