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Wichtiges
Dinkelsbühler Kinderzeche

Mit Friedenssteinen Brücken bauen

18.07.2022

Die „Kinderzeche“ ist ein überregional bekanntes Kinder- und Heimatfest in Dinkelsbühl. In einem ökumenischen Gottesdienst im dortigen Münster haben Bischof Bertram und Regionalbischöfin Gisela Bornowski am Montag den 125. Geburtstag des historischen Festspiels gefeiert. In ihrer Dialogpredigt betonten sie den hohen Wert des gegenseitigen Mit- und Füreinanders gerade in der heutigen Zeit.

Mit Bezug auf das Jesuswort „Lasset die Kinder zu mir kommen“ verwies Regionalbischöfin Bornowski auf die dem Festspiel zugrundeliegende Erzählung von der „Kinderlore“, die durch ihr mutiges und überzeugendes Auftreten gegenüber dem schwedischen Militär die ehemalige Reichsstadt im Dreißigjährigen Krieg vor der Zerstörung gerettet habe. Sie sei „mit Mut und Herz dem Unfrieden entgegengetreten.“ Im Gegenzug verwies Bischof Bertram auf die düstere Weltlage, in der wir gerade das Gegenteil erlebten: „Im Gegeneinander der Machtpolitik, von Worten und Waffen“ sei für Friede wenig Platz. Doch habe dies auch zu früheren Zeiten gegolten: „Bevor die Kinderlore ihren Mut zeigte, gab es Plünderung und Feuer, Hass, Angst und Schrecken und auch Verwerfungen im Glauben: In Gottes Namen, Gott sei’s geklagt.“

Die Regionalbischöfin erzählte weiter eine Geschichte des Autors Max Bolliger von zwei Bauernfamilien, die an entgegengesetzten Flussufern wohnten und einander spinnefeind waren. Erst das unbekümmerte Aufeinandertreffen der jeweiligen Kinder habe zu einer dauerhaften Annäherung in Form einer Brücke geführt – die „Kinderbrücke“, die der Geschichte auch ihren Namen gab. Bischof Bertram sah dies als starkes Vorbild für die heutige Zeit: „Wir sind Brückenbauerinnen und –bauer!“ Die Unbefangenheit der Bauernkinder habe den Frieden ermöglicht, genauso wie es des Auftretens der Kinderlore von Dinkelsbühl bedurft habe, um Gewalt abzuwenden und Frieden zu bringen: „Die mutige und unbefangene Begegnung lässt Frieden wachsen.“

Bischof Bertram und Regionalbischöfin Gisela Bornowski im Dinkelsbühler Münster.

Bischof Bertram und Regionalbischöfin Gisela Bornowski im Dinkelsbühler Münster.

Mit Verweis auf den Kirchenvater Augustinus schlossen der Bischof und die Regionalbischöfin ihre gemeinsame Predigt schließlich ab: Wer Brücken bauen wolle, müsse auch „Friedenssteine“ dorthin bringen – „Steine, die vom Erfolg des Friedensstiftens erzählen und Steine von Menschen, die für den Frieden beten“ vor Ort in Dinkelsbühl und darüber hinaus, so Bischof Bertram: „Ich glaube, es würde eine reiche Steinesammlung daraus werden.“

Die Kinderzeche gilt als „fünfte Jahreszeit“ in Dinkelsbühl und wird alljährlich im Juli gefeiert. Das historische Fest geht auf den Ferienbeginn zurück, den die katholische und die evangelische Schule der paritätischen Reichsstadt getrennt voneinander mit Umzügen, Tänzen und Volksfesten begingen. Dabei wurde den Kindern vom Magistrat ein Feriengeld ausgegeben: die namensgebende „Kinderzeche“. Im 19. Jahrhundert wurde das evangelische Schulfest vermehrt mit der Erinnerung an die kampflose Übergabe der Stadt an die Schweden während des Dreißigjährigen Kriegs verknüpft.

Seit 1897 wird auf der mittlerweile gemeinsam gefeierten Kinderzeche dazu ein historisches Festspiel aufgeführt, in dem die historisch nicht verbürgte Geschichte der „Kinderlore“ erzählt wird, die durch ihr beherztes Auftreten gegenüber dem schwedischen Feldherren Claus Dietrich von Sperreuth die Stadt vor der Zerstörung bewahrt habe. Seit 2016 gehört die Dinkelsbühler Kinderzeche zum Immateriellen Kulturerbe der Bundesrepublik Deutschland.