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Wichtiges
Predigt zum Hochfest der hl. Afra am Sonntag, den 5. August 2018

Die Alternative für Deutschland: Glaube braucht Bekenntnis!

17.09.2018

Wir leben in einer Zeit, in der vieles brüchig wird. Die Kirche erlebt einen teilweise dramatischen Umbruch. Auch in unserer Gesellschaft ist manches am Zerbrechen, etwa die Basis gemeinsamer Werte, auf der unser Zusammenleben gründet. Wen wundert es da, wenn es in unserer Parteienlandschaft zunehmend Verwerfungen und Polarisierungen gibt und sich in unseren Parlamenten Gräben zwischen extremen Fraktionen auftun! Es stellt sich die Frage: Quo vadis, Germania? Deutschland, wo gehst du hin?

Die hl. Afra, die wir heute feiern, scheint eine Gestalt aus längt vergangener Zeit zu sein. Tatsächlich aber ist sie uns nah und hochaktuell. Auch sie lebte in einer Zeit des Umbruchs. Das römische Weltreich hatte den Zenit seiner Macht überschritten, das Christentum war offiziell noch verboten, breitete sich im Untergrund jedoch aus wie ein Lauffeuer. Die hl. Afra war eine mutige Frau. Mut hilft, etwas Unbekanntes zu wagen, ohne bereits das Ergebnis zu kennen; Mut bezieht das Scheitern mit ein. Das war der hl. Afra bewusst, als sie ihr Stehen zum Herrn öffentlich machte und dafür um das Jahr 304 in der reichsweiten Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian den Flammentod starb. Mut haben heißt auch, sich dem, was gegen das christliche Gewissen geht, zu verweigern, auf Gewalt zu verzichten - und Hoffnung zu hegen wider alle Hoffnung. Aus der Hoffnung auf die Auferstehung hat die hl. Afra gelebt; im Blick auf diese Hoffnung ist sie gestorben. Wenn wir heute ihr Hochfest feiern, dann verkörpert sie gleichsam das Wort des Propheten Jesaja: „Sagt den Verzagten: Habt Mut! Fürchtet euch nicht! (Jes 35,4).

Fürchtet euch nicht! Immer wieder spricht Jesus so zu seinen Jüngern. Wem tut eine solche Aufmunterung nicht gut, wenn er sie nicht nur an die Jünger von damals, sondern ganz persönlich an sich gerichtet hören darf!

Fürchte dich nicht! Besonders wird ein solcher Satz den anrühren, der genau weiß, wovor er Angst hat oder überhaupt mit Lebensangst zu kämpfen hat. Fürchte dich nicht! Dieses Wort kann Balsam sein für eine verängstigte, aufgeschreckte und furchtsame Seele.

Ob diese Ermutigung nicht gerade uns Christen heute gesagt ist? Systematischen Verfolgungen sind wir, Gott sei Dank, in unseren Breiten derzeit nicht ausgesetzt. Wir können und dürfen unseren Glauben leben, ungefährdet und ungeniert, noch …! Bei offiziellen Anlässen ist hierzulande das Wort der Kirchen stets willkommen. In vielerlei Weise gehört der Segen mit Grußwort der Kirchenvertreter bei unseren Festlichkeiten dazu. Ist es mehr als schmückendes Beiwerk?

Fürchtet euch nicht! Dieses Thema ist auch bei uns aktuell:

Furcht – wenn ich mich am Arbeitsplatz ständig bedeckt halte, damit ich mit meiner Glaubensüberzeugung ja bei niemandem anecke.

Furcht – wenn ich im Gespräch mit Freunden und Kollegen meinen christlichen Standpunkt nicht einbringe und offen lasse, um es mir mit keinem zu verderben.

Aber aufgepasst: War nach allen Seiten offen ist, ist nicht mehr ganz dicht!

Furcht – wenn ich in der Familie um des lieben Friedens willen den Besuch des Gottesdienstes und das Engagement in caritativen Anliegen ganz unterlasse.

Furcht – wenn ich in der Pfarrgemeinde, in der Ordensgemeinschaft keine Courage habe, um Jesu willen für die einzutreten, die keinen guten Namen haben, und gegen den Strom zu schwimmen, nur weil ein paar Meinungsführer(innen) schon einen anderen Kurs ausgegeben haben.

Erkennen Sie sich in solchen Szenen vielleicht wieder? Unser Verhalten ist oft nicht angstfrei; manche Masche, die wir in unser Lebensmuster hineinstricken, heißt Angst, Furcht, Eingeschüchtert-sein und Zaghaftigkeit. Gerade in der jüngsten Vergangenheit wird uns das hautnah bewusst. Der Terror ist vor einigen Jahren auch bei uns in Deutschland angekommen. Die Rede von der sog. „German Angst“ macht die Runde.

Eigentlich ist es die Neuauflage einer bekannten Diskussion, nur unter verschärften Bedingungen. Als der ehemalige Bundespräsident Wulff seinerzeit davon sprach, dass der Islam zu Deutschland gehöre, hatte es zuvor weder ein islamistisches Blutbad in europäischen Städten gegeben noch existierten Pegida und AfD. Die Bundeskanzlerin und mit ihr andere Politiker haben bestätigt, der Islam gehöre zu Deutschland. Das sorgt für Kontroversen – verständlich.

Ganz offensichtlich leben Muslime in Deutschland und haben einen Platz in der Gesellschaft: Ob Dönermann, Fernsehmoderator oder Fußballnationalspieler –daran ändert auch der Fall des Mesut Özil nichts: Viele Muslime sind unverkennbar seit einigen Generationen in Deutschland zuhause, haben hier Heimat und Familie. Allerdings: der Islam gehört nicht zur historischen Identität Europas. Er ist nicht Teil jenes geistig-kulturellen Erbes, das unseren Kontinent bis heute prägt, auch wenn uns die eigene Selbstvergessenheit inzwischen arge Sorgen machen muss. Wir sind gewachsen auf jüdisch-christlichem Grund. An diesem Erbe sollten wir nicht rütteln. Beides sollte man also zusammensehen: die Lebenswirklichkeit und das kulturelle Wurzelwerk.

Zu unserer Wirklichkeit gehört die große Mehrzahl friedliebender Muslime, die in Deutschland leben und die Zielscheibe sowohl von Islamisten als auch von Rechtsextremisten sind oder zu werden drohen. Zugleich wissen wir aber auch: Zur Wirklichkeit der islamischen

Welt

gehören Todesstrafen für Konvertiten, die Missachtung der Würde der Frau, Terrorzellen in Europa und Gräueltaten gegen Christen, z. B. in Nigeria, Pakistan, Syrien oder dem Irak. Dass da Angst aufkommt, ist verständlich.

Erinnern wir uns an das Ereignis in der Kleinstadt Saint-Etienne-du-Rouvray (Normandie), das uns vor zwei Jahren tief erschüttert hat: Dass muslimische Terroristen im Namen Gottes einen Mann Gottes, einen Priester, im Haus Gottes während der Feier der hl. Messe auf bestialische Weise erniedrigt und – man kann es nicht anders sagen – abgeschlachtet haben, zeigt auf extreme Weise, wessen Ungeistes Kinder jene Leute und ihre geistigen Brandstifter sind.

Die brutale Ermordung des 85-jährigen Pfarrers Jacques Hamel wurde verstanden als gezielter, nicht nur symbolischer Angriff auf das Christentum und die Christen, so geschehen erstmals in Europa. Zugleich ist es ein Angriff aus den Reihen des Islam auf den Islam selbst. Denn die islamistisch-dschihadistische Ideologie beschädigt am meisten die Religion, von der sie ausgeht und in der sie sich zurzeit expansiv ausbreitet. Mehr denn je ist eine grundlegende religiös-theologische Reform des Islam notwendig, beginnend in seinen Hoheitsgebieten in der arabischen Welt und Kultur. Nur mit einem Islam, der die allgemeinen Menschenrechte und die demokratisch-freiheitliche Grundordnung unseres Staates vorbehaltlos anerkennt, wird es zielführende religiöse und politische Gespräche geben können.

Und was tun wir Christen zur Verteidigung von Recht und Freiheit eines jeden Menschen, der nach unserer Glaubensüberzeugung Abbild Gottes ist? Wir wollen nicht blauäugig sein, aber wir lassen uns auch nicht verführen, Mauern zu bauen oder Bollwerke zu errichten. Ehrlicher Dialog mit unseren muslimischen Mitbürgern ist angesagt, nicht Dialogverweigerung. Dies mag mitunter mühsam sein, doch – davon bin ich überzeugt – es wird sich auszahlen, um des Friedens willen.

Quo vadis, Germania? Deutschland, wo gehst du hin? Die Frage nach dem Weg in die Zukunft beschäftigt viele. Wir Christen haben dazu einen Standpunkt:

  • Asylsuchenden und Flüchtlingen holzschnittartig kriminelles Potential zu unterstellen, ist keine Alternative für Deutschland.

  • Die Würde von Menschen mit Behinderung anzuzweifeln, ist keine Alternative für Deutschland.

  • Die Parole „Deutschland den Deutschen“ ist keine Alternative für Deutschland.

  • Und als Ziel auszugeben, Staat und Kirche seien strikt voneinander zu trennen, damit die Kirche nur noch für Kultur zuständig wäre, ist überhaupt keine Alternative für Deutschland. Das partnerschaftliche Miteinander von Kirche und Staat hat sich jahrzehntelang bewährt. Das sollten wir nicht aufs Spiel setzen!

Fürchtet euch nicht! Damit hat Jesus auch uns im Auge: Verkriech dich nicht in deiner Angst! Lass dir den Schneid nicht abkaufen! Wenn du zu meinen Jüngern gehören willst, dann darf sich das nicht nur abspielen in der Sakristei, in deiner guten Stube, in der Kammer deines Herzens. Es geht also darum, dass sich der Glaube nach außen klappt – zeigt?, dass wir ihm unser Gesicht geben, Hand, Fuß und Herz. - Das ist die Alternative, die wir als Christen setzen wollen.

Die Angst, die uns als Christen umtreibt, ist schließlich auch Folge eines massiven Glaubensschwundes. Manchmal frage ich mich: Warum sollten Christen in Europa den Islam fürchten, wenn ihr Glaube lebendiger wäre? Eine echte Stärkung der eigenen Identität erfolgt nicht durch Ablehnung des anderen und Fremden, sondern durch Vertiefung und Verlebendigung des Eigenen. Wie Recht doch Peter Scholl-Latour hatte mit seiner These: „Ich fürchte weniger die Stärke des Islam als die Schwäche des Christentums.“

Fürchtet euch nicht! Dieses Wort bekommt Ernst und Tiefe, wenn wir es in den Zusammenhang stellen, in den es Jesus gesprochen hat. Er hat erfahren, dass die Kunde vom Reich Gottes nicht nur Applaus hervorruft. Es gibt auch Widerstand und Protest. Seines Evangeliums wegen ist Jesus nicht nur aufs Kreuz gelegt worden, auf sein Wort hin wurde er sogar darauf festgenagelt. Wie damals zurzeit der hl. Afra, so werden bis heute in vielen Teilen der Erde Jesu Jünger belächelt und veräppelt, benachteiligt, bedroht und verfolgt, gefoltert und ermordet. Doch die hl. Afra hat Spuren hinterlassen – gerade hier in der Stadt und im Bistum Augsburg. Sie hinterlässt Spuren in unserer Seele. Deshalb sind wir heute hier. Hl. Afra, du mutige Frau, bitte für uns!