Johannes Schaufler: „Der Herrgott steuert das“
(Gundelfingen) Wer in die Gundelfinger Altstadt kommt, der unternimmt eine Zeitreise zurück ins Mittelalter. Rathaus, Stadttore und -mauern sowie die Pfarrkirche aus dem Hochmittelalter erinnern an längst vergangene Tage. Ganz modern geht es hingegen im neurenovierten Pfarrzentrum zu. Dort wirkt seit 2010 Pfarrer Johannes Schaufler, der seit 2020 auch das Dekanat Dillingen leitet. Der vielbeschäftigte Geistliche fährt für sein Leben gerne Rennrad, genießt die Gesellschaft von Tieren und blickt mit viel Gottvertrauen auf sein eigenes Leben.
Die schwere Metalltür zum Pfarrzentrum in Gundelfingen öffnet sich quietschend. Dahinter liegt ein pastorales Verwaltungszentrum, wie es im Bistum nur wenige gibt. Stolz führt der Chef durch die verschiedenen Räume, stellt Personal und Mitarbeiter vor. Dass Johannes Schaufler einmal Pfarrer werden würde, war ihm spätestens seit seiner Zeit am Gymnasium der Benediktinerabtei St. Stephan in Augsburg klar. Gemeinsam mit dem heutigen Generalvikar Msgr. Dr. Wolfgang Hacker drückte der gebürtige Augsburger dort die Schulbank.
Sein eigener Weg führte ihn allerdings in das Priesterseminar des Bistums und nicht in das Noviziat des Ordens. Vor den in der Schule wirkenden Patres hat er zwar großen Respekt, gibt im Hinblick auf die Doppelrolle als Vollzeitlehrer und Ordenspriester allerdings zu: „Des dät i net schaffn.“ Nach zwei Auslandssemstern im Rom empfing er zusammen mit seinem früheren Schulkameraden von St. Stephan 1987 die Priesterweihe.
Das Dekaneamt im Wandel
Als Pfarrer konnte er ganz unterschiedliche Ecken im Bistum kennenlernen. Von Oberreute im Landkreis Lindau (1990-1996) ging es für ihn nach Mering (1996-2010) und schließlich 2010 nach Gundelfingen. Ab 2011 war er für einige Jahre auch letzter Dekan des Altdekanates Dillingen, 2020 ist er erneut zum Dekan des zwischenzeitlich mit dem Dekanat Höchstädt vereinigten Gebietes ernannt worden. Vor allem die Donauradler wüssten die Strecke zwischen Ulm und Dillingen mit ihren historischen Sehenswürdigkeiten zu schätzen, berichtet er. Johannes Schaufler hat die Gegend ebenfalls lieben gelernt. Seinem Pfarrzentrum, das auf den ersten Blick top modern wirkt, sieht man seine über hundertjährige Geschichte allerdings nicht an. Im Erdgeschoss wird der Saal für Deutschkurse genutzt, man unterscheidet zwischen Front- und Backoffice. Auch der Kaplan und die Gemeindereferentin haben hier ihren Sitz. Die Wohnung befindet sich hingegen in einem extra Haus.
Das Dekanat Dillingen in Kürze:
- 12 Pfarreiengemeinschaften und 4 Einzelpfarreien -> 57.600 Katholiken
- Prodekan: Daniel Ertl (Höchstädt)
- 2012 Zusammenschluss der Dekanate Dillingen und Höchstädt
- Highlights: Basilika Dillingen, Stadtpfarrkirchen in Lauingen und Höchstädt, 7-Wegkapellen
Sport und Natur als Ausgleich zum anstrengenden Arbeitsalltag
Im Hinblick auf die Fahrradtouristen weiß der 63-Jährige, wovon er spricht. Bei dem Thema blüht er regelrecht auf, denn seit jeher ist der Priester auch passionierter Fahrradfahrer. Sofort stellt er klar: „Fahrradfahren bedeutet für mich nicht einfach mit dem E-Bike durch die Gegen zu kurven. Ich fahre richtig Rennrad!“ Mit seiner Radgruppe unternimmt er Touren durch ganz Europa. Selbst vor schwierigen Gebirgspässen sowie Fahrten durch die Vogesen und die Dolomiten schreckt er nicht zurück. Dass dabei noch nie etwas Schlimmes passiert ist, begründet er auch damit, dass er jeden Morgen einen Segen spricht. Zu seinen Mitreisenden meinte er damals: „Wir fahren so gefährliche Strecken und haben es nicht in der Hand, ob wir heil ankommen.“ Die Zeit, an der Radwallfahrt zur Ulrichswoche teilzunehmen, nimmt er sich ebenfalls ganz bewusst. Mit über 200 Fahrrädern klingelnd die Maxstraße zur Basilika entlangzufahren, sei ein erhebendes Gefühl. Und auch im Alltag kommt der Dekan mit den grauen Haaren und der randlosen Brille dynamisch daher, sprintet die Treppen im Pfarrzentrum elegant nach oben und huscht zügigen Schrittes durch die langen Gänge.
Vertrauen auf Gott als Leitmotiv
Das Thema Gottvertrauen ist ihm generell wichtig. Das zeigt sich auch, als er über seine Lieblingsbibelstellen spricht. Schon im Buch Genesis habe Josef, der Sohn Jakobs, viel zu erleiden gehabt, sei vom Leben enttäuscht gewesen. Aber: „Er hat an sich selbst erfahren, dass Gott auf uns schaut, denn er ist unser Hirte, und das nicht nur global gesehen, sondern ganz konkret für jeden einzelnen von uns.“ Dasselbe zeige sich auch an den Erzählungen über Mose. Das „Ich bin da“ Gottes am brennenden Dornbusch trägt ihn und schenkt ihm die Zuversicht, dass am Ende alles gut wird.
Zeitkapsel, Verzicht und Tiere
Bei der Renovierung der Pfarrkirche St. Martin wurde kürzlich auch eine Zeitkapsel befüllt. Auf die Frage, was Johannes Schaufler seinem Nachfolger in 100 Jahren mitteilen würde, findet er erst nach einigem Grübeln eine Antwort: „Seid gewiss, ich bin mit euch, alle Tage, bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Konkret würde er also eine hoffnungsvolle Botschaft mit auf den Weg geben, kombiniert mit dem Wunsch, dass auch das Leben in 100 Jahren noch lebenswert sein möge.
Tatsächlich macht sich der Dekan, der oft auf das Auto verzichtet und seit Jahren nicht mehr geflogen ist, auch Gedanken um klimatische Veränderungen und die Ausbeutung der Natur, und verzichtet der Umwelt zuliebe auf viel Plastik. Als er noch in Oberreute Pfarradministrator war, hat er sich sogar zwei tierische Rasenmäher zugelegt: die Ziegen Monika und Susi. Lachend erzählt er davon, wie die schönen Blumen vor den Tieren nicht sicher gewesen seien. Kurzerhand habe er dann zur Leine gegriffen. Besucher seien über die „grasfressenden Hunde des Pfarrers“ entsetzt gewesen. Während seiner Zeit in Mering hat er auch Kanarienvögel und Wellensittiche gezüchtet. In Gundelfingen bekommt er wiederum regelmäßig Besuch von zwei zugelaufenen Katzen, die aber nicht in die Wohnung dürfen.
Spiritualität in der Natur
Generell ist Johannes Schaufler eng mit der Natur verbunden. Sie bietet ihm auch „Andockstationen für das Religiöse“. So versetzt ihn der Sonnenuntergang immer wieder ins Staunen. Er ist für ihn ein Symbol der Endlichkeit. Und dieses Ende ist für ihn gut und mit einer starken Hoffnung verbunden. In seinem sachlichen Sprechstil erzählt er, dass er von süßfrommen Gedanken eigentlich wenig hält. Passion und Auferstehung Jesu sind auch für ihn zentral. Als Pfarrer könne er die Ostertage wegen des ganzen Stresses leider nicht wirklich genießen. Doch beim zuvor stattfindenden Ostereiermarkt, erzählt er, konnte er ohne viel Organisation schon ein kleines bisschen Ostern feiern. Gerne stattet er die Veranstaltung in der Turnhalle jedes Jahr mit sakralen Gegenständen aus der Kirche aus und hält dort die Messe. „Es geht dabei eben nicht nur um Kommerz, weil wir uns ja auch aus einem christlich spirituellen Grund heraus treffen.“, sagt er.
Kirche heute
Dekan Schaufler ist dankbar für die Menschen, die heutzutage noch in die Kirche kommen und sich engagieren: „Vieles ist nicht mehr selbstverständlich.“, gibt der Realist zu. Heute brauche es eine bewusste Entscheidung für ein Leben mit Gott und den Kirchenbesuch. Ihm hilft deshalb seine, wie er sagt, „langsam einsetzende Altersgelassenheit“, aber auch der Gedanke, dass die Menschen ja nicht wegen ihm kämen, sondern „weg’m Herrgott“. Und dieser steuere auch die Kirche. So bleibt ihm nur zu wünschen, dass er mit dieser Einstellung noch so manchen steilen Gebirgspass, auch im Hinblick auf das Leben der Kirche, im Vertrauen auf Gott erfolgreich meistern wird.
Text und Fotos: Leander Stork
März 2024
Hintergrund:
Nach der coronabedingten Unterbrechung des Formates erscheinen wieder regelmäßig neue Portraits unserer Dekane. Die anderen Texte aus dieser Reihe finden Sie ebenfalls auf unserer Homepage.