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Wichtiges
Zum Abschluss des Heiligen Jahres

Was ist Barmherzigkeit?

16.12.2016

Auf der Frühjahrsvollversammlung 2016 beschäftigte sich der Diözesanrat der Katholiken mit dem Thema „Barmherzigkeit“. Es referierte Prof. Dr. Gerda Riedl zum Thema „Barmherzigkeit: Ermutigung, Respekt und fürsorgende Liebe“. Die Professorin für Dogmatik an der Universität Augsburg ist Leiterin der Hauptabteilung: Grundsatzfragen: Glaube und Lehre - Hochschule - Gottesdienst und Liturgie am Bischöflichen Ordinariat Augsburg. Wir geben eine autorisierte Kurzfassung dieses instruktiven Vortrags wieder:

„Jesus Christus ist das Antlitz der Barmherzigkeit des Vaters.“ So lautet der erste Satz der Verkündigungsbulle des Heiligen Jahres, woraus sich ihr Titel „Misericordiae vultus“, „Antlitz der Barmherzigkeit“ ergibt. Dieser Satz steht im Zentrum der christlichen Frohbotschaft. Schon der Name „Jesus Christus“ weist über die Lebensgeschichte des Jesus von Nazareth hinaus, der durch seine Auferstehung Prototyp unserer Auferstehung geworden ist. Damit ist nicht nur die Grenze des Todes aufgehoben, sondern in vielerlei Hinsicht die Begrenztheit des Menschen durch Schmerz, Leid und Sünde.

Das Antlitz (oder Gesicht) Jesu Christi aus diesem Kernsatz steht für die uns zugewandte Seite Gottes: Er schaut uns an, nimmt uns wahr, wie wir sind. In der Orthodoxie stellt der Anblick der Ikone, die als wahres Bild oder Abbild (im Gegensatz zum Trugbild) gilt, eine Verbindung zum Heiligen oder Göttlichen her. Christus ist das Antlitz des Vaters, weil das Erbarmen des Vaters die uns zugewandte Seite Gottes ist und sich darin unübertroffen personale Begegnung zwischen Gott und Mensch ereignen kann.

Barmherzigkeit ist der passende Ausdruck für die erbarmende und befreiende Liebe Gottes. Das Übermaß der Liebe Gottes erstreckt sich auf jeden von uns Menschen, der diese Liebe nicht zurückweist. Das lateinische Wort „Misericordia“ setzt sich zusammen aus „miser“ und „cor“ – „elend, arm“ und „Herz“. Durch die Barmherzigkeit kommt unsere Bedürftigkeit in den Blick.

Der barmherzige Samariter (Lk 10,25-37) wird zur Ikone Christi. Zugleich begegnet dem Barmherzigen Christus selbst: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40) Das erste Haltungs- und Verhaltensziel der Barmherzigkeit ist die Güte als Antwort auf die Bedürftigkeit, das zweite die Nähe zu den Bedürftigen und das dritte die Selbstlosigkeit als zeitweises Absehen von sich selbst für die Bedürftigen. Wer sie lebt, kann selbst christusförmig und damit Ikone Christi werden.