„Wer anklopft, dem wird geöffnet“
Liebe Schwestern und Brüder, „Gott ist hier, an heiliger Stätte. Gott versammelt sein Volk in seinem Haus, er schenkt ihm Stärke und Kraft.“ So lauten die Worte des Eröffnungsverses der heutigen Messfeier, die wunderbar zum festlichen Anlass des Tages passen: dem Abschluss der Generalrenovierung dieser schönen Pfarrkirche St. Sixtus in Moorenweis, an der östlichen Grenze unseres Bistums. Es ist für mich immer wieder eine Freude, wenn ich die Meldung bekomme, dass eine Sanierung geglückt und die Arbeiten erfolgreich abgeschlossen sind. Dabei ist es nicht nur der wiedergewonnene Glanz eines Kirchenbaus, der mich erfreut, sondern die Tatsache, dass Haupt- und Ehrenamtliche einer Pfarrei sich gemeinsam um „ihre“ Kirche gesorgt und auf verschiedene Weise zur Renovierung beigetragen haben – sei es durch Planung, praktisches Hand anlegen oder Unterstützung durch Spenden. Hierfür möchte ich mich ganz herzlich bei allen bedanken, die einen Beitrag geleistet haben, und „Vergelt’s Gott“ sagen!
Gerne bin ich der Einladung gefolgt und persönlich gekommen, um mit Ihnen zusammen diesen Festtag zu begehen und das Patrozinium zu feiern. Lassen Sie uns gemeinsam des hl. Papstes Sixtus II. gedenken, der uns ein leuchtendes Beispiel an Glaubensstärke gegeben hat. Als 24. Papst der katholischen Kirche las er die gleichen Lesungen, die wir vorhin gehört haben, und machte sich Gedanken. Ich möchte heute vor allem einen, eher unscheinbaren Vers aus dem Evangelium herausgreifen, in dem ich ein Bild von Kirche erkenne, das ich mir nicht nur für die Pfarrei St. Sixtus in Moorenweis wünsche, sondern für das ganze Bistum. Der Vers lautet: „Wer anklopft, dem wird geöffnet.“ (Lk 11,10)
1. Wer anklopft…
Schon der erste Teil dieses kurzen Satzes bringt für mich etwas Wesentliches zum Ausdruck: Gott selbst fordert uns in der Person Jesus Christus dazu auf, bei ihm „anzuklopfen“, soll heißen, uns mit all unseren Anliegen an ihn zu wenden. Generell handelt ja das ganze Evangelium heute vom Beten und der Frage, wie man das eigentlich macht. Jesus gibt uns in doppelter Hinsicht Hilfestellung: Zum einen lehrt er uns das Vaterunser als ein Gebet, das wir als Christinnen und Christen nicht nur in jeder Heiligen Messe, sondern am besten täglich beten sollen. Dieses „Gebet des Herrn“ sagt so viel über Gott und sein Wesen aus. Allein die Anrede - „Vater“ (Lk 11,2) – drückt nicht nur die besondere Beziehung zwischen Jesus und seinem himmlischen Vater aus, sondern will auch uns ermutigen daran zu glauben, dass der allmächtige Herr und Schöpfer des Universums uns weniger als Herrscher, sondern vielmehr in väterlicher Liebe und Fürsorge begegnen will. Dementsprechend brauchen wir auch keine Angst vor ihm zu haben. Ehrfurcht vor seiner Größe, ja, aber keine Angst. Denn sein Reich, um dessen Kommen wir bitten (vgl. Lk 11,2), ist kein politisches Machtsystem, das auf Unterdrückung und Bestrafung setzt, wie wir es hier auf Erden oft erleben, sondern ganz im Gegenteil; es geht um eine befreiende Botschaft für alle, die unter Armut und Ungerechtigkeit leiden. Auch die folgenden Bitten des Vaterunsers bestätigen das Bild eines Gottes, der genau weiß, was wir brauchen (Bsp. „unser tägliches Brot“ – vgl. Lk 11,3), der aber auch um unsere Fehler weiß und Wege der Heilung aufzeigt (vgl. Lk 11,4).
Nachdem er seinen Jüngern diese hoffnungsvolle Selbstauskunft gegeben hat, legt Jesus aber sogar noch nach, indem er ihnen das Gleichnis vom bittenden Freund erzählt (vgl. Lk 11,5-8). Damit will er aussagen, dass Gott zwar der ganz Andere ist, dessen Namen allzeit geheiligt werden soll (Lk 11,2), zugleich aber wie ein Freund für uns da sein will. Die meisten von uns werden wohl schon die Erfahrung gemacht haben, welch ein Segen es ist, wenn man in bestimmten Situationen einen guten Freund oder eine gute Freundin hat, auf die man zählen kann. Das sind Menschen, die man um Hilfe bitten oder um Rat fragen kann, aber auch solche, die einfach nur zuhören können, und einen in allen Höhen und Tiefen auf dem Lebensweg begleiten. Genau so will Gott sein und er lädt uns in Jesus Christus dazu ein, zu ihm zu kommen und „anzuklopfen“.
Ich sehe darin auch einen Aufruf an uns als Kirche. Denn es nützt nichts, wenn wir die schönsten Kirchenräume renovieren und Portale schmücken, solange wir nicht gleichzeitig die Tore unseres Herzens öffnen und einladend sind für alle Menschen, denen wir begegnen. Zu oft haben wir gedacht, es reicht, wenn wir darauf achten, dass der Kirchenbau einigermaßen in Schuss ist. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, das ist wichtig und ich bin sehr dankbar. Aber noch wichtiger ist, dass dieses Gebäude mit Leben gefüllt wird, in dem Menschen zusammenkommen und einen Ort finden, an dem sie Gemeinschaft mit Gott und untereinander erleben, sei es in den liturgischen Feiern, bei Kirchenkonzerten oder im stillen Gebet. „Gott ist hier, an heiliger Stätte. Gott versammelt sein Volk in seinem Haus, er schenkt ihm Stärke und Kraft.“, habe ich eingangs gesagt. Nutzen Sie diese Chance und kommen Sie oft hierher in diese Kirche, wo Sie manche Sorgen des Alltags loswerden und Zuversicht finden können. Dass dies nicht nur ein frommer Wunsch, sondern eine göttliche Zusage ist, macht der zweite Teil des Satzes klar: „Wer anklopft, dem wird geöffnet!“
2. …dem wird geöffnet.
Der Theologe Karl Rahner hat uns dazu einen schönen Gedanken mitgegeben:
„Die Worte, die wir zu Gott sagen, sie können leise und arm und schüchtern sein. Wenn sie nur von Herzen kommen. Und wenn sie nur der Geist Gottes mitbetet. Dann hört sie Gott. Dann wird er keines dieser Worte vergessen. Dann wird er die Worte in seinem Herzen aufbewahren, weil man die Worte der Liebe nicht vergessen kann. Und dann wird er uns geduldig, ja selig weiter zuhören, ein ganzes Leben lang, bis wir ausgeredet haben, bis wir unser ganzes Leben ausgeredet haben.“
Etwas vereinfacht könnte man sagen: Wer hierher nach St. Sixtus kommt und sich im Gebet an Gott wendet, der darf sicher sein, dass der Herr sein Anliegen hört. „Bittet und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden“ (Lk 11,9), verspricht uns Jesus. Denken wir an die Begebenheit aus der ersten Lesung, in der Abraham mit Gott regelrecht zu feilschen beginnt und trotz aller Vergehen der Menschen in Sodom und Gomórra an seine Gerechtigkeit appelliert (vgl. Gen 18,25). Und der Herr lässt sich erweichen, da er ein Gott des Lebens und der Barmherzigkeit ist, der nicht strafen, sondern retten will, wie es auch im Brief des Apostels Paulus an die Kolosser ausgedrückt wird (vgl. Kol 2,13f.).
Nun zeigt die Erfahrung der Menschen jedoch, dass es nicht immer so läuft, und manche Bitte von Gott nicht erhört zu werden scheint. Schon die Kirchenväter haben sich darüber Gedanken gemacht und sind zu der Erkenntnis gelangt, dass es manches Mal Geduld braucht, oder aber, dass es aus der Sicht Gottes Gründe geben mag, warum eine Bitte nicht erfüllt werden kann. In jedem Fall dürfen wir sicher sein, dass Gott unser Heil will, denn das hat uns Jesus unzählige Male durch Worte und Taten bekräftigt. Nicht zuletzt versprach er uns, auch im Hier und Jetzt, immer bei uns zu sein durch seinen Heiligen Geist, den er allen zusichert, die darum bitten (Lk 11,13).
Liebe Schwestern und Brüder,
„Wer anklopft, dem wird geöffnet!“ Ich wünsche allen Gläubigen der Pfarreiengemeinschaft Moorenweis/Türkenfeld, dass sie an diese Zusage glauben können und Jesus alles anvertrauen, was sie im Herzen tragen. Zugleich wünsche ich mir, dass nicht nur die Türen dieser neu renovierten Pfarrkirche allen offenstehen, die Gott suchen, sondern auch die Pfarrei insgesamt ein Ort sei, an dem jede und jeder willkommen ist, und sich mit den unterschiedlichen Talenten und Fähigkeiten einbringen kann. Bitte haben Sie dabei aber auch immer den Blick für diejenigen, denen es momentan nicht gut geht, und stärken Sie diese durch konkrete Taten der Nächstenliebe. Das nämlich ist die Kirche, von der Jesus sprach und die er uns vorgelebt hat: Offen, geisterfüllt und solidarisch!
Schriftlesungen vom 17. So. i. Jahreskreis: Gen 18,20-32; Kol 2,12-14; Lk 11,1-13