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Wichtiges
Wallfahrt der Vertriebenenverbände

Auf der Pilgerreise unseres Lebens

22.05.2022

Seit Jahrzehnten ist die barocke Wallfahrtskirche Schönenberg nahe Ellwangen (Diözese Rottenburg-Stuttgart) vielen Frauen und Männern zur Heimat geworden, die ihre eigenen Herkunftsorte einst durch Flucht und Vertreibung verlassen mussten. So kamen auch an diesem Sonntag wieder etliche Pilgerinnen und Pilger zu diesem bekannten Wallfahrtsort, um gemeinsam ihren Glauben zu feiern und ein Zeichen für Frieden und Versöhnung zu setzen.

„Frieden ist nicht nur eine Aufgabe, die uns strategisch-politisch-diplomatisch aufgetragen ist. Friede ist auch Gabe von oben, Geschenk des Himmels“, betonte Bischof Dr. Bertram Meier in der Predigt während des Gottesdienstes zur diesjährigen Wallfahrt der Vertriebenenverbände. Der Bischof war der Einladung der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Vertriebenenorganisationen (AKVO) der Nachbardiözese gefolgt und kam an den bekannten Wallfahrtsort, der bis zur Säkularisation selbst Teil des Bistums Augsburg war. Vielleicht hörten wir gerade jetzt, wo die Corona-Pandemie durch den Krieg in der Ukraine in den Hintergrund gedrängt wurde, das Wort Jesu vom Frieden mit neuer Aufmerksamkeit: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch“.

Der Bischof ergänzte nachdenklich: „Haben wir bis vor kurzem nur auf den Frieden der Welt vertraut, ohne auf die klare Unterscheidung zu achten, die Jesus hier vornimmt?“ Zudem gab er zu bedenken, dass Menschen nicht nur mit Waffen verletzen könnten, sondern auch mit Worten und Blicken. „Wer kein Ansehen genießt, wer übersehen wird, fühlt sich schwach und kraftlos und neigt dazu, unwillkürlich immer mehr dem Bild zu entsprechen, das sich andere von ihm machen.“

Bischof Bertram motivierte die Wallfahrer, egal welcher Generation sie sich zugehörig fühlten, sich nicht einfach an den Wegrand zu setzen und aufzugeben, sondern auf der „Pilgerreise unseres Lebens, die kostbare Stütze durch die Gemeinschaft“ zu erfahren. Ziel dieser Reise sei die ewig-alte und die neue Heimat zugleich: „Das Leben bei dem, der uns geschaffen hat, von dem wir ausgegangen sind und der uns am Ende der irdischen Wanderschaft mit offenen Armen empfängt“, sagte er zu den Wallfahrern, die selbst oder deren Eltern in Folge des Krieges ihre Heimat verlassen mussten.

„Nutzen wir Ausnahmetage wie diese Wallfahrt zur Rück-Besinnung, zur Neu-Ausrichtung auf den, der unser Leben in Händen hält: Er ist Ausgang, Mitte und Ziel unseres Weges. (…) Was auch immer Sie an Sorgen und Not auf den Schönenberg heraufgetragen haben, lassen Sie es da“, gab der Bischof den Pilgerinnen und Pilgern mit auf dir vor ihnen liegende Wegstrecke. Im Gegenzug empfahl er von dieser Gnadenstätte das Vertrauen darauf einzupacken, dass Gott alle Wege mitgehe, wie es der Jesuit Alfred Delp kurz vor seiner Hinrichtung im Gestapo-Gefängnis niederschrieb.

Für die musikalische Gestaltung der Wallfahrt kam eigens ein Schülerchor des Cyril-Method-Gymnasiums Brno (Brünn) aus Tschechien.

Schon kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs kamen Heimatvertriebene zu ersten Wallfahrten auf dem Schönenberg zusammen. Bereits 1950 nahmen 20.000 Wallfahrer daran teil. Eine Zahl, die in den Folgejahren noch gesteigert wurde. Die katholischen Vertriebenenverbände wie etwa die Ackermann-Gemeinde, das St.-Gerhards-Werk, der Hilfsbund Karpatendeutscher Katholiken und die Eichendorff-Gilde der Schlesier haben die Wallfahrt in den vergangenen Jahrzehnten gemeinsam organisiert und ausgerichtet. Dies geschieht bis heute unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Vertriebenenorganisationen (AKVO) in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Die Zusammenkunft auf dem Schönenberg nahe Ellwangen zählte zu den größten Vertriebenenwallfahrten in Europa und fand heuer zum 72. Mal statt.

Im Jahre 1682 wurde der Grundstein für die erste Kirche auf dem Schönenberg durch den Augsburger Bischof Johann Christoph von Freyberg gelegt. Anlass war die Verschonung der Stadt Ellwangen vor einem verheerenden Brand im Jahre 1681. Das Bauwerk wurde nach Plänen des Architekten Michael Thumb nach dem Vorarlberger Münsterschema erstellt und im Jahre 1685 geweiht. 1709 brannte die Kirche nach einem Blitzschlag vollständig aus. Noch im selben Jahr begannen die Arbeiten zur Restaurierung des Bauwerks. Die neue Kirche wurde schließlich im Jahre 1729 fertiggestellt und am 15. Mai 1729 durch Weihbischof Johann Jakob von Mayr aus Augsburg geweiht. Bis zum Jahre 1817 befand sich hinter dem Gotteshaus die katholisch theologische Fakultät der Universität Tübingen. Heute werden diese Räumlichkeiten als Tagungshaus der Diözese Rottenburg-Stuttgart genutzt.