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Wichtiges
Ansprache beim Kreuzweg für die verfolgten Christen im Dom am 16. September 2018 von Domdekan Prälat Dr. Bertram Meier, Bischofsvikar für Ökumene und interreligiösen Dialog im Bistum Augsbur

Ökumene des Leidens und der Solidarität - Im Namen Gottes gibt es keinen Krieg. Religionsfreiheit gilt für alle.

17.09.2018

Der Leib Christi blutet. Jesu Kreuzweg geht weiter. Christen in vielen Teilen der Welt werden benachteiligt, bedrängt, sogar verfolgt.

Nicht nur Jesiden, sondern vor allem auch Christen im Irak und in Syrien sind ein Ausrufezeichen: Es geht um Leben und Tod. Gleichzeitig setzen sie uns ein Fragezeichen: Was tut ihr für uns? Mehr noch: Was lasst ihr euch euren Glauben kosten? Nicht nur Geld, materielle Hilfe, Solidarität, sondern Einsatz, Bekenntnis, Zeugnis. Manchmal beschleicht mich ein komisches Gefühl, wenn wir womöglich in Plüschsesseln und auf Podien uns die Köpfe über Strukturfragen heißreden und innerhalb unserer Kirchen Scheingefechte austragen. Wissen wir, was die Stunde geschlagen hat? Haben wir Mut, zu Jesus Christus und seiner Botschaft vom Kreuz zu stehen? Dass wir heute im Dom zum Gebet zusammengekommen sind, ist ein Zeugnis: Glauben braucht Bekenntnis – verfolgte Christen brauchen unsere Hilfe. Das alles im ökumenischen Schulterschluss: Ökumene des Zeugnisses, Ökumene des Leidens. Dass viele vorher im Haus Sankt Ulrich zum Informationsnachmittag beisammen waren, ist ein sprechendes Zeugnis. Danke den Organisatoren von „Kirche in Not“, denen dieser „Tag der Solidarität“ ein Herzensanliegen ist.
In eine tiefe Wunde möchte ich meinen Finger heute legen: Es gibt eine unübersehbare Anzahl von Nachrichten über Angriffe gegen Christen unterschiedlicher Konfessionen in allen Teilen der Welt. Alle fünf Minuten wird heute ein Christ aufgrund seines Glaubens ermordet. Diese traurige Nachricht hat erst jüngst Radio Vatikan verbreitet (8.9.18). Besonders dramatisch ist derzeit die Lage im Irak und in Syrien. Schön, dass wieder unsere chaldäischen Freunde gekommen sind, ebenso die Schwestern und Brüder aus der syrisch-orthodoxen Mariengemeinde hier in Augsburg. Auch in Ägypten bleibt die berechtige Sorge um unsere koptischen Glaubensgeschwister, von Libyen ganz zu schweigen. Diskriminierung, Benachteiligung, Gefährdung für Leib und Seele, Zwangskonversion und Vergewaltigung, ja sogar Verfolgung von Christen herrscht vor allem in den Ländern, die sich zum Islam als Staatsreligion bekennen. Christen werden dort als Religionsgemeinschaft angesehen, die nicht zur Mitte der Gesellschaft gehört und damit ausgegrenzt wird. Das kann so weit gehen, dass Christen in manchen Landstrichen eliminiert werden.
Wo Christen unterdrückt und verfolgt werden, da dürfen ihre Glaubensgeschwister in den Ländern nicht schweigen, wo Freiheit herrscht. Wir Christen in Deutschland haben nicht nur die Pflicht, anderen Religionen ihr Recht auf Entfaltung zuzusprechen. Wir stehen auch in der Pflicht, zur Sprache zu bringen, wo unseren christlichen Schwestern und Brüdern dieses Recht auf Religionsfreiheit vorenthalten wird. Wir sind Sprachrohr der vielen stummen Christen, die in ihren Ländern keine Stimme haben. Das ist Ökumene der Solidarität.
Düstere Prognosen sprechen für die Zukunft von einem „Kampf der Religionen“. Dazu darf es nicht kommen. Dagegen müssen wir arbeiten. Wir brauchen eine „große Koalition“ aller, die eine menschliche, gerechte und friedliche Gesellschaft wünschen.
Im Namen Gottes gibt es keinen Krieg. Wer im Namen Gottes Waffen zückt, führt einen unheiligen Krieg. Den Weg in die Zukunft weisen nicht fanatische Glaubenseiferer, sondern pragmatische Bündnisse, damit alle in Frieden leben können – hier in der Friedensstadt Augsburg, in Deutschland und in der ganzen Welt.
Jesus ist von seinen Gegnern angefeindet, bedrängt und schließlich verfolgt worden bis zum Kreuz. Sein Kreuzweg geht weiter. Christen tragen sein Kreuz durch die Geschichte: so viele Kreuzträger im Namen dessen, der das Kreuz schon ein für allemal nach Golgotha geschleppt hat. Beten wir für sie, dass sie Kraft finden im Blick aufs Kreuz.
Eindringlich hat davon Papst Franziskus gesprochen, als er am 25. Mai 2014 Golgotha besuchte und bei einer ökumenischen Feier in der Grabeskirche sagte: „Unser betendes Gedenken wendet sich der gesamten Region des Nahen Ostens zu, die leider so oft von Gewalt und Konflikten gezeichnet ist. (…) Wir beten für die vielen Christen, die wegen ihres Glaubens an den auferstandenen Herrn verfolgt werden. Wenn Christen verschiedener Konfessionen gemeinsam zu leiden haben, die einen an der Seite der anderen, und einander in brüderlicher Liebe Hilfe leisten, verwirklicht sich eine Ökumene des Leidens, verwirklicht sich die Ökumene des Blutes, die eine besondere Wirksamkeit besitzt, nicht allein für die Zusammenhänge, in denen sie stattfindet, sondern dank der Gemeinschaft der Heiligen auch für die gesamte Kirche. Diejenigen, die aus Hass auf den Glauben die Christen töten, sie verfolgen, fragen sie nicht, ob sie Orthodoxe oder Katholiken sind: Sie sind Christen, Das christliche Blut ist dasselbe.“
Zum gekreuzigten und auferstandenen Herrn rufen wir:
Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, und preisen dich. Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst.