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"Ein Licht im Dunkel": Caritasarbeit für Flüchtlinge in Jordanien

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© Caritas International
09.12.2019

Eine Delegation von Vertretern aus vier Bistümern, darunter auch dem Bistum Augsburg, besuchte Projekte der Flüchtlingshilfe der Caritas in Jordanien, um sich mit eigenen Augen ein Bild von der humanitären Hilfe zu machen.

Wenn Mohamad Latuf an sein Dorf zurückdenkt, spricht er wie vom verlorenen Paradies. Er hatte alles, was er sich wünschte: Mit seiner Frau Amira, Sohn Hassan und Tochter Azma lebte er glücklich in einem Haus bei Aleppo, er hatte eine gute Stellung als Gymnasiallehrer, genoss ein kultiviertes Leben als Schöngeist mit vielen Büchern, wusste freundliche Nachbarn und seine Eltern und Verwandten immer um sich. Aus dem Paradies vertrieben wurde er vor genau fünf Jahren, als Bombenangriffe der syrischen Armee seine Heimat in Schutt und Asche legten. Hals über Kopf, ohne irgendetwas an Besitz mitnehmen zu können außer den Kleidern am Leib, flohen er, Amira, Azma und Hassan ins Nachbarland Jordanien. Dort lebt die inzwischen sechsköpfige Familie in einer kleinen Wohnung in der Stadt Zarqa und Mohamad muss sich, um überleben zu können, als Tagelöhner mit einfachen Hilfsarbeiten verdingen. Als Lehrer kann er nicht mehr arbeiten, weil er seine Zertifikate nicht aus Syrien mitnehmen konnte. Bücher hat er seit fünf Jahren keine mehr gelesen. Er ist hoch verschuldet. Aussichten, dass es irgendwann einmal besser wird, sieht er keine. „Meine Zukunft ist schwarz“, sagt er. Das klingt nach dem Gegenteil von Paradies, wie eine andere Übersetzung des Spruchs über dem Höllentor bei Dante: „Wenn du hier eintrittst, lasse alle Hoffnung fahren.“

Die Möglichkeit zu persönlichen Begegnungen wie jene mit Mohamad Latuf hatten sieben Vertreter der weltkirchlichen Abteilungen aus den Bistümern Augsburg (Anton Stegmair und Peter Frasch), München-Freising, Regensburg sowie Eichstätt, die sich vom 29.November bis zum 4. Dezember mit auf den Weg nach Jordanien gemacht hatten, um sich mit eigenen Augen ein Bild von der Situation der Flüchtlinge im Land zu machen. Mit von der Partie waren Andreas Brender und Stefan Teplan von Caritas international, dem Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes, die die Reise organisiert hatten.

„Nichts“, so urteilte Peter Frasch, Bildungsreferent in der Abteilung Weltkirche des Bistums Augsburg, „ersetzt es, wenn Menschen persönlich berichten von ihren Erlebnissen und wie ihnen auch konkret geholfen wird.“ Insofern sei die „Chance zu solch persönlichen Begegnungen“ für ihn eines der Highlights der Delegationsreise gewesen.

Das Schicksal von Mohamad Latuf, das diese Delegation mitbekam, ist dabei nur eines von vielen Hunderttausenden. Genau 654.681 registrierte Flüchtlinge (Stand: November 2019) allein aus Syrien leben in dessen Nachbarland Jordanien. Nimmt man die unregistrierten dazu, sind es rund 1,3 Millionen. Dazu kommen 67.265 registrierte Flüchtlinge aus dem Irak und weitere Zehntausende Flüchtlinge sowie Arbeitsmigrant(inn)en aus insgesamt 57 anderen Ländern.  Jordanien ist ein Zuwanderungsland, seit mehr als 70 Jahren hat es cirka 2,3 Millionen Palästinenser aufgenommen neben nun weiteren 1,5 Millionen aus anderen Ländern. Bei einer Einwohnerzahl von zehn Millionen eine beeindruckende Leistung.

So zeigte sich denn auch Anton Stegmair, Leiter der Abteilung Weltkirche der Diözese Augsburg, „erstaunt, wie es in diesem Land funktioniert, so viele Flüchtlinge und Migranten aufzunehmen, auch wie wichtig die Rolle des Königs hier ist als Einheitsstifter, der es schafft, die vielen Strömungen, die im Land sind, zusammenzubringen und dies bei all dem Druck, der da ist, dass es trotzdem noch friedlich im Land ist.“

64 Prozent der im Land lebenden Syrer(innen) sind, wie Mohamad Latuf, verschuldet, 95 Prozent sind nicht in der Lage, für die Basisversorgung ihrer Familien aufzukommen, um ein Leben in Würde führen zu können. Für die irakischen Flüchtlinge sieht es noch schlechter aus: Sie haben in Jordanien einen schlechteren Status, erhalten keine Arbeitsgenehmigung und sind daher noch weit mehr völlig abhängig von humanitärer Hilfe.

Fest steht: Ohne die humanitäre Hilfe der, maßgeblich von Caritas International finanzierten, Caritas Jordanien könnten diese Flüchtlinge in Jordanien nicht überleben. Die Caritas Jordanien unterstützt seit ihrer Gründung 1967 marginalisierte Gruppen im Land, leistet mit Lebensmitteln und anderen Hilfsgütern Grundversorgung für Bedürftige, unterstützt Notleidende unter anderem auch mit Mietbeihilfen, bietet medizinische Versorgung und psychosoziale Betreuung an, organisiert Bildungsangebote, fördert frühkindliches Lernen und kümmert sich um Alte, Kranke und Menschen mit Behinderung. All diese Angebote leistet sie auch für Flüchtlinge und Migrant(inn)en im Land, wovon die Delegation aus vier deutschen Bistümern ein klares Bild gewann. Bei Flüchtlingen konzentriert sich die Caritashilfe „nur“ auf jene, die nicht in Lagern, sondern in Privatwohnungen leben. Dies aber ist mit 81,2 Prozent auch die Mehrheit; nur 18,8 Prozent der Flüchtlinge sind in Camps untergebracht – ein Faktum, das so manchen aus der Delegation erstaunte. So geschieht automatisch ein Mehr an Integration. Die aber ist in Jordanien ohnehin bei weitem kein so großes Problem wie in Deutschland. „Die meisten Flüchtlinge kommen aus einer arabisch-sprachigen, größtenteils muslimisch geprägten Kultur in ein Land, in dem auch alle arabisch sprächen und überwiegend Muslime sind“, erklärt Lana Snobar, die Leiterin der psychosozialen Betreuung der Caritas Jordanien. „Die Integration für diese Flüchtlinge ist bei uns also kein Problem. Die Probleme bei uns sind eher ökonomischer Natur.“

Die Caritas als einer der größten und wichtigsten Akteure, der in Kooperation mit der jordanischen Regierung und in Koordination mit anderen Hilfswerken die Flüchtlinge unterstützt, ist unter diesen Bedingungen so etwas wie ein Licht im Dunkel, ein Garant dafür, dass das Dasein der Flüchtlinge nicht ganz so schwarz ist wie es ohne diese Unterstützung wäre und die Not, wenn nicht abschaffen, so doch maßgeblich lindern kann.  Die Projekte der Caritas, die die Delegation besuchte, wertet Stegmair so auch als „spannend, weil sie wirklich an die Basis zu den Menschen kommen.“ Da sei, zog Stegmair nach der Reise Bilanz, mit der Caritas „eine Stelle, die wirklich hilft und die nicht fragt: Bist du registrierter Flüchtling oder nicht.“ Beeindruckt hat ihn, wie er erklärt, auch die „Motivation und die Freude der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich da für Fremde einsetzen, und das ist auch eine Leistung in einem Land, wo vielleicht andere daran denken wegzugehen.“

Text: Stefan Teplan

Caritas International, Freiburg