24 Stunden Palestrina im Hohen Dom: "Es war wirklich ein klingendes Gebet"
Unter dem Titel „Palestrina - A Global Prayer for the People“ hat am vergangenen Wochenende ein 24-stündiges musikalisches Gebet im Dom zu Augsburg stattgefunden. Es wurde live gestreamt, so dass tausende vor den Bildschirmen mit dabei sein konnten. Bischof Dr. Bertram Meier eröffnete das Gebet am Freitagabend um 18 Uhr mit den Worten „Kult und Kultur gehören aufs Engste zusammen und lassen sich nicht voneinander trennen. Kultur mündet im Gottesdienst.“ Den musikalischen Auftakt dieses außergewöhnlichen Gottesdienstes machten die Augsburger Domsingknaben, gefolgt von verschiedenen Vokalensembles und Instrumentalisten, die bis Samstagabend um 18 Uhr in etwa einstündigem Wechsel im Ostchor vor den Henselmann-Altar traten und durchgehend Werke des Renaissance-Komponisten Giovanni Pierluigi da Palestrina (1525-1594) zum Klingen brachten.
„Ich freue mich, dass die 24-stündige musikalische Andacht im Dom Wirklichkeit wurde“, zeigt sich Bischof Bertram begeistert von Idee und Umsetzung des Projekts. Diese besondere Art von Gottesdienst zeige, dass Kultur und Kult ein Paar sind. Gerade Corona fordere ungewohnte und neue Formate. Die Pandemie und ihre Ursachen mahnten uns, sowohl die Welt mehr zu heiligen als auch das Heilige in die Welt zu tragen, betonte der Bischof. „Besonders danke ich Thomas Bauer und Stefan Steinemann, denen es gelungen ist, innerhalb von zehn Tagen dieses ehrgeizige Projekt einer ‚betenden Kultur’ aufzusetzen. Das Charisma der beiden Protagonisten mit den vielen Ensembles hat sich glücklich verbunden mit dem begrenzten Rahmen, der uns durch Corona gesetzt ist. In 24 Stunden wird aus dem eingesungenen Dom ein eingebeteter geistlicher Raum.“ Die polyphone Musik von Palestrina, dem er bereits seit seinen römischen Jahren verbunden sei, habe das ihrige getan, damit die musikalische Einkehr zur Tankstelle wurde für alle, die Ruhe und Geborgenheit suchten.
Viele Menschen ließen es sich nicht nehmen, trotz Minusgraden Teil der musikalischen Andacht im Dom zu sein. „Worauf es ankam, ist das trostspendende Moment durch das Klingen dieser Musik, die einfach in diesen Raum gehört“, so Domkapellmeister Stefan Steinemann. Die Atmosphäre, die unter Musikern und Zuhörern entstanden ist, sei eine ganz spezielle gewesen. „Es war wirklich ein klingendes Gebet.“ Zusätzlich war die Musik über die kostenlosem Live-Stream zu empfangen, so dass viele tausend Zuhörer erreicht wurden. Der Stream bot einen unmittelbaren Blick auf die Künstler, ließ nicht nur ihren Gesang, sondern auch ihre Mimik verfolgen, die Harmonie zwischen den Sängern und die ganz in den Klang vertiefte Konzentration der Instrumentalisten, die sich an Orgel (Olga Watts), Geige (Sigiswald Kuijken), Bratsche (Marleen Thiers) und Cembalo (Umberto Kostanic) präsentierten.
In einer Zeit, in der die Kultur vielerorts schweigt, waren auch viele von den Musikern einfach um ihrer Profession willen froh, wieder singen und musizieren zu dürfen. Unter den Ensembles waren Singer Pur, Aelbgut, der Chor der KlangVerwaltung, Vodeon, Quintessenz oder auch die Schola der Erzabtei St. Ottilien.
Dass die musikalische Andacht überhaupt stattfinden konnte, war das Ergebnis einer geglückten Zusammenarbeit von Domkapellmeister Steinemann mit Iniitiator und Sänger Thomas E. Bauer, der bei den Augsburger Domsingknaben Unterstützung für das Projekt fand, und mit dem Segen des Bischofs, auch die Kirche dazu. „Mir fehlen eigentlich noch die Worte. Palestrina wirkt erst jetzt im Nachgang mit voller Wucht nach. Die konzentrierte Energie so vieler engagierter Musiker hinterlässt Spuren, die nicht so einfach verschwinden werden“, äußerte sich Bauer zur Umsetzung von dem, was vor kurzem erst als Idee entstand.