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Nachruf

Trauer um Rabbiner Dr. Henry G. Brandt

08.02.2022

Der langjährige Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg und Vorsitzende des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dr. Henry G. Brandt ist am Montag, 7. Februar, im Alter von 94 Jahren verstorben. Bischof Bertram blickt dankbar auf das Leben eines persönlichen Freundes zurück, auf dessen Rat und Weisheit er stets bauen durfte.

„Die Katholiken in Augsburg und weit darüber hinaus verlieren mit dem Tod von Rabbiner Dr. Henry Brandt einen ‚älteren Bruder‘, der in seinem Glauben treu und verlässlich war“, betont der Bischof in seiner Würdigung des Verstorbenen. „Ich persönlich durfte mich unter seine Freunde zählen und konnte auf seinen guten Rat und seine tiefe Weisheit, die er aus seiner profunden Kenntnis der heiligen Schrift und seinem tiefen Gottvertrauen zog, bauen. Er war mir ein echter „Spiritus Rector“, dessen Wort und Weisung mir auch als katholischem Geistlichen teuer und kostbar war, wenn ich selbst vor schwierigen Fragestellungen stand. Noch in den vergangenen Monaten hatten wir beide mehrfach Gelegenheit, im Jubiläumsjahr ‚1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland‘ gemeinsame Bibelabende zu gestalten. Beim Abschied am Ende des letzten Bibelabends lag schon ein wenig Wehmut in den Worten, die er mir schenkte. Möge seine Sehnsucht nach Leben in Fülle sich nunmehr verwirklichen.“

Henry Brandt wurde am 25. September 1927 in München als Heinz Georg Brandt geboren. Sein Vater war Frontsoldat im ersten Weltkrieg gewesen und besaß zwei Schuhgeschäfte in der Landeshauptstadt. 1939 gelang seiner Familie die Flucht über England nach Tel Aviv, wo er während des Israelischen Unabhängigkeitskriegs als Offizier diente. Nach einem Studium der Wirtschaftswissenschaften in Belfast und einer zwischenzeitlichen Beschäftigung als Marktanalyst begann Henry Brandt 1957 ein Rabbinerstudium am Leo Baeck College in London, das er 1961 erfolgreich mit der Semicha, also der Ordinierung zum Rabbiner, abschloss. In den folgenden 22 Jahren war er unter anderem als Gemeinderabbiner in Leeds, Genf, Zürich und Göteborg tätig.

Im Rahmen der 1. Jüdischen Kulturwoche Schwaben sprachen Bischof Dr. Bertram Meier, Regionalbischof Axel Piper und Rabbiner Dr. Henry Brandt (v.l.) im Oktober 2021 über das, "was gut ist".

Im Rahmen der 1. Jüdischen Kulturwoche Schwaben sprachen Bischof Dr. Bertram Meier, Regionalbischof Axel Piper und Rabbiner Dr. Henry Brandt (v.l.) im Oktober 2021 über das, "was gut ist".

1983 kehrte er nach Deutschland zurück und spielte eine Schlüsselrolle im Aufbau des jüdischen Gemeindewesens in der Bundesrepublik. Bis 1995 war er als niedersächsischer Landesrabbiner tätig, von 1995 bis 2004 wiederum als Landesrabbiner des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe mit Sitz in Dortmund. Von 2004 ab amtierte er schließlich fünfzehn Jahre lang als Gemeinderabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg. In dieser Funktion fungierte er zugleich auch als Amtsrabbiner der Jüdischen Kultusgemeinde Bielefeld. Neben seinen seelsorgerlichen Aufgaben war Rabbiner Brandt von 2004 an fünfzehn Jahre lang Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz.

Rabbi Brandt brachte sich vielfach in den religiösen Dialog in Deutschland ein. So war er von 1985 an 31 Jahre lang Vorsitzender des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit und wurde 2016 zu dessen Ehrenvorsitzenden ernannt. Zudem war er von 1988 bis 2016 Mitglied im Gesprächskreis „Juden und Christen“ des Zentralkomitees deutscher Katholiken. 2005 wurde er mit dem Muhammad-Nafi-Tschelebi-Preis der Stiftung Islam-Archiv-Deutschlands ausgezeichnet; 2015 wurde er von der Stadt Augsburg zum Ehrenbürger ernannt.