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Wichtiges
Grußwort von Bischof Bertram zum Festkonzert "Orgelmusik in Zeiten von Corona" am 18. September 2022 in Augsburg

"Musik ist Gebet in Tönen"

18.09.2022

Sehr geehrte Frau Staatsministerin, liebe Frau Roth, sehr geehrte, liebe Frau Bürgermeisterin Wild, sehr geehrter Herr Professor Krüger, sehr geehrte Komponistinnen und Komponisten, liebe junge Orgelvirtuosinnen und –virtuosen, liebe Musikbegeisterte und Gäste im Hohen Dom zu Augsburg, und nicht zuletzt: liebe Schwestern und Brüder in der Ökumene. Als Bischof von Augsburg darf ich Sie heute ganz herzlich hier in unserer Kathedrale willkommen heißen und freue mich sehr, dass unsere Stadt als Austragungsort für dieses außergewöhnliche Orgelkonzert in zwei Teilen ausgewählt wurde.

„Orgelmusik in Zeiten von Corona“ – es ist gut, dass der Deutsche Musikrat zusammen mit der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland ein solch außergewöhnliches und leider auch extrem langanhaltendes Ereignis wie die Covid 19-Pandemie zum Anlass nahm, um einen Kompositionswettbewerb mit demjenigen Instrument auszuschreiben, das mehr als alle anderen mit der Kirchenmusik und dem Lob Gottes in Verbindung gebracht wird. Musik ist Gebet in Tönen – das haben wir alle schon erfahren an den besonderen Höhe-, aber auch an den Tiefpunkten in unserem Leben. Musik kann erheben und trösten. Sie ist Ausdruck von Gefühlen, kann mitunter aufreizend und anstachelnd sein, wird aber dann besonders geschätzt, wenn sie uns Trost und Beruhigung schenkt, unsere Seele still werden lässt, „wie ein gestilltes Kind bei seiner Mutter“ (Ps. 131,2).

Mit den Schwingen der Töne schicken wir das, was uns belastet, auf die Reise; wir lösen uns von den Fesseln des staubigen Alltags und spüren, wie befreiend es ist, wenn sich die Seele ihrer Flügel bewusst wird, wie in jenem wunderbaren Gedicht Eichendorffs: „…und meine Seele spannte/ weit ihre Flügel aus/flog durch die stillen Lande/ als flöge sie nach Haus.“

Nicht zuletzt waren es die Romantiker aller Kunstrichtungen, die den Panoramablick, die Entgrenzung von Raum und Zeit – kurz: die Erfahrung von Transzendenz - suchten, die unter allen menschlichen Künsten wohl am ehesten in der Musik spürbar werden kann. Instrumentalmusik und gerade Orgel-Solostücke offenbaren auf unmittelbare Weise, was Klang ohne Worte vermag: einen Gefühlskosmos zu erzeugen, der gleichermaßen als Ausdruck des einzelnen wie der ganzen Menschheit gelten kann. Darum eignet sich in meinen Augen die Orgel auch so gut, um Intentionen, Emotionen und Stimmungen zu verklanglichen, die uns als Menschen gemeinsam sind.

Wenn ich unter diesem Aspekt die Titel der Kompositionen betrachte, die gleich zur Aufführung gebracht werden, dann fühle ich mich sehr bestätigt: „Gestern – Heute – Morgen“ sind wir Erwartende („Et Exspecto“), Hoffende; denn Leben und Hoffen sind untrennbar miteinander verbunden.

„Im Donner der Zeit“, deren Lautstärke durch den unabweisbaren Stundenschlag ebenso wie durch das leise Verrinnen des Sandes in der Lebensuhr gekennzeichnet ist, erfahren wir eine „Inexorable Transition“, wörtlich: einen unerbittlichen Übergang vom gegenwärtigen Augenblick zum künftigen, vom Hier zum Dort, vom Diesseits zum Jenseits…

Alles ist der Veränderung unterworfen und nur einer ist unwandelbar, der Schöpfer aller Dinge. Daher bekennt der Gläubige, der Halt sucht in der Haltlosigkeit seiner Existenz, „Von Gott will ich nicht lassen.“ Der Ewige ist zugleich „nah und fern“, nah-bar und unbegreiflich. Dabei liegt es an uns, den Sprung in den Glauben zu wagen - einen Glauben, von dem der Theologe Karl Rahner (1904-1984) sagte: „Glauben heißt, die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang aushalten“ - und, so möchte ich hinzufügen, hin und wieder einer „Orgelmesse“ zu lauschen, um die eigene Seele vom Klang dieses unerschöpflichen Instrumentes reinigen zu lassen. Von Herzen wünsche ich Ihnen allen heute Abend diese Erfahrung!