Der Glaube braucht Bekenntnis
„Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Die Frage, die Jesus stellt, ist mutig. Ich muss mit einem Menschen vertraut sein, damit ich ihn fragen kann – womöglich unter vier Augen: „Sag mal, für wen hältst du mich eigentlich? Wer bin ich für dich?“ Jesus geht sogar noch weiter. Es bleibt nicht bei der intimen Zweierbegegnung. Er liefert sich einer ganzen Gruppe aus. Er stellt sich vor seine Apostel: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Diese Frage ist mutig und provokativ zugleich.
Sie soll der Leitfaden sein, der unsere Betrachtung durchzieht: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Mit dieser Frage werden die Jünger damals wie heute PROVOZIERT. Auch heute müssen wir uns von dieser Frage provozieren lassen. Jesus will es ganz persönlich wissen. Jesus will, dass wir wegkommen von unserem vorgefertigten Drucksachenglauben. Lassen Sie es mich an einem Beispiel illustrieren: Wenn ich meine Post anschaue, dann suche ich immer zuerst die Briefe heraus mit handgeschriebener Adresse. Auf die Seite wandern die Prospekte, Massensendungen und Drucksachen. Und ich freue mich, wenn es Briefe und Karten gibt, wo lebendige Menschen mir schreiben, mich persönlich ansprechen und mit ihrem eigenen Namen dahinterstehen.
Genau darum geht es Jesus mit seinen Jüngern – von ihm provoziert. Wie steht es mit der Post zwischen Gott und mir? Lasse ich seine Frage so allgemein und anonym an mich herankommen, wie eben auch eine Drucksache nur ein Exemplar aus Tausenden ist? Leider verkehren wir mit Gott oft so, dass wir ein vorgedrucktes Blatt ins Kuvert stecken oder einen vorformulierten Text einfach nachbeten. Schaden kann es ja nicht! Das alles ist wichtig; doch es ist zu wenig. Dann sind wir nur „fotokopierte Christen“. Auch „fotokopierte Priester“, „fotokopierte Bischöfe“ soll es geben… Hauptsache: Das Äußere stimmt. Doch Jesus wünscht sich keine Fotokopien, er möchte Originale. Ich danke allen hier in dieser Stadt, die ihren Glauben persönlich bekennen und im Leben bezeugen. Sie sind lebendige Visitenkarten Jesu.
„Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Die Frage kann uns Übersetzungshilfe sein, damit aus der Drucksache ein persönlicher Brief wird mit eigenhändiger Unterschrift. Dabei haben wir es doch gar nicht so schwer. Denn der Herr hat seine Jünger nicht provoziert und sie dann im Regen stehen lassen. Er hat ihnen einen Sprecher gegeben: Petrus – vom Herrn EXPONIERT. Er exponiert sich mit dem Bekenntnis: „Du bist der Messias Gottes.“ Ein großes Wort! Bei Matthäus wird Petrus dafür seliggepriesen. Das Bekenntnis exponiert ihn, denn es ist ein zu großes Wort für einen einfachen Fischer: eben erst weggeholt von seinen Netzen: „Nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel.“ Indem der Fischer dieses Bekenntnis in den Mund nimmt, wird er vom Herrn exponiert. Das göttliche Wort wird in seinen menschlichen Mund gelegt. Dies gilt nicht nur für jene hohe Stunde des Glaubens; noch heute zehren wir von dieser Exponierung, selbst wenn Papst und Bischöfe von verschiedenen Seiten kritisiert werden. Liebe Gläubige, lassen Sie sich im Glauben nicht verwirren! Halten Sie dem Credo der Kirche die Treue!
Ich bin froh, dass Petrus uns dieses Bekenntnis ein für allemal vorgesprochen hat. Petrus hat uns die Vorlage gegeben für unser persönliches Bekenntnis. Damit sind wir nicht zum Papagei erniedrigt, der nur nachplappert, was ihm ein anderer vorsagt. Unser Auftrag ist es, dieses Credo mit Leben zu erfüllen. Hinter die Worte des Petrus können und dürfen wir nicht zurück. Wer das Messiasbekenntnis verkürzt, verwässert den christlichen Glauben. Doch gleichzeitig gilt: Worte allein reichen nicht. Es geht das Zeugnis. Und das lässt auch in der Kirche durchaus zu wünschen übrig. Das gilt für Deutschland, aber sicher auch in diesem Land. Wir brauchen eine Offensive der Glaubwürdigkeit!
Es ist für mich tröstlich, dass Petrus noch ganz anders exponiert wird. Neben der Seligpreisung steht die Korrektur, bei Markus sogar die schroffe Zurückweisung: „Fort mit dir, Satan. Du vertrittst ja nicht die Sache Gottes, sondern die Sache der Menschen.“ Warum ist Jesus so hart? Weil es bei Petrus arg gemenschelt hat. Menschlich, allzu menschlich ist sein Einwand: Er wehrt sich gegen das Kreuz. Drei Hütten wollte er bauen – ganz oben am Himmel kratzen; er muss hinunter in die Niederungen des Leidens. Er hat ihn schauen dürfen – den verklärten Christus auf Tabor; den muss er eintauschen mit einem unattraktiven Jesus auf Golgota. Das Kreuz ist dem Petrus zu viel. Da macht er nicht mehr mit; der Felsenmann wird weich wie Butter. Er stolpert. Das darf uns Mut machen. Sein Weg der Nachfolge ist weder graziöser Tanz noch schneller Spurt, es sind Stolperspuren eines Wankelmütigen und Angefochtenen. Doch Petrus reift durch die Gnade Gottes. Das Lippenbekenntnis mündet ins Lebenszeugnis, in die Passion. So werden wir zu unserem Text zurückgeleitet: „Wenn einer mir folgen will, der nehme sein Kreuz auf Tag für Tag (Lk 9,23).
Wer mit Jesus gehen will, der muss sein Leben durchkreuzen lassen. Er ist nicht nur provoziert durch das hartnäckige Fragen des Herrn; er schaut nicht nur auf Petrus, der exponiert wird durch sein Bekenntnis, das Maßstab ist bis heute. Der Christ lässt sich ENGAGIEREN, indem er täglich sein Kreuz annimmt und es Jesus nachträgt. Die Alltagskreuze sind vielfältig: Es gibt auferlegte, unabänderliche und selbstgebastelte. Ein Kreuz des Alltags lohnt es sich näher anzuschauen. Es ist dem Kreuz des Petrus sehr ähnlich, hatte er doch damit zu kämpfen, dass sein Meister und Freund ihm immer fremder wurde.
Für den Herrn war er engagiert, doch als das Bekenntnis etwas kostet, wirkt er alles andere als couragiert. Die Verleugnung am Kohlenfeuer ist nichts anderes als das Eingeständnis, dass er Jesus verloren hat. Davor haben auch wir oft Angst: Aufgaben, Freunde, Menschen, die wir schätzen, zu verlieren. Es ist eine lähmende Angst vor dem Verlust, eine Angst, die uns manchmal auf der Stelle treten lässt. Dieses Kreuz kennt kein Tabu. Auch Kirchenleute sind davor nicht sicher. Selbst Frauen und Männern, die sich dem Herrn anvertraut haben, kann der Glaube abhandenkommen. Ja, sogar die Kirche kennt die Versuchung, Gott zu verlieren, wenn sie sich ihr Glaubenshaus selbst aufbauen und sich nicht mehr den Maßstäben der göttlichen Offenbarung unterwerfen will. Man spricht auch von „kirchlichem Atheismus“. Doch Glaube ist nicht nur eine menschliche Aufgabe, sondern Gabe Gottes, Geschenk des Himmels.
Liebe Schwestern und Brüder!
„Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Mit dieser Frage sind wir heute provoziert. „Für den Messias Gottes.“ Dieses Bekenntnis hat Petrus exponiert. „Nehmt euer Kreuz auf Tag für Tag.“ Mit dieser Bitte sind wir engagiert.
Vom Herrn provoziert, exponiert, engagiert. Das ist unser Auftrag. Eine Christin, die sich von Jesus provozieren, exponieren und engagieren ließ, soll das letzte Wort haben. Ihr Bekenntnis musste sie vor 80 Jahren im Konzentrationslager Auschwitz mit dem Leben bezahlen. Die Rede ist von der hl. Edith Stein, die 1932 – ein Jahr vor Adolf Hitlers Machtergreifung - fast prophetische Worte fand: „Dem modernen Heidentum, dem vielfach jedes geistliche Kleid verdächtig ist, das von keiner Glaubenslehre etwas wissen will, kann das jenseitige Leben kaum noch anders nahe kommen als in Menschen, die von außen gesehen seinesgleichen sind, vielleicht denselben Beruf in der Welt ausüben, starke gemeinsame Interessen mit den Menschen dieser Welt haben und doch spürbar von einer geheimnisvollen Kraft getragen sind, die von anderswoher kommt“ (Frauenleben im Licht der Ewigkeit, 1932). Getragen von einer geheimnisvollen Kraft, die von anderswoher kommt: Aus dieser Erkenntnis lebt unser Bekenntnis. Davon leben auch wir – hier in Liberec und in Augsburg, in unseren Partnerstädten, in Tschechien und in Deutschland. Amen.