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Gedanken zur Fastenzeit 2024 von Weihbischof Anton Losinger

„Christus der Herr kommt. Er klopft an die Tür, aber er klopft nicht von außen, er klopft von innen.“

01.03.2024

In den festlichen Tagen des Ulrichsjubiläums hatten wir spannende Gäste bei uns in Augsburg. Darunter Kardinal Christoph Schönborn, den Erzbischof von Wien als Päpstlichen Legaten. Ich hatte das Glück, ihm beim Mittagessen gegenüber zu sitzen. Wir kamen ins Plaudern und ich fragte ihn: Sagen Sie mal Herr Kardinal, was war eigentlich in der langen Zeit Ihres anspruchsvollen kirchlichen Dienstes das Spannendste?

Seine Antwort war, ohne lange überlegen zu müssen: Die Beteiligung an zwei Papstwahlen, aus denen signifikante Namen hervorgegangen sind: Benedikt und Franziskus. Ich fragte weiter: Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee, einen Bischof aus Argentinien, einen Mann vom anderen Ende der Welt, wie er selbst von sich sagt, zum Papst zu wählen? Kardinal Schönborn antwortete, dass es wahrscheinlich die Ansprache im Vorkonklave der Papstwahl gewesen sei, mit der der spätere Papst Franziskus seine Mitbrüder zutiefst beeindruckte. Ein starkes Votum für die Einheit der Weltgesellschaft, Solidarität und Friede unter den Völkern weltweit, und eine Kirche der Empathie und der Verbundenheit mit allen Menschen, vor allem der sogenannten Dritten Welt. Und schließlich solche signifikanten Sätze wie „Geht an die Ränder“. Doch eines, so sagte der Kardinal, habe ihn noch mehr beeindruckt. Es sind Sätze am Ende dieser Ansprache, als Papst Franziskus sagte: „Christus der Herr kommt. Er klopft an die Tür, aber er klopft nicht von außen, er klopft von innen“ – wo sind solche Orte?

Die Fuggerei – älteste Sozialsiedlung der Welt

Ein erster Ort, eine erste Location dieses Anklopfens von außen führt uns zurück ins 16. Jahrhundert. Da sieht man in steinwurf-weite des Augsburger Domes die älteste Sozialsiedlung der Welt, die „Fuggerei“. Die spannende Frage lautet doch: Wie kommt ein Renaissance-Banker, der Renaissance-Fürsten und dem Kaiser Kriege finanzierte und ihren Machterhalt organisierte auf die Idee, eine Sozialsiedlung für die Ärmsten der Armen in Augsburg aus dem Boden zu stampfen. Bis auf den heutigen Tag existiert diese Institution „Fuggerei“. Mit einem niedrigsten Mietlevel von 1 Euro pro Jahr und das Versprechen eines Gebetes für den Stifter, ein Vater Unser und ein Gegrüßet seist du, Maria. Man mag an das Evangelium des Aschermittwochs denken, in dem uns dieser bemerkenswerte Satz vorgelesen wird: Alles was ihr dem geringsten meiner Brüder und Schwestern nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan. War es ein Klopfen des Herrn von innen an die Seele eines Jakob Fugger, das zur Gründung der ältesten Sozialsiedlung der Welt führte?

Das Gebetshaus – und die MEHR Konferenz

Ein zweiter Ort, eine zweite Location führt herein in unser aktuelles Jahrhundert. Es ist das berühmte Gebetshaus in Augsburg, das von dem Theologen Johannes Hartl begründet wurde. Ein immerwährendes Gebet, 7 Tage in der Woche, 24 Stunden am Tag ist von ihm etabliert. Am bekanntesten aber die berühmte „MEHR-Konferenz“, zu der 10.000 von jungen Menschen in die Messehallen der Stadt Augsburg kommen. Sie sind begeistert von seinen Flipchart-Predigten, ihnen gefallen die Musik, die Atmosphäre, die Worte und die Katechesen dieser Tage. Den einen ist das ein Dorn im Auge, den anderen eine Chance! Da ich selber in Göggingen in der Nähe des Gebetshauses wohne, und in der Pilsener Straße während der MEHR-Konferenz nicht selten Scharen von jungen Leuten begegne, fragte ich unlängst eine Gruppe von BWL-Studenten die dort entlangliefen: Was, ihr seid auch bei der „MEHR-Konferenz“? Ihre Antwort: Ja, das inspiriert uns, und wo sollen wir denn sonst in Augsburg hingehen? Ohne die Jugend-pastoral des Bistums kritisieren zu wollen: Vielleicht ist auch das ein Impuls, dass der Herr von innen klopft, an Stellen und in Zeiten in denen wir es nicht erwarten.

St. Peter am Perlach – die „Knotenlöserin“

Und schließlich ein dritter Ort, eine dritte Location. Ich spreche von einem der vertrautesten und sensibelsten Punkte des Glaubens in Augsburg. Es ist diese kleine Kirche St. Peter am Perlach, links von dem berühmten Elias-Holl-Rathaus, dem bekanntesten Renaissance-Rathaus der Welt nördlich der Alpen gelegen, in der sich das berühmte Bild Maria Knotenlöserin befindet. Papst Franziskus selbst ist von diesem Motiv begeistert und hat eine Kopie des Bildes im Vatikan. Wohl hat er es auch in Südamerika, in Argentinien bekannt gemacht und das Thema dorthin exportiert. Das Erstaunliche dieses Ortes ist, dass man kaum eine Zeit findet in der kein Mensch da wäre. Immer stehen und knien Menschen vor dieser Madonna die, wie es die geheime Offenbarung des Johannes beschreibt, als Frau, den Mond unter ihren Füßen, zwölf Sterne über ihrem Haupt dargestellt ist, ein weißes Band gleitet durch ihre Hände, wo sie mit ellenlanger Geduld die Knoten auflöst. Wer mag beurteilen, welche Sorgen, Probleme, Lasten und Fragen die Menschen an diesen Ort bringen, wo sie in Stille und Meditation vor diesem Bild verharren. Ich traf unlängst einen Kollegen von der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in Augsburg dort, von dem nicht bekannt war, dass man ihn häufig in der Kirche gesehen hätte. Ich sagte zu ihm: Ich freue mich dich hier zu sehen. Er antwortete: Ja, dieser Ort inspiriert mich und er tröstet mich.

Welch ein schöner Ort mitten in Augsburg, welch eine wunderbare spirituelle Location, die dieses Wort des neu gewählten Papstes Franziskus bestätigen mag: Ja, Jesus Christus der Herr kommt. Er klopf an unsere Tür. Aber er klopft nicht von außen, er klopft von innen.

Ansprache zur Vesper von Weihbischof Anton Losinger bei der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Augsburg 2024