Als Christen „Flagge zeigen“: Das ist unsere Mission für die Gesellschaft
Der heutige 4. Ostersonntag wird kurzgefasst als „Gute-Hirten-Sonntag“ bezeichnet. Das Evangelium stellt uns Jesus Christus als den guten Hirten vor der für uns sorgt; der dafür sorgt, dass wir „niemals zugrunde gehen“, und der uns ruft: „Meine Schafe hören auf meine Stimme und sie folgen mir“, Gott ruft jede und jeden Einzelnen von uns.
Weltweit wird dieser Sonntag als „Weltgebetstag um geistliche Berufe“ begangen. Dies leitet sich aus dem Motiv des Hirten ab, der für seine Schafe sorgt und sie zugleich ruft, auf ihn zu hören und ihm zu folgen.
Mir ist es wichtig zu betonen, dass es nicht nur um geistliche Berufe im engeren Sinn geht. Jeder Mensch ist von Gott berufen, auf ganz persönliche Weise. Jede und jeder Einzelne hat eine Berufung, die es zu entdecken und zu fördern gilt.
Das II. Vatikanische Konzil bekräftigt in seinem Dekret über das Apostolat der Laien die Bedeutung des „Weltdienstes“, des Dienstes der Christen in der Welt.
„Pflicht und Recht zum Apostolat haben die Laien kraft ihrer Vereinigung mit Christus, dem Haupt. Denn durch die Taufe dem mystischen Leib Christi eingegliedert und durch die Firmung mit der Kraft des Heiligen Geistes gestärkt, werden sie vom Herrn selbst mit dem Apostolat betraut. […] Allen Christen ist also die ehrenvolle Last auferlegt, mitzuwirken, dass die göttliche Heilsbotschaft überall auf Erden von allen Menschen erkannt und angenommen wird.“ (AA 3)
Die katholischen Korporationen und Verbindungen sind Orte, die dabei helfen sollen und wollen, in der Kombination von Ausbildung/Studium und Miteinander, gelebtem Glauben und Gemeinschaft die eigene Berufung zu finden. Dazu zählt, die eigenen Fähigkeiten und Stärken als von Gott geschenkte Gaben zu entdecken, sie zu entwickeln und zum Einsatz derselben zu ermutigen. Wie wir den Hirten nicht nur mit einem einzelnen Schaf denken können, so gehört zum Volk Gottes immer auch die Gemeinschaft Gleichgesinnter, die Weggemeinschaft im Glauben, die wir in unseren Verbindungen erfahren haben und leben bis heute, selbst wenn wir längst der Studentenzeit entwachsen sind.
Insofern passt dieser Sonntag mit seinen Texten wunderbar zum Anlass, zu dem wir heute zusammenkommen: Wir zeigen uns als katholische Studenten und Akademiker. Wir zeigen, dass Glaube und Vernunft kein Gegensatz sind.
Wo aber ist die Verbindung zum Thema unseres heutigen Tages: „Ein Tag in Augsburg – Friedensstadt und Welterbe“? Natürlich denken wir bei diesem Thema zunächst und vor allem an die reiche und stolze Geschichte der Stadt Augsburg. Erst am letzten Freitag hatten wir einen Festakt anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Fuggerei; der Fuggerei-Pavillon auf dem Rathausplatz bringt diesen Teil der Geschichte mitten in unsere Stadt. 2030 erinnern wir an 500 Jahre Confessio Augustana. Aber auch die Pax Augustana, der Augsburger Religionsfrieden, der 1555 geschlossen wurde, formuliert einen Anspruch an die Stadt, dem wir uns bis heute stellen. Die Beispiele ließen sich noch fortsetzen.
So wird eine Brücke geschlagen zum heutigen Sonntag: Die grandiose Geschichte unserer Stadt und die nicht zu vernachlässigende Gegenwart gibt es nur, weil Menschen ihre jeweilige Berufung entdeckt und gelebt haben, weil Menschen bereit waren, ihre Fähigkeiten einzubringen, ja in den Dienst nehmen zu lassen – als Handwerker und als Kaufmann, als Künstler und als Geistlicher; als Jurist und als Wirtschaftswissenschaftlerin, als Unternehmer, als Politikerin, als Musiker und allen anderen Berufungen und Berufen, in denen wir stehen.
Auch der Frieden entsteht nicht dort, wo Menschen gezwungen sind, Aufgaben zu übernehmen und Dienste zu leisten, die ihrer ureigenen Berufung und ihren Begabungen widersprechen. Wir müssen gar nicht so weit gehen an Zwangsarbeit und andere Formen der Ausbeutung zu denken. Es reicht schon, uns vor Augen zu führen, dass Menschen, die im falschen Job „stecken“ schlicht nicht ihr volles Potenzial ausschöpfen und für die gute Sache einbringen können. Frieden beginnt auch mit einer Grundzufriedenheit in unseren Herzen mit dem, wer wir sind, wie wir leben und arbeiten. Auch diese stellt sich – bei allen Herausforderungen im Alltag – dann ein, wenn wir das, was Gott in uns hineingelegt hat, auch entfalten und entwickeln können.
Momentan wird viel über die richtige Haltung der Kirche im Ukraine-Krieg diskutiert. Eines sollte klar sein: „Der Geist der Gewaltlosigkeit Jesu kann in einer von Gewalt durchdrungenen Welt nicht davor bewahren, in Situationen zu geraten, die zum Schutz und Leben nach Gegengewalt rufen. Keiner hat das Recht, den Gewaltverzicht anderer zu fordern, wenn es um ihr Leben geht.“ (Bischof Kamphaus) Zugleich müssen wir als Christen einer anderen Logik folgen: Nicht der Sieg im Krieg schafft Frieden, nur der Sieg über den Krieg. Militärische Gegenwehr kann davor bewahren, dass ein Land vernichtet wird, sie kann hoffentlich eine Waffenruhe herbeizwingen. Das ist schon viel. Aber einen tragfähigen Frieden wird es auf Dauer nur geben im Verzicht auf Waffen, im Dialog, im gegenseitigen Respekt, im Versöhnen und Verzeihen. Wenn der Krieg so weitergeht, werden alle verlieren. Doch wenn es gelingt, die Waffen zum Schweigen zu bringen, ist viel gewonnen für einen Weg des Friedens. Meine Sorge ist, dass wir in einen großen Krieg, den niemand will, hineinschlittern. Aufrüstung mit Waffen reicht nicht, es braucht Abrüstung durch Diplomatie, auch das Wort Gottes könnte hilfreich sein. Auf den Tag dieser Erkenntnis hoffe ich. Diesen Tag erbete ich.
Wir können dankbar sein für unseren Glauben, für das Fundament, das er unserem Leben schenkt, aber auch für unsere Berufung, für den Anruf Gottes, der uns in seinen Dienst ruft – und uns mitbauen lässt am Frieden und einem vielfältigen Welt-Erbe. Also: Liebe Brüder und Schwestern, zeigen wir Flagge!