"Appell für das Leben"
Anlässlich der bevorstehenden Abstimmung zur gesetzlichen Neuregelung des assistierten Suizids haben sich Bischof Dr. Bertram Meier und die Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Augsburg, Hildegard Schütz, in einem offenen Brief an den Deutschen Bundestag gegen eine Normalisierung der Beihilfe zum Suizid ausgesprochen. Hier der Text im Wortlaut:
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des 20. Deutschen Bundestags,
mit großer Sorge haben wir die Meldung über den von Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) und Katrin Helling-Plahr (FDP) gemeinsam vorgelegten Gesetzentwurf wahrgenommen – nur drei Wochen vor der für Anfang Juli 2023 geplanten Gesetzesabstimmung im Bundestag. Unseres Erachtens geht der Gesetzentwurf zu weit, wenn jedweder volljährigen Person deutscher Staatsangehörigkeit, die aus freiem Willen ihr Leben beenden möchte, ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben eingeräumt wird. Als Bischof von Augsburg und Vorsitzende des Diözesanrates der Katholiken im Bistum Augsburg, das als oberstes Laiengremium die rund 1,2 Millionen Katholikinnen und Katholiken vertritt, treibt uns das Thema Schutz des Lebens, gerade auch in seinen vulnerabelsten Phasen am Beginn und Ende, in hohem Maße um. Deswegen appellieren wir eindringlich an Sie, bei der Abstimmung gegen diesen Gesetzentwurf zu stimmen.
Uns ist durchaus bewusst, dass durch den Rechtsspruch des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2020, wonach die Selbsttötung, auch mit Hilfe Dritter, zum Recht auf Selbstbestimmung gehöre, die Politik vor die schwierige Aufgabe gestellt ist, die Gesetzeslage diesem Urteil entsprechend anzupassen. Seitdem wurden, wie Ihnen bekannt ist, verschiedene Gesetzentwürfe entwickelt, diskutiert und um Mehrheiten gerungen. Der „wie aus dem Hut gezauberten“ liberalen Gesetzesvorlage steht ein ebenfalls parteiübergreifender Gesetzentwurf um Lars Castellucci (SPD) entgegen, der die Suizidbeihilfe auch weiterhin über das Strafrecht regeln will, was wir prinzipiell befürworten – obwohl wir auch hier für weitere Verbesserungen eintreten.
Als engagierte Christen glauben wir, dass es uns als Menschen nicht zusteht, das Leben selbst zu nehmen; dennoch sind wir uns dessen bewusst, dass Menschen in eine extreme Notlage kommen können, die den Suizid als letzten Ausweg für sein Leben erscheinen lässt. Deshalb ist es zentral und wichtig, körperlich und seelisch leidenden und sterbenden Menschen Zuwendung entgegenzubringen, sie empathisch zu begleiten, ihre Würde zu achten und sie ganzheitlich zu unterstützen. Die katholische Kirche bietet dazu breit angelegte, alle Lebensbereiche umfassende Beratungs- und Unterstützungsangebote in allen Lebensphasen an und nicht zuletzt eine würdevolle Palliativ- und Hospizversorgung, aber auch Angebote zur Suizidprävention.
Die Beihilfe zum Suizid, der assistierte Suizid auch nach vorgeschriebener Beratung, darf deshalb kein übliches Mittel der Wahl werden oder gar beworben werden. Hier haben Sie als Bundestagsabgeordnete bei der bevorstehenden Abstimmung eine große Verantwortung. In diesem Sinne bitten wir Sie um eine umsichtige Abstimmung und appellieren nochmal an Sie: Lehnen Sie die allzu weitreichende(n) Gesetzesvorlage(n) ab und stimmen Sie „für das Leben“!
+ Dr. Bertram Meier
Bischof von Augsburg
Hildegard Schütz
Diözesanratsvorsitzende