Menü
Wichtiges
Predigt von Bischof Bertram anlässlich des 300-jährigen Kirchweihjubiläums von Maria Trost bei Nesselwang

Als Getröstete andere trösten

26.07.2025

Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst, liebe Schwestern und Brüder im Herrn, 300 Jahre Wallfahrtskirche Maria Trost – ich freue mich, dieses Jubiläum mit Ihnen zu feiern! Es ist nicht die einzige Kirche, die im Jahr 2025 diese stolze Zahl erreicht. Allein im Oktober werde ich drei weitere Orte im Ostallgäu aus demselben Anlass besuchen: Bernbeuren, Leuterschach und Rieden am Forggensee.

Das Kirchweihjubiläum führt uns zurück in eine Blütezeit des Katholizismus und der Wallfahrten. Voraus ging der Dreißigjährige Krieg, in dem auch das Allgäu von Plündereien, Hunger und Pest schwer getroffen wurde. Die Kirchenbauten und das ausgeprägte Wallfahrerwesen erzählen uns von der Dankbarkeit der Bevölkerung, aber auch von ihrer Sehnsucht nach Trost und nach Schönheit, um die Gräuel zu überwinden, die sich tief in das Gedächtnis der ortsansässigen Familien verankert hatte. So reiht sich Maria Trost in das Phänomen einer Epoche ein und weist doch auch seine ganz eigene Geschichte auf. Die Wallfahrt auf dem Wankerberg begann bereits Jahre vor dem ersten Kirchenbau mit einem Muttergottes-Bild und einer Emeritage. Wir dürfen die Malerei in variierenden Darstellungen gleich mehrmals in dem kleinen Kirchlein entdecken: Auf Votivbildern, im Deckenfresko und ganz zentral am Hochalter. Was sehen wir auf dem Gnadenbild, das die Menschen über Jahrhunderte hinweg anrührt?

Es zeigt die Gottesmutter und das göttliche Kind. Etwas sehr Zartes spricht uns daraus an: Mit Fingerspitzen hält Maria ein hauchdünnes Tuch über den kleinen Jesus. Die Blicke der beiden sind einander zugewandt. Das Bild vereint Ruhe und Bewegung: das Kind, einem Säugling entsprechend vielleicht etwas zappelig, streckt die Ärmchen der Mutter entgegen. Sie ist anmutig gewandet und ihre ganze Haltung strahlt Ruhe aus. Sie neigt sich dem Gottessohn zu, der nackt, in aller Natürlichkeit, gebettet auf einem weißen Kissen, vor ihr liegt. Es ist das Antlitz des barmherzigen Gottes, das uns in Maria Trost begegnet. Wer hierher pilgert, sieht bis heute in diesem Bild Trost und Hoffnung.

Solange der Mensch einen Ort hat, wo er seine Sorgen loswerden kann, solange trägt er Hoffnung im Herzen. Seit 1658 kommen Menschen an diese Stelle, um ihre Bitten, aber auch ihren Dank vor Gott zu bringen. Jede und jeder trägt seinen ganz individuell gefüllten Rucksack den Berg hinauf; und doch drücken nicht zuletzt die regelmäßig stattfindenden Wallfahrermessen aus, dass wir gemeinschaftlich miteinander verbunden sind. Gott selbst spricht uns zu: Du bist mit deinen Sorgen nicht allein! Zu den Hoffnungspilgern dürfen wir auch alle Wanderer rechnen, die mehr oder weniger zufällig hier vorbeikommen und für einige Augenblicke einkehren. In aller Stille finden zur Hochsaison wohl täglich Gebete von hieraus ihren Weg in den Himmel.

Wenngleich das ursprüngliche Bild der Legende nach wie durch ein Wunder vor zerstörerischen Flammen bewahrt blieb, so ist es umso erstaunlicher, dass die Wallfahrt auf dem Wankerberg von frühester Zeit „nur“ eine Kopie verehrte, sozusagen ein Bild vom Bild. Drei Überlegungen möchte ich an dieses geschichtliche Detail anknüpfen:

1. Ein Gnadenbild ist keine Magie

Das beweist uns: hinter der Wirkung eines Gnadenbildes steckt keine Magie. Es kommt nicht allein auf den Verehrungsgegenstand an. Hier wurden Gebete erhört und Heilungen sind geschehen, als das Originalbild längst nicht mehr in der Nähe war. In der Pilgerschaft kommt es auf die Hingabe des Menschen an, auf sein Vertrauen; darauf, dass er überhaupt aufbricht, äußerlich wie innerlich, dass er sich auf den Weg macht zu Gott und ihn mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft sucht. Da liegt offenbar Segen drauf!

2. Das Lebenszeugnis der Eremiten

Es war nicht nur ein Bild - sei es nun Original oder Kopie, das die Menschen hier im 17. Jahrhundert auf dem Wankerberg vorgefunden haben. Der Baron Rudolph von Grimming zog sich hier in die Einsamkeit zurück und es sollten weitere folgen. Sein Schicksal[1] zeigt, dass Menschen mit einem besonderen Draht zum Herrgott damals wie heute nicht vor Kritikern verschont bleiben. Es zeigt aber auch, dass sich über Jahre hinweg viele Menschen aus den umliegenden Dörfern dem Gebet des Eremiten anvertraut haben. Dieses Gnadenbild ist nicht vom Himmel gefallen; es wurde von einem Menschen hierhergebracht, der sein Leben Gott gewidmet hat. Das führt uns zum letzten Punkt.

3. Wir sind gerufen, Bild Christi zu sein

Jesus macht Gott sichtbar; er ist das Bild des unsichtbaren Gottes. Die Seligpreisungen aus dem Evangelium fordern uns regelrecht dazu auf, dass wir Christus in unseren Haltungen und unseren Handlungen ähnlich werden, dass wir sozusagen Bild vom Bild zu werden. Er ist unser Original und wir dürfen ihn nachahmen, nicht als Eins-zu-eins-Kopie, sondern jede und jeder von uns auf ganz individuelle Weise: Trost spenden, Gefangene besuchen, Niedergeschlagenen und Verzweifelten einen Weg zurück ins Leben weisen, Armen in Not aushelfen, einander Unterstützung und Ermutigung schenken. Wir alle haben tagtäglich Möglichkeiten, die Frohe Botschaft erfahrbar werden zu lassen.

Ich halte es für eine schöne Fügung, dass sich angrenzend an Maria Trost das Bergheim, ein Haus für Jugendfreizeiten befindet.[2] Lassen wir uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die kommende Generation mit allerlei Sorgen zu kämpfen hat. Viele blicken der Zukunft angesichts persönlicher und globaler Herausforderungen ungewiss entgegen. Wir Älteren sind verpflichtet, den jüngeren Generationen ein Hoffnungserbe anzuvertrauen: Gott hält dein Leben und die Welt in seinen guten Händen; das entbindet nicht von Verantwortung für sich, die Umwelt und den Nächsten, aber es liegt ein unüberbietbarer Trost darin!

An dieser Stelle sage ich herzlichen Dank an alle, die das Erbe der Wallfahrt zu Maria Trost aufrechterhalten – mit Treue und Gebet, aber auch mit aller materiellen Fürsorge, die zu so einem Ort gehört. Ihr Tun ist ein Liebesdienst an Gott und am Nächsten. Vergelt´s Gott dafür!

Sie alle möchte ich ermutigen: Vertrauen Sie dem Zeugnis Ihrer Vorfahren an diesem Ort. Ich wünsche Ihnen die tiefe Gewissheit, dass Gott tröstet und Leben in Fülle schenken will. Zu allen Zeiten hatten Menschen ihre Sorgen; auch das ist durch die ununterbrochene Wallfahrt bewiesen. Und zu allen Zeiten haben Menschen hier auf die Fürsprache Mariens bei Gott Trost und Rat gefunden. Das soll Sie alle, die Sie hier in Nesselwang und Umgebung leben, in jeder Situation stärken.

Und wann immer ihr Blick auf eines der Maria Trost Bilder fällt, denken Sie daran, dass wir als Christen der Welt etwas zu geben und zu sagen haben. Behalten Sie das Gute nicht für sich! Werden Sie selbst zu Trösterinnen und Tröstern für die Menschen in unserem Umfeld und machen Sie andere auf den niemals endenden Trost aufmerksam, der vom Himmel kommt.

[1] Rudolph von Grimming musste 1663 trotz großen Rückhalts in der Bevölkerung das Gebiet des Hochstifts Augsburg verlassen, da aus dem nahen kirchlichen Umfeld verschiedene Vorwürfe gegen ihn erhoben wurden. Jüngere Forschung zeigt, dass die Vorwürfe wohl mehr auf Missgunst als auf Tatsachen beruhten. Vgl. Luda, Margot / Greß, Franz Xaver: Wallfahrtskirche Maria Trost bei Nesselwang im Allgäu (Schwäbische Kunstdenkmale, Heft 31). Weißenhorn 1986.

[2] An Stelle einer ehemaligen, aus dem 18. Jahrhundert stammenden Eremitage.