Menü
Wichtiges
Seligsprechung

„Wunder des Neuanfangs“

19.10.2022

Im norditalienischen Boves sind an diesem Wochenende mit Giuseppe Bernardi und Mario Ghibaudo zwei katholische Priester seliggesprochen worden, die 1943 gemeinsam mit zahlreichen anderen Menschen von deutschen Soldaten umgebracht wurden. Bei den Feierlichkeiten war auch eine Delegation aus der Pfarrei Schondorf am Ammersee dabei, die mit Boves schon seit Jahren eng verbunden ist.

Ganz der biblischen Vorgabe zum „Dienst an der Versöhnung“ folgend hätten katholische Christen aus Boves 2013 den Kontakt mit der Pfarrei Schondorf gewagt, nachdem sie mit der Ammerseegemeinde den Grabesort des für das Massaker verantwortlichen SS-Offiziers Joachim Peiper ausgemacht hatten. Dies sei kein selbstverständlicher Schritt gewesen, sondern habe Mut erfordert, betonte Bischof Bertram in einem Grußwort, dass während des Festgottesdienstes auf Italienisch verlesen wurde.

Bereits die jüdische Philosophin Hannah Arendt habe die Vergebung zwischen Menschen als ein „Wunder des Neuanfangs“ bezeichnet, so der Bischof: „Mit ihrer Handlungsinitiative ging die Pfarrgemeinde San Bartolomeo, Opfer des nationalsozialistischen Terrors, rückblickend ein Wagnis ein, weil nicht absehbar war, was aus ihrer Anfrage werden wird. Die allermeisten unter Ihnen wissen, dass sich aus dieser Initiative heraus eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden Pfarreien aus dem Bistum Augsburg und dem Piemont entwickelt hat und im letzten Jahr auch die politischen Gemeinden eine offizielle Städtepartnerschaft eingegangen sind.“

Allen in dieser Partnerschaftsarbeit Engagierten sei er zu aufrichtiger Dankbarkeit verpflichtet, schloss der Bischof und rief dazu auf, das Gebet um den Frieden niemals einschlafen zu lassen: „Mögen uns dazu die beiden neuen Seligen ein leuchtendes Vorbild und hilfreiches Zeugnis, kraftvolle Fürsprecher und tatkräftige Helfer sein!“

Im September 1943 kam es zur Kapitulation des zuvor mit Deutschland verbündeten Italiens, woraufhin deutsche Soldaten damit begonnen, italienische Truppen zu entwaffnen. Zwei Wehrmachtssoldaten, die am 19. September in Boves nahe der französischen Grenze ein Militärdepot beschlagnahmen wollten, wurden daraufhin von italienischen Partisanen festgenommen. Als bei einer ersten Befreiungsaktion ein deutscher Soldat getötet wurde, drohte der örtliche Befehlshaber Joachim Peiper mit der Zerstörung des gesamten Ortes Boves. Der Boveser Ortspfarrer Giuseppe Bernardi (1897-1943) sowie ein weiterer Vertreter der Ortsgemeinschaft bemühten sich um Vermittlung, doch eröffneten die deutschen Truppen bereits vor Ende der Verhandlungen das Feuer auf die Menschen in Boves und steckten hunderte Gebäude in Brand, darunter auch die Ortskirche.

Insgesamt wurden 22 Zivilistinnen und Zivilisten ermordet, wozu neben Pfarrer Bernardi auch der erst wenige Monate zuvor zum Priester geweihte Kaplan Mario Ghibaudo (1920-1943) zählte. Er wurde erschossen, während er einem Opfer des Massakers die Sterbesakramente erteilte. Joachim Peiper wurde 1968 in Stuttgart für seine Beteiligung an dem Massaker angeklagt, doch kam es nie zu einem Prozess. Er kam unter bis heute ungeklärten Umständen 1976 in Frankreich ums Leben und wurde in Schondorf begraben, obwohl er selbst vermutlich nie in dem Ammerseeort war.

Die beiden Geistlichen wurden im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes in Boves durch den Präfekten des Dikasteriums für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse Marcello Kardinal Semeraro seliggesprochen. Der Gottesdienst kann hier nachverfolgt werden. Eine Reportage zu der Partnerschaft zwischen Boves und Schondorf finden Sie auf dieser Seite.