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Wichtiges
Weihbischof Anton Losinger und Moraltheologe Eberhard Schockenhoff kritisieren BGH-Urteil zur Präimplantationsdiagnostik

„Neue Zeitrechnung der Fortpflanzungsmedizin in die verkehrte Richtung“

13.07.2010

Die beiden Vertreter der katholischen Kirche im Deutschen Ethikrat, der Augsburger Weihbischof Anton Losinger und der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff, haben das Urteil des 5. Strafsenates des Bundesgerichtshofes zur Präimplantationsdiagnostik scharf kritisiert. Das Urteil erleichtere eine Fehlentwicklung der modernen Fortpflanzungsmedizin, weil es eine Selektion unter den künstlich erzeugten Embryonen erlaube.

Die probeweise Erzeugung einer Überzahl von Embryonen, die anschließend einer Qualitätskontrolle unterworfen werden, widerspreche der Menschenwürde und dem Instrumentalisierungsverbot, das auch das vorgeburtliche menschliche Leben schütze. Die Verwerfung eines Embryos aufgrund eines auffälligen Chromosomen-Befundes verstoße aber nicht nur gegen das Achtungsgebot der Menschenwürde und das Grundrecht auf Leben und körperlicher Unversehrtheit, sondern auch gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung aus Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes, das den voraussichtlich behinderten Embryo ebenso vor Diskriminierung schützt wie geborene Menschen mit Behinderung. Das Urteil stelle eine unerträgliche Diskriminierung von behinderten Menschen dar, denen nun mit rechtsstaalicher Billigung bescheinigt werde, dass sie auch schon vor ihrer Geburt hätten aussortiert werden dürfen, wenn die entsprechenden Diagnosemöglichkeiten damals schon verfügbar gewesen wären.
Losinger und Schockenhoff beklagten die begriffliche Rabulistik, derer sich der BGH in seiner Urteilsbegründung bediene, um Wortlaut und Sinn des Embryonenschutzgesetzes der subjektiven Rechtsauffassung der Richter anzugleichen. Auf diese Weise werde das eindeutige Verbot, einen Embryo zu einem anderen Zweck als dem seiner Erhaltung zu erzeugen, ausgehebelt. Wenn es in Zukunft als erlaubt angesehen werde, Embryonen unter Vorbehalt zu erzeugen und sie zur Entdeckung schwerer genetischer Schäden einem Qualitätstest zu unterziehen, sei die Ausweitung auf andere Eignungsmerkmale absehbar, auch wenn der BGH selbst betone, dass die PID nicht zur Herstellung von „Wunschkindern“ führen dürfe. Der Tag der Urteilsverkündigung in dieser Woche war ein schwarzer Tag in der Geschichte der deutschen Rechtssprechung, weil die Richter vor ihrer eigentlichen Aufgabe versagten, geltendes Recht anzuwenden. Stattdessen hätten sie das vom Parlament mit großer Mehrheit beschlossene gesetzliche Recht durch ein neues Richterrecht verändert und eine vermeintliche Unklarheit des Embryonen-
schutzgesetzes dazu benützt, eine neue Auslegung festzuschreiben. Mit dem Urteil beginne in der Tat eine neue Zeitrechnung der Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, die sich in die verkehrte Richtung entwickeln werde: weg vom bisherigen Schutzgedanken, hin zu selektiver Willkür, die menschliches Leben den Wunschvorstellungen seiner Erzeuger opfere.