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Wichtiges
Seelsorge

Hingehen, da sein, aushalten – Rund 200 Notfallseelsorger sind im Bistum Augsburg tätig

27.07.2016

Augsburg (pba). Wie wichtig die Arbeit der Notfallseelsorge ist, haben erst wieder die Ereignisse am vergangenen Wochenende gezeigt. Nach dem Amoklauf beim Münchner Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) waren laut Auskunft von Stefanie Drewes, stellvertretende Leiterin der Notfallseelsorge im Bistum Augsburg, allein aus der Diözese Augsburg 18 Notfallseelsorger im Einsatz. Insgesamt gibt es im Bistum rund 200 ehren- und hauptamtliche Notfallseelsorger/innen.

Gestern haben sie sich zum Tag der Notfallseelsorge im Pfarrheim „Maria unterm Kreuz“ in Königsbrunn getroffen, um sich über ihren Dienst auszutauschen. Dabei wurden 57 Notfallseelsorger von Ben Bockemühl, Kreisbrandrat des Landkreises Aichach-Friedberg, mit dem Einsatzabzeichen „Tornado 2015“ ausgezeichnet. Er dankte ihnen im Namen von Landrat Dr. Klaus Metzger für ihren Einsatz nach dem verheerenden Tornado in der Gemeinde Affing im vergangenen Jahr.

Abt Theodor Hausmann OSB gab beim Tag der Notfallseelsorge Impulse zum Dienst als Seelsorger. Seelsorge bedeute für ihn „Zeuge sein der Wunder, die Gott im Leben eines Menschen wirkt“. Dies umfasse auch die Sorgen, Ängste und Nöte. Der Maßstab des seelsorglichen Handelns sei stets das, was dem Anderen nütze. Dabei brauche Seelsorge den Mut, auch ungewöhnliche Wege zu gehen. Die Notfallseelsorger sollten dabei aber nicht vergessen, auf sich selbst zu achten. Auch Diakon Dr. Edgar Krumpen, Leiter der Notfallseelsorge im Bistum Augsburg, betonte: „Jeder muss seine Grenzen kennen.“ Das wichtigste Prinzip sei die Selbstfürsorge. Regelmäßig gebe es aber auch Gruppensupervisionen und bei Bedarf auch Einzelsupervision.

Kreisbrandrat Ben Bockemühl (rechts) dankt dem Leiter der Notfallseelsorge Diakon Dr. Edgar Krumpen. (Foto: Barbara Adorf)

Notfallseelsorge ist „der Dienst am Nächsten in großer Not“, so Krumpen. Ihr Motto sei: hingehen, da sein, aushalten. Die Notfallseelsorger könnten keine einfachen Lösungen und Antworten anbieten, sondern es gehe darum, „die Menschen spüren zu lassen, dass wir da sind“. Das Ziel sei, die Handlungsfähigkeit der Menschen wieder herzustellen, zu stabilisieren und „Strukturen anzubieten im Chaos der Gefühle“. Durch vertraute Menschen solle eine „bleibende Aufmerksamkeit“ gewährleistet werden. Eine der ersten Fragen der Notfallseelsorger sei daher immer: „Wen möchten Sie da haben?“

„Das große Plus“ der Notfallseelsorge gegenüber den Kriseninterventionsteams der Rettungsdienste seien die Riten und die Ausrichtung auf Gott, erklärte der Leiter der Notfallseelsorge. Selbst Menschen, die fern von Kirche und Religion seien, suchten in Notsituationen Sicherheit und Stabilität im Gebet. Es gehe darum, die Sorgen und Ängste in Gottes Hand zu legen. „Die Menschen spüren, dass wir sie nicht missionieren wollen, sondern dass wir einfach da sind“, so Krumpen. Die Notfallseelsorger müssten daher selbst im Glauben verwurzelt sein und eine gewisse Ritenkompetenz mitbringen.

Die Notfallseelsorge arbeite eng mit Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei zusammen. Ihnen komme dabei auch eine vermittelnde Brückenfunktion zu. Wenn es zu Unstimmigkeiten zwischen Einsatzkräften und Betroffenen komme, würden sie versuchen, die Situation zu deeskalieren und die Betroffenen oder Angehörigen zu beruhigen. Zum Einsatz gerufen würden sie immer dann, wenn es um Todesfälle oder lebensbedrohliche Situationen gehe und die Menschen damit überfordert seien. Dies schließe neben Suizid, Kindstod und schweren Verkehrsunfällen auch existenzbedrohende Situationen wie Brände oder Umweltkatastrophen und das Überbringen von Todesnachrichten ein.

Wie vielfältig und anspruchsvoll die Aufgaben der Notfallseelsorger sind, zeigte sich am vergangenen Wochenende in München. Am Tag nach dem Amoklauf führten sie laut Auskunft von Stefanie Drewes unzählige Einzelgespräche mit schockierten Passanten, betreuten Angehörige, die sich am Tatort von ihren Verwandten verabschieden wollten, und schafften Schutzräume zum Trauern. Auch die Betreuung der Mitarbeiter des OEZ, die zum Teil Stunden lang in großer Angst im Einkaufszentrum ausgeharrt hatten und sich in lebensbedrohlichen Situationen befunden hatten, gehörte zu ihren Aufgaben. In Einzelfällen mussten die Augsburger Notfallseelsorger sogar Todesnachrichten überbringen. Sie organisierten Trauerfeiern und begleiteten diese. Da sich unter den Opfern auch Schüler befunden hatten, kümmerte sich ein Schulpsychologe aus dem Bistum Augsburg um die Begleitung an den betroffenen Schulen.

Die Notfallseelsorge im Bistum Augsburg ist in 16 Systeme (Teams) aufgeteilt. Die Zahl der Einsätze ist laut Krumpen in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Waren es 2012 bistumsweit noch rund 200 Einsätze, sind sie im Jahr 2015 auf 1.100 Einsätze gestiegen. Dies sei nur möglich durch die kontinuierlich wachsende Zahl an ehrenamtlichen Notfallseelsorgern. Derzeit machen sie rund ein Drittel des Teams aus. Eine davon ist Gaby Weppner aus Weitnau. Sie ist seit rund zweieinhalb Jahren in der Notfallseelsorge Kempten. Die 48-Jährige ist im Tourismus tätig und übernimmt an ihren freien Tagen durchschnittlich vier Mal im Monat den Bereitschaftsdienst.

Um neue Mitarbeiter auszubilden, bietet die Notfallseelsorge im Bistum Augsburg regelmäßig Kurse in psycho-sozialer Notfallversorgung an. Aufgrund der weiterhin steigenden Zahl an Einsätzen freuen sie sich über jeden Interessenten. Weitere Informationen zur Arbeit der Notfallseelsorge finden Sie unter: www.notfallseelsorge-augsburg.de