Gedenken für Betroffene sexualisierter Gewalt
Neuburg/Donau (pba). Mittlerweile zum dritten Mal ist im Bistum Augsburg der Gedenktag für Betroffene von sexualisierter Gewalt begangen worden. Das Leid der Betroffenen wurde nicht nur in einer Wort-Gottes-Feier mit Bischof Dr. Bertram Meier in der Heilig Geist Kirche in Neuburg an der Donau ins Zentrum gestellt, sondern Einzelschicksale wurden eindrücklich in der Ausstellung „Betroffene zeigen Gesicht“ vor Augen geführt. Diese kann noch bis 24. November im Pfarrsaal von Heilig Geist besucht werden.
In der Predigt stellte Bischof Meier zunächst den blinden und ausgestoßenen Bettler Bartimäus vor (Mk 10,46b-52), der durch seine unbeirrbaren Rufe die Aufmerksamkeit Jesu auf sich lenkte und dieser sich ihm daraufhin zuwandte. Welche Rolle das Volk gegenüber Bartimäus hatte und zu welcher Wendung es aber dann doch noch kam, legte Meier dar und sprach auch darüber, welche Wendung es in der Kirche bedarf, damit „geholfen werden kann, um Wunden zu heilen.“
Der Bischof sagte: „Bartimäus war ein Bettler, er war blind und das heißt arm, verstoßen, beheimatet am Rand der Straße.“ Eigentlich habe er die Menge, die auf Jesus gewartet hat, gestört, aber „Jesus hörte die Rufe des Armen am Wegesrand und ging zum Bettler hin, der ihn brauchte“ und erklärte: „Das ist seine Sendung: den Armen eine frohe Botschaft zu bringen, den Gefangenen und Zerschlagenen die Freiheit zu schenken und den Blinden das Augenlicht zu öffnen (vgl. Lk 4,18).“
Als Konsequenz aus dieser Geschichte fragte der Bischof ganz konkret: „Hat die Kirche es verstanden? Haben wir das verstanden? Der Schrei des Bartimäus – er zieht sich durch die Jahrhunderte unserer Geschichte.“ Meier war sich sicher, dass allzu lange das Handeln von Verantwortungsträgern in der Kirche erschreckend viel Gemeinsamkeit mit der Menschenmenge hatte, die Bartimäus ignorierte oder gar zum Schweigen aufforderte. „Die Wucht des Missbrauchs wurde nicht ernst genommen, stattdessen wurde ein falscher Glanz bewahrt“, so der Bischof wörtlich.
Wichtig sei aber die Wendung: Nur, weil die Menge sich ein Beispiel an Jesus nahm, nämlich innehielt (…), erfuhr Bartimäus Heilung. „Auch die Kirche muss eine solche Wende vollziehen, umkehren.“ Dazu betonte Meier: „Unser Bistum ist auf dem Weg, erlittenes Unrecht anzuschauen und das Leid Betroffener zu lindern. In den letzten Jahren wurde viel getan, um Geschehenes aufzuarbeiten“, und er ergänzte: „Prävention in jedem Bereich des kirchlichen Lebens soll Menschen sensibilisieren, um weiteres Leid zu verhindern.“
Für den unabhängigen Betroffenenbeirat des Bistums Augsburg (UBBA) und für ihn sei es ein großes Anliegen, dass von Missbrauch Betroffene geschützte Räume bräuchten, in denen sie sich trauen könnten, über ihre traumatischen Erlebnisse und alle Folgen daraus zu sprechen.
Lesen Sie hier die Predigt im Wortlaut:
Der Sprecher des UBBA, Friedrich Braun, sagte über die Ausstellung: „Missbrauch wirkt sich nicht nur auf den Verstand aus, sondern – und das geht eben viel tiefer – auf das Gefühl, nämlich auf das Scham- und Schuldgefühl. Beide zusammen haben katastrophale Auswirkungen auf einen Menschen, ein Leben lang.“ Das zeigen hier die Einzelschicksale, die exemplarisch für viele weitere, nicht nur im kirchlichen Kontext stehen. Er ermutigte die anwesenden Gäste, Betroffenen mit Empathie, mit Einfühlungsvermögen und mit Herz zu begegnen, denn „man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche bleibt für das Auge unsichtbar.“ (Antoine de Saint-Exupéry aus „Der kleine Prinz“).
Zur Ausstellung „Betroffene zeigen Gesicht“
Präsentiert werden Kinderfotos von Betroffenen sexuellen Missbrauchs mit kurzen Informationen. Auf diese Weise erhalten die Betroffenen ein Gesicht, das die Besucher der Ausstellung unmittelbar anspricht. Gleichzeitig bekunden Nichtbetroffene durch ihr Nicht-Wegsehen ihre Solidarität und ihr Nein zu Grenzüberschreitungen.
Die Ausstellung entstand in gemeinsamer Arbeit mit der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, der KEB, der Unabhängigen Aufarbeitungskommission Augsburg (UAKA) und dem Unabhängigen Betroffenenbeirat Augsburg (UBBA).
Die Ausstellung ist noch bis Sonntag, 24. November zu sehen. Nähere Details über Öffnungszeiten finden Sie im Plakat: