Menü
Wichtiges
Predigt in der Pfarrkirche in Rieden am Forggensee anlässlich des 300jährigen Kirchenjubiläums

Was die Freundschaft mit Jesus kostet

19.10.2025

Lieber Herr Pfarrer Schneider, liebe Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst, liebe Schwestern und Brüder im Glauben an den auferstandenen Herrn, auch wenn wir heute der fast auf den Tag genau der vor 300 Jahren vollzogenen Weihe dieser von Johann Georg Fischer 1721 erbauten Kirche durch einen Namensvetter von mir, Weihbischof Johann Jakob von Mayr, gedenken, so reicht das seltene Patrozinium „Zu den Heiligen fünf Wunden“ doch schon ins 17. Jahrhundert zurück.

Besonders beeindruckend fand ich, dass die Riedener mit ihrem Pfarrer damals den Bau der Kirche auf eigene Faust begonnen haben, trotz des Ablehnungsbescheides aus Augsburg. Das zeugt von reichlich Gottvertrauen und Konsequenz. Schließlich hat ihnen der Erfolg recht gegeben: Aus der ehemaligen Bruderschaftskapelle wurde 130 Jahre später die heutige Pfarrkirche.

Obwohl die 1698 gegründete Bruderschaft seit mehr als 70 Jahren nicht mehr besteht, solche Festtage wie heute können das Anliegen unserer Vorfahren – Liebe und Dank gegenüber dem Erlöser - wieder ins Gedächtnis rufen, ist es doch mindestens so aktuell wie damals.

Das Evangelium, das wir eben gehört haben, macht es deutlich: Die Jünger sind wohl schon länger mit Jesus zusammen; der Zauber des Anfangs hat vielleicht bereits Risse bekommen, erste Zweifel kommen auf, ob sie nicht einem Hirngespinst gefolgt sind … Jesus spürt intuitiv diese Unsicherheit und eröffnet ein Gespräch darüber. Denn es steht ja viel auf dem Spiel: Kann er sich mit seiner Botschaft vom Reich Gottes verständlich machen? Fällt die Saat seines Wortes in aufnahmebereite Herzen, auf guten Boden, in dem es keimen und wachsen kann? Oder hat er nur ein Strohfeuer erzeugt und manche, die ihm nachfolgen, hüten nicht einmal mehr die Glut unter der Asche?

Unwillkürlich sind wir mit solchen Fragen in der Gegenwart angelangt. Die Abkehr vieler Menschen von der kirchlichen Gemeinschaft, von der Feier der Eucharistie und dem Empfang der Sakramente, wird zwar oft auf äußere Gründe wie Kirchensteuer und das schuldhafte Versagen von Priestern und pastoralem Personal zurückgeführt, im letzten ist es jedoch ein Prozess, der mit der nachlassenden Gebetspraxis, der Nichtexistenz oder dem Erkalten der Christusbeziehung zu tun hat.

Was antworten wir, Sie und ich, auf die Frage Jesu: „Für wen halten die Leute den Menschensohn“?  Kann ich überhaupt eine Meinung zu Ihm haben, wenn ich gar nicht recht weiß, worin seine Botschaft bestand und warum sie bis heute aktuell ist?

Petrus‘ Reaktion wirkt wie der spontane Ausbruch eines übervollen Herzens: Er ist begeistert von diesem Rabbi aus Nazareth, den ihm einst sein Bruder Andreas als „Messias“ vorgestellt hat – er hat zum Glauben an ihn gefunden und wächst in diesem Moment über sich hinaus. Damit wird er zum Vorbild – damals wie heute. Doch wir alle kennen auch die Kehrseite dieses Charakters: in der Nacht des Verrats verlässt den Felsenmann aller Mut, er wird butterweich und lässt sich - übrigens genauso spontan - zu einer dreimaligen Verleugnung Jesu hinreißen. Aber dass damit die Biografie dieses Mannes nicht endet, sondern er reuevoll aus dem Tal der Schuld wieder aufsteigt, um gerade durch diese Erfahrung ein authentischer, glaubwürdiger Menschenfischer zu werden, das soll für uns eine Ermutigung sein!

Paulus jedenfalls hat sein eigenes, an Umwegen und Holzwegen reiches Leben so verstanden. Deshalb mahnt er, wie wir gehört haben, die Korinther, sich doch bitte nicht mit Personenkult abzugeben, sondern zum Eigentlichen durchzudringen: „Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen, Gott aber ließ wachsen“ (1 Kor 3,6). Nur auf Gott kommt es also an! Denn es kommt der Tag, da können wir nicht mehr mit dem Finger auf andere zeigen und sagen, „aber der oder die hat doch… und deswegen habe ich…“ – Auch, wenn uns das so selbstverständlich eingefleischt ist, dass es, seit Adam die Schuld auf Eva abwälzte, sogar schon die kleinen Kinder so machen!

Bei der Frage Jesu: „Für wen haltet ihr mich?“ geht es nicht um eine Meinungsumfrage oder ein Politbarometer, sie ist nicht gefahrlos heute so und morgen anders zu beantworten – nein, sie ist, wenn Sie so wollen, die Sonntagsfrage schlechthin: „Für wen, Bertram, hältst Du mich?“ Paulus macht uns deutlich: Niemand kann eine solche Frage ehrlich beantworten, der sich nicht vorher gefragt hat: Wer bin ich selbst? Was ist mein Auftrag hier in dieser Welt? – „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“, fragt er die Leute von Korinth (1 Kor 3,16). Wissen wir es? Kennen wir unsere große Würde als kostbares, einmaliges, unverwechselbares Geschöpf Gottes, als Mensch, der durch die Taufe zur Würde der Gotteskindschaft gelangt ist? Leben wir danach?

Liebe Schwestern und Brüder,

es tut uns gut, solchen, vielleicht manchmal ungelegen erscheinenden Fragen nicht auszuweichen, sondern uns die Zeit zu nehmen, sie in unserem Herzen nachklingen zu lassen, zu spüren, welche Gefühle und Neigungen sie wecken – und wo Gesprächsbedarf besteht.

Erinnern Sie sich an die Ausgangssituation im Evangelium: Jesus ist mit den Seinen auf Wanderschaft. Sie kommen in das „Gebiet von Cäsarea Philippi“ und befinden sich damit „am nördlichsten Punkt der Verkündigungswanderungen Jesu“[1], bei einer Jordanquelle. Schon die Namen deuten es an: Hier wurde vom jüdischen Stadtgründer Philippus, der selbst schon einen griechischen Namen trägt, der Versuch unternommen, sich mit der Weltmacht Rom gut zu stellen; so bekam die Stadt kurzerhand einen Doppelnamen, mit dem sie an den berühmten Feldherrn Caius Julius Caesar erinnert. Die Szene spielt also wohl nicht zufällig an diesem kulturellen Schmelztiegel, wo der Griff nach der Macht und politische Allianzen in der Luft liegen. Gerade hier geht es Jesus darum, zu erfahren, woran er mit seinen Jüngern ist, wie sie zu ihm stehen und ja, - ob er ihnen trauen kann!

Petrus läuft im ersten Moment zur Hochform auf. Doch wenig später, bei Jesu erster Leidensankündigung, schwingt er sich aus lauter Ärger zu dessen Lehrmeister auf (vgl. Mt 3,22), weil er sich die Messias-Nachfolge beileibe so nicht vorgestellt hatte! Wir sehen also: Langweilig wird es im Leben mit Jesus Christus, in der Freundschaft mit ihm nicht. Im Gegenteil: wir sind vor Überraschungen, auch vor herben Enttäuschungen nie sicher. Und doch lohnt es sich, ein Leben lang an dieser so beglückenden Freundschaft festzuhalten. Das bezeugt Petrus in der Apostelgeschichte, in seinen Briefen und nicht zuletzt durch seinen Tod.

Wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott, der treu ist und dem unsere Vorfahren mit dem Patrozinium dieser Kirche ihren Dank für das Geheimnis der Erlösung ausdrücken wollten, auch an uns wahrmacht, was sich einst König Salomo im Weihegebet wünschte: „Halte deine Augen offen über diesem Haus bei Nacht und bei Tag, über der Stätte, von der du gesagt hast, dass dein Name hier wohnen soll! Höre auf das Gebet, das dein Knecht an dieser Stätte verrichtet! Achte auf das Flehen deines Knechtes und deines Volkes Israel, wenn sie an dieser Stätte beten! Höre sie im Himmel, dem Ort, wo du wohnst! Höre sie und verzeih!“ (1 Kön 8,29f.).

[1] Der Apostel Petrus im Neuen Testament: Zwischen Caesarea Philippi und Rom (Thomas Söding)